
Der Duft der Frauen spielt im gleichnamigen Film mit Al Pacino eine große Rolle.
(Foto: imago stock&people)
Die Kolumnistin bekommt manchmal Komplimente. Jetzt nicht übertrieben viele, aber hin und wieder. Gerad' so, dass sie bei Laune gehalten wird. Ab und an fällt es nicht ganz leicht, ein Kompliment zu erkennen oder es anzunehmen. Deswegen soll es heute nur um Komplimente gehen, verehrter Leser, liebste Leserin.
Neulich kam ein Kollege zu mir ins Büro und sagte: "Ich habe schon am Eingang gerochen, dass du da bist." Ich weiß, dass es ein Kompliment sein sollte. Ich kann es auch so nehmen. Denn ich weiß ja, dass ich gut rieche. Eine Kollegin, die mit mir im Zimmer saß, guckte allerdings etwas sparsam und bemerkte, dass das eventuell für manche zu viel sein könnte, andere Personen bereits am Geruch, wenn auch am guten Geruch, zu erkennen. Daraufhin habe ich mich natürlich gefragt, ob ich übertrieben hatte mit meinem Duft, weil ich selbst es gar nicht mehr spüre, wie doll ich mich eindiesele, denn es ist ja mein Duft, der mich seit Jahren begleitet, und vielleicht hatte ich das Gespür für die Dosierung verloren.
Ich glaube nach wie vor, dass es okay ist, wenn man oder frau gut riecht, wenn es nach Parfüm, Blumen, Brezeln oder sonstigen Wohlgerüchen duftet und nicht nach Arbeit, Schweiß und Tränen. Wir diskutierten noch ein bisschen, denn ich kenne den Kollegen ja seit Jahrzehnten, und weiß, dass er mir irgendwie ein Kompliment gemacht hat. Er hatte vielleicht sogar ausdrücken wollen, dass er sich freut, mich hier zu wissen.
Dabei wurde allerdings deutlich, dass es gar nicht so leicht ist, überhaupt noch Komplimente zu machen. Und sie anzunehmen. Wird man dadurch als Frau vielleicht nur auf das Äußere und das Ding "Frau" reduziert, wenn einer sagt: "Hey, du duftest aber gut"? Aber andererseits will ich nicht gesehen, bemerkt - meinetwegen auch gerochen - werden? Ich kam zu dem Schluss: ja, doch, ich will. Eine andere Kollegin, eine deutlich jüngere, der ich nicht übel nehmen würde, wenn sie mich bereits ins Vorgreisentum verorten würde, war neulich glaubhaft erstaunt über mein wahres Alter. Sie schätzte mich jünger ein. Wesentlich jünger! Mein Tag war gerettet. Aber warum stimmte mich diese Aussage so fröhlich? Wäre es nicht viel toller, wenn man mir bescheinigen würde, was für einen großartigen Charakter ich habe? Den man zugegeben nicht sofort sieht und schon mal gar nicht riecht. Wäre es nicht super, wenn andere der Meinung wären, hey, das ist aber ein interessanter Text, den du da geschrieben hast, vollkommen unabhängig von Aussehen und Duft? Ja, das wäre schön, wenn man dafür auch ein Kompliment bekommt. Ich steh' auf beides.
Meine männlichen Hormone gehen mit mir durch
Denken wir nicht einfach viel zu viel nach? Haben wir verlernt, eine normale, neutrale bis kecke Kommunikation zwischen Männern und Frauen zu führen? Darf ER das? Darf ICH dann lachen? Oder mich geschmeichelt fühlen? Und halten wir es nicht aber auch für viel zu wichtig, wie wir rüberkommen? Wie alt wir sind und wie wir aussehen? Ist das nicht scheißegal? Sollte es ein. Ist es aber nicht. Diese gewisse Eitelkeit, die sorgt dann ja andererseits auch dafür, dass man sich über etwas Nettgemeintes freut, und das ist ja wohl mehr als menschlich. Natürlich ist es zu hinterfragen, ob es besser ist, jünger auszusehen als man ist. Thema graue Haare zum Beispiel. Habe ich. Will ich nicht. Also Haare schon, aber nicht grau, nicht bei mir, denn ich zähle mich zu den Berufsjugendlichen. Ich folge auf Instagram zwar Accounts, die "GoGreyEasy" oder ähnlich heißen, doch alles, was ich denke, ist: "Sehr schöne Frau, aber wäre die nicht noch schöner, wenn sie keine grauen Haare hätte?" Sorry, das sind meine männlichen Hormone, die dann und wann mit mir durchgehen.
Ich habe graue Haare, seit ich 30 bin. Erbe väterlicherseits. Kann man nichts machen außer zu färben, wenn man von Weitem nicht für seine eigene Großmutter gehalten werden möchte. Ich sehe, dass junge Frauen damit viel lockerer umgehen und dass sie sich die Haare zum Spaß grau färben. Aber sie haben diese jungen Gesichter, die sagen: "Haha, das ist nur eine Spielerei von mir, nichts ernst Gemeintes." Ich aber wäre ernsthaft grau, inzwischen wahrscheinlich weiß (weiß ich aber gar nicht, weil ich ja immer rechtzeitig färbe). "Embrace your grey" schrieb eine Freundin neulich mit Fotos ihrer angeblich grauen Haare, die ich aber nur als sehr hellblond empfand (alter Trick, so Brigitte-Nielsen-mäßig blond zu werden, dass das Grau beziehungsweise Weiß nicht weiter auffällt). Ich stellte wieder fest: Ich bin noch nicht so weit, ich bewundere aber alle, die den Prozess entspannt annehmen, dabei fantastisch aussehen und keine Unsummen mehr ausgeben für den Friseur.
Nochmal zur "Berufsjugendlichen" - damit ist ja jemand gemeint, der es einfach nicht packt, in Würde zu altern. Aber genau das habe ich vor. Es geht mir dabei um meinen Kopf (innerlich), der jung bleiben soll. Dafür tue ich auch was. Ja ja, es geht auch um das Äußere, dafür tue ich auch was, siehe die Färberei der Haare. Und nein, es kommt kein Botox in mein Gesicht, denn der Rest meines Körpers, der sich partout nicht mehr bauchfrei oder in all zu kurzen Miniröcken präsentieren lässt, verrät mich ja doch: der Hals, die Hände, die Knie. Ich möchte nicht so enden wie Madonna, die wirkt wie eine aufgeblasene Porno-Puppe, aber stets Handschuhe trägt, damit man was? Die Altersflecken nicht sieht, die Falten auf den Handrücken?
Ich wüsste zu gerne, wie Madonna, Ikone meiner jüngeren Jahre und sechsfache Mutter, jetzt in echt aussehen würde. Wenn sie ein Foto mit ihrer Tochter Lourdes postet, auf dem sie vermeintlich jünger aussieht als ihre eigene Tochter, was denkt sie sich dabei nur? Was denkt ihre Tochter? Gut, Madonna ist ein Pop-Produkt und lebt in einer ganz anderen Welt, meine Kinder, meine Freunde und mein Mann würden mich wahrscheinlich davor bewahren, auszusehen wie eine schlecht gemachte Barbie. Wenn meine Augenlider allerdings auf Höhe meiner Kniekehlen hängen, dann lass ich schnippeln!
Vom Duft zur Gruft
Und doch denke ich auch bei einem Kunstprodukt wie Madonna: Warum nicht? Ist doch ihr Ding. Ihr Leben, ihr Aussehen, sie hat sicher einen Spiegel zu Hause. Wenn es ihr gefällt? Dann soll sie doch! Wie bin ich jetzt vom Olfaktorischen zum Aussehen gekommen? Ach ja, es geht um Toleranz, hatte ich noch nicht erwähnt, aber im Hinterkopf. Das war der Gedanke dahinter. Es geht darum, anderen gegenüber mehr Ruhe, Coolness und Gleichmut, Großzügigkeit und Gelassenheit an den Tag zu legen. Und sich selbst gegenüber auch. Das entspannt und hilft auf dem stetigen Wege der Reifung.
Vorschlag: Wenn Sie also heute oder morgen jemanden treffen, machen Sie dieser anderen Person ein Kompliment. Sie wissen nicht, wie und worüber? Googeln Sie mal "Kompliment" und es werden Ihnen viele Möglichkeiten angeboten, sich Ihren Mitmenschen gegenüber höflicher und besser zu verhalten. Von Lifestyle-Listen und "Die besten Komplimente für Männer und Frauen" über "Das etwas andere Kompliment" bis hin zur "Komplimente-App". Natürlich gibt es auch vergiftete Komplimente wie "Für dein Alter siehst du echt super aus" oder "Du hast ein bisschen zugenommen - steht dir aber" - das lassen wir. Wir nehmen echte Komplimente wie "Du bist echt eine gute Zuhörerin" oder "Ich bewundere deine Kreativität".
Üben Sie mal ein bisschen, Sie werden sehen, dass Ihr Gegenüber gleich viel freundlicher sein wird, einfach, weil es sich wohl fühlt. Denn: "A compliment a day keeps the doctor away." Und zwar beim Gebenden wie beim Nehmenden. Ich wünsche ein duftes Wochenende.
Quelle: ntv.de