Pop Art aus Plastikmüll Viele Barbie-Beine machen einen Berlusconi
05.01.2020, 18:03 Uhr
Aus Barbies, Knöpfen und anderen Plastikteilen entsteht Italiens Ex-Premier Berlusconi.
(Foto: Andrea Affaticati)
Lady Be ist die Königin der Pop Art. Allerdings greift sie nicht zum Pinsel. Sie setzt ihre Kunstobjekte aus Plastikmüll und kaputten Spielsachen zusammen. Berlusconi und Monroe werden so zu einem Flashback in die Kindheit - und senden eine eindeutige Botschaft.
Betrachtet man die Gemälde aus einem gewissen Abstand, erinnern sie an die Werke von Andy Warhol und Roy Lichtenstein. Da Marilyn Monroe, dort Adriano Celentano und seine Frau Claudia Mori, an einer anderen Wand die Porträts der Beatles und das des Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi, in einem anderen Raum die Gioconda von Leonardo da Vinci, Papst Franziskus und Martin Luther. Doch nähert man sich den Bildern ein paar Schritte, bleibt von Warhol und Lichtenstein nicht viel übrig, die Porträts lösen sich auf in gebrochene Barbie-Puppenbeine, in Biene-Maya-Köpfe, Haarspangen, Legobausteine, Plastikautos, Puppenaugen, Zahnbürsten, Kaugummipapier, Knöpfe, Tassen einer Kinderküche, Plastikbambis, Anschlusskabeln, Bleistifte, Radiergummis und viel, viel mehr.
Je nach Beobachter können beim Betrachten der Bilder zwei Eindrücke entstehen: Die einen haben das Gefühl, auf eine kleine, auf Holz geklebte Müllhalde zu blicken. Die anderen werden quasi in ihre ehemaligen Spielzeugkisten hineinkatapultiert.
Gegenstände mit Erinnerungen
Wenn man Letizia Lanzarotti zuhört, sind irgendwie beide Eindrücke richtig. "Ich konnte mich als Kind sehr schwer von meinen Spielsachen trennen, auch von den kaputten. Es fühlte sich an, als ob ich mich von meinen Erinnerungen trennen müsste", erzählt die Künstlerin, die sich Lady Be nennt und alle Songs der Beatles auswendig kennt, bei einem Treffen mit ntv.de in Mailand. Aber ihre Eltern hätten sie dazu erzogen, mit ihren Sachen verantwortungsvoll und nicht verschwenderisch umzugehen. "Das hat mich dann dazu gebracht, die Plastikgegenstände, die die Leute einfach am Strand liegen ließen, aufzusammeln."
Das tut sie auch heute noch. Sie recycelt das Material, das sonst oft im Meer landet, und macht daraus Kunst. Das erste Bild, das die 29-Jährige aus diesem Sammelsurium gemacht hat, entstand vor zehn Jahren. Sie zeigt auf ein paar ihrer ersten Arbeiten. Im Vergleich zu den jetzigen, die aus aberhunderten kleinen, mosaikartigen Stücken bestehen, "sind diese hier noch ziemlich grob zusammengekittet". In der Tat kann man darauf ganze Make-Up-Dosen und sogar ein Kinderhandy entdecken. Diese ersten Werke würde sie " niemals verkaufen".
Zerkleinerte Lippenstifte
Nach dem Abitur an einem Kunstgymnasium in ihrer Heimatstadt Pavia besuchte Lady Be die Kunstakademie und verfeinerte ihre Technik. "Die Gegenstände auf das Essenziellste zu verkleinern, ist bei diesen Bildern am schwierigsten", erzählt sie. Denn auch wenn am Ende nur ein winziges Detail verwendet werde, müsse man daran trotzdem noch erkennen können, ob es sich dabei um eine Plastikblume, einen Lippenstift, Bonbonpapier oder einen USB-Stick handelt. "Jeder Gegenstand hat seine Geschichte", sagt Lady Be. "Und die Leute, die ihn wiederkennen, haben vielleicht auch persönliche Erinnerungen daran."

"Azzurro"-Sänger Adriano Celentano in jungen Jahren mit seiner Frau Claudia Mori.
(Foto: Andrea Affaticati)
Nachdem sie ihre Funde mühsam zerkleinert hat, sortiert Lady Be sie nach Farben und Nuancen, denn es sind die farblichen Zusammensetzungen, die den Bildern ihren Reiz verleihen. Außerdem müssen die Bruchstücke einen Bezug zum Motiv, also zur porträtierten Person, haben. "Bei dem Berlusconi-Bild kann man zum Beispiel Teile von Barbiepuppen erkennen", sagt Lady Be mit einem verschmitzten Lächeln. Erst wenn die Vorbereitungen beendet sind, kann sie sich an die kreative Arbeit machen. Im Durchschnitt dauert es zwei Wochen, bis ein Bild fertig ist.
Ihre eigene Erinnerungskiste ist inzwischen schon lange leer. Deswegen ist sie viel auf Flohmärkten unterwegs und klappert weiter die Strände ab. Es gibt auch ein paar Schulen, die für sie Gegenstände, die nicht mehr gebraucht werden, zur Seite legen. Das erklärt, warum man bei genauer Beobachtung der Werke auch Zirkel und Lineale entdecken kann. Und dann sind da noch Freunde, die immer wieder für Nachschub sorgen.
"Save the Oceans - Save the World"
Lady Bes Kunstobjekte kommen beim Publikum gut an, der Marktwert liegt je nach Größe zwischen 3000 und 10.000 Euro. In der Enzyklopädie Treccani, der italienischen Version des Brockhaus, wird Lady Be als die Erbin der Pop Art beschrieben. Das schmeichelt ihr natürlich. Aber sie meint, dass es nicht so sehr mit ihrem Stil zu tun habe, sondern mit ihrem Ansatz, der schon im Begriff "Pop Art" enthalten ist: "Ich verwende Materialien und Gegenstände, die jeder auch bei sich zu Hause finden und in denen er sich oft auch wiedererkennen kann".
Vielleicht ist es diese Alltäglichkeit in Kombination mit dem Aufruf "Save the Oceans - Save the World", den man auf ihrer Website liest, die Lady Be noch vor dem Durchbruch in Italien im Ausland bekannt gemacht hat. Ihre Gemälde waren schon in New York, Tokio, Paris, Wien und in Deutschland zu sehen. Im Oktober hat sie mit einer Performance an der "K International Fair" in Düsseldorf teilgenommen. Nächstes Jahr geht es nach Budapest und erneut New York. Vielleicht bringt sie von dort ja weitere Fundstücke mit.
Quelle: ntv.de