Unterhaltung

Polizeiruf 110 "Wendemanöver" Anders anders

Sylvester Groth gehört zum "wohltuend aus der Spur geratenen Personal" in diesem 2. Teil.

Sylvester Groth gehört zum "wohltuend aus der Spur geratenen Personal" in diesem 2. Teil.

(Foto: imago/Future Image)

Fadenscheinige Familienbande und windige Geschäftemacher, Erpressung und Brandstiftung, Namensroulette und knutschende Kommissare - die Fortsetzung dieses Polizeirufs zerfällt in seine Einzelteile. Und bleibt auf krude Art doch unterhaltsam bis zum Schluss.

Wie hatte Sybille Berg gerade erst in ihrer trefflichen spiegel.de-Kolumne den Kulturtheoretiker Klaus Theweleit zitiert? Dass "Männerbünden ohne die regulierende Wirkung von Frauen keinerlei Entwicklung innewohnten." Sie würden sich in "Hackordnungen und Brutalität" verlieren. Eoin Moores "Polizeiruf 110"-Zweiteiler "Wendemanöver" nun nimmt den Zuschauer mit hinein in diesen auf Zerstörung und Brutalität hinauslaufenden Orkan, der aus jenen Männerbünden entsteht. Nicht im ganz großen Kontext, wo just Weltkonzerne und ihre grauen Eliten Hunderttausende Angestellte ins Wanken bringen, sondern in ein ostdeutsches Wirrwarr aus Familienunternehmen, DDR-Schmuggel, Waffenexporten und Transferrubelbetrug. Und noch so vier, fünf weiteren Dingen.

Eine echte Polizistin, wow!

Eine echte Polizistin, wow!

(Foto: imago/Future Image)

Im ersten Teil hatte Autor und Regisseur Moore einen Sack voller Dominosteine dahingeworfen. In Magdeburg und Rostock gab es zeitgleich Tote, einen Mann und eine Frau. Die beiden hatten ein Verhältnis, telefonierten kurz vor ihrem Tod miteinander. Die Reviere der beiden Städte schlossen sich zur gemeinsamen Ermittlung kurz, am Ende des ersten Teils gerieten die Dinge nicht eben klarer. Da gab es diese zwei undurchsichtigen Unternehmen, diverse ältere Herren mit schlecht sitzenden Perücken oder nachlässig gefärbtem Schopf (wie auch die Kommissare und Kommissarinnen durchgängig wie einem L’Oreal-Spot für Haartönungen entsprungen aussahen), dazu traurige Töchter, Ermittler im Flirt- oder eben, wie im Falle Bukows, im Offlinemodus unter dem Radar. Bukows Cliffhangerleiche auf dem Beifahrersitz bildete denn auch den Anfang des zweiten Teils.

Whodunit?

In eben jenem nun versuchten sich die Reviere als mehr oder minder funktionierendes Tandem daran, diese Dominosteine von hinten nach vorn wieder aufzustellen. Wer hat geschossen, wer gezündelt, was hat es mit einer Briefkastenfirma namens Wotan auf sich? Könnte es sein, dass jemand namens Wagner etwas damit zu tun hat? "Wendemanöver" spielt seine Plots an der Grenze zur Plausibilität auf zwei Ebenen aus: In einem Namens-, Orts- und Personenwust, der einen Notizzettel zum Mitschreiben nötig macht, versucht der Film, mal eben jene drei Jahrzehnte umspannenden mafiösen Strukturen offenzulegen. Gleichzeitig zeigt er, wohin eben jene Männerbünde, dazu noch innerfamiliäre, führen können: zu Feuer und Flamme, falscher Loyalität, Verdammnis und Mord.

Es darf geflirtet werden ...

Es darf geflirtet werden ...

(Foto: imago/Future Image)

Dabei verliert Moore so nach und nach ein wenig die Kontrolle über den Fall, Spannungskurven werden wieder glattgebügelt von zu viel Hin und Her, großen Portionen Faktensalat und Theorien vorm Polizeireißbrett. Die Verwirrung, die daraus entsteht, nutzen jedoch die Ermittler, um sich mal auszutoben. Da wird geflirtet und geknutscht, im Ökoladen angebändelt, eine Leiche mit Duftbaum garniert, die Liebe unter Männern auserzählt, um am Ende dann den Fall in einer silbenreichen Erklärmontage irgendwie zu Ende zu bringen.

Dass dem Chaos so viel Entertainment innewohnt, liegt schlussendlich, wie fast stets, im Rostocker Revier begründet, an seinem wohltuend aus der Spur geratenen Personal. Eben weil es trotz allen Wirrwarrs immer noch aufregend und spannend bleibt, dem Treiben von König und Co. in der trist-diesigen Hafenstadt zuzuschauen. "Ich glaub, ich bin einfach anders als die anderen. Nicht so Vater, Mutter, Haus, Hund, Katze, Maus. Anders eben," resümiert Katrin König (Anneke Kim Sarnau) kurz vor Abspann. "So wie ich?!" entgegnet Bukow (Charly Hübner). "Nee, anders anders", die Antwort. So sind sie, die Rostocker. Und passen damit bestens zu den Magdeburgern. Weil sie anders sind. Anders anders.

Quelle: ntv.de

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