"Tatort" mit Brix und Janneke Ein kleines bisschen Horrorshow
10.04.2016, 21:53 Uhr
Gestatten, der "böse Friederich" alias Alexander Nolte, Mörder.
(Foto: dpa)
Hier kommt Alex: Er hat 19 Jahre für einen Mord abgesessen und nach seiner Entlassung immer noch Strom hinter der Stirn. Für den dritten Fall des Frankfurter Teams entspinnt Regisseurin Hermine Huntgeburth einen Alptraum in Beige.
Die Vergangenheit ist ein fernes Land. Die Menschen benehmen sich merkwürdig dort. Manchmal melden sie sich zurück in der Gegenwart. Und benehmen sich immer noch merkwürdig. Alexander Nolte (Nicholas Ofzcarek) ist so einer. Knapp zwei Dekaden sind vergangen, seit Anna Janneke (Margarita Broich), damals noch Polizeipsychologin, ihn des Mordes an seiner Lebensgefährtin überführt hatte. Nolte ging lebenslänglich in den Bau, nach 19 Jahren folgt nun die Begnadigung. Dass er überhaupt wieder auf freiem Fuß ist, sorgt bei der Hauptkommissarin für Panikzustände, hält sie den Mann doch immer noch nicht nur für ausgesprochen, nun ja, merkwürdig, sondern mindestens lebensgefährlich.
Eine Einschätzung, die sicher auch der Obdachlose Martin Busche (Manuel Harder) teilen würde, wenn er denn noch reden könnte. Stattdessen liegt er mit einem Stich in der Brust mausetot in einem Hinterhof. Nolte hatte den Pfandsammler mit der Aussicht auf ein paar Euro in einen Hinterhalt gelockt und ihm eiskalt den Stahl zwischen die Rippen gerammt.
War Mörder, wird Mörder
Dass dieser "Tatort", der dritte Fall des Duos Anna Janneke und Paul Brix (Wolfram Koch), sich nicht um Whodunit-Konventionen und klassischen Spannungsaufbau schert, macht Regisseurin Hermine Huntgeburth ("Effi Briest") von der ersten Minute an klar. Mit Karacho und Rammstein ("Asche zu Asche") geht es direkt in den kranken Kosmos des frisch entlassenen Noltes. Der tanzt im Unterhemd Spasmus-Pogo vor der heimischen Fotocollage und lässt unschwer erahnen, dass Jannekes Einschätzung, was die Sozialprognose des Mörders angeht, sich mit der Wirklichkeit deckt.
War Mörder, ist Mörder, wird erneut zum Mörder - damit gibt die Figur schon in der Anfangsviertelstunde all das an Plot weg, was dem sonntäglichen 90-Minüter sonst für die Schlussmontage vorbehalten ist. Der Täter steht von Beginn an fest, in der Folge geht es weniger um das Aufklauben von Indizien, Kaffeetrinken mit Verdächtigen oder das Rumlungern im Verhörverlies. Stattdessen folgt das Geschehen dem klobig-charismatischen Nolte auf seinen Wegen und lässt den Zuschauer daran teilhaben, wie beinah beiläufig er nicht nur seine Psychologin (gewohnt überzeugend verhuscht: Ursina Lardi) zur hilflosen Beischläferin modelliert, sondern auch Brix und Janneke in chamäleonesken Schachzügen erst um den Finger wickelt und dann noch - beinah jedenfalls - gegeneinander ausspielt.
Nolte zappelt, zetert, vögelt und verstört
Wie leicht das ist, in Gefühlsdingen und deren Einschätzung danebenzuliegen, zeigt das parallel abgehandelte Privatleben der beiden Ermittler. Brix und seine blutjunge Bettgenossin haben verschiedene Vorstellung von Intimsphäre und Jannekes kärgliches Überbleibsel eines One Night Stands ist nicht nur ein fader Nachgeschmack, sondern auch noch eine falsche Telefonnummer.
Im Fokus aber steht unbestritten Nicholas Ofzcarek und sein überbordendes Spiel zwischen verstörend charmant und betörend lebensgefährlich. Sein Nolte zappelt und zetert, flirtet und flaniert, vögelt und verstört. Wie Javier Bardem mit besserem Haarschnitt, wie Lars Eidinger ohne Rock oder Hannibal Lecter mit Gewichtsproblemen, versieht der 44-jährige Burg-Schauspieler aus Wien sein Spiel mit einer fulminanten Mischung aus Wahn, Körperlichkeit und Irrsinn.
Dazu verbaut Kameramann Sebastian Edschmid die Bilder mit einem chronischen Stich ins Beige-Bräunliche, unterfüttert so das Wahnhafte der Ereignisse mit entsprechend fiebriger Koloratur. Dass die Forterzählung der Geschichte von Brix und Janneke in diesem dritten Fall etwas ins Stocken gerät - sei es drum. Dafür bietet "Die Geschichte vom bösen Friederich" ein durchweg kurzweiliges, von Wilhelm Busch dezent, von Rammstein und Mozart dafür umso direkter umwehtes Krimi-Entertainment mit einem der knalligsten Killer der "Tatort"-Geschichte.
Quelle: ntv.de