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"Programmatische Entschlackung" Filmemacher fordern Berlinale-Neuanfang

Das ist bitter für Dieter Kosslick: Dem Chef der Berlinale wird von 79 deutschen Regisseurinnen und Regisseuren kein gutes Zeugnis ausgestellt.

Das ist bitter für Dieter Kosslick: Dem Chef der Berlinale wird von 79 deutschen Regisseurinnen und Regisseuren kein gutes Zeugnis ausgestellt.

(Foto: REUTERS)

Alles muss anders werden bei der Berlinale: 79 renommierte, deutsche Regisseure wollen eine konsequente künstlerische Neuausrichtung des Filmfestivals. In der Kritik steht die Qualität des Wettbewerbs - aber auch Berlinale-Chef Dieter Kosslick.

Rund um das seit 16 Jahren von Dieter Kosslick geleitete, größte deutsche Filmfestival - die Berlinale - rumort es seit einiger Zeit. Die Filme seien zu beliebig, ebenso die Glamourauftritte, lauten die Vorwürfe. Jetzt fordern zahlreiche Star-Regisseure in einer auf "Spiegel Online" veröffentlichten Erklärung einen kompletten Neuanfang - auch um das Festival gegen die Konkurrenz aus Cannes und Venedig in Stellung zu bringen.

Es gelte, "das Festival programmatisch zu erneuern und zu entschlacken", verlangen die 79 Filmemacher. Anlass ist die derzeitige Suche nach einem Nachfolger für den Berlinale-Chef Kosslick. Wenn dessen Vertrag Ende Mai 2019 ausläuft, dann müsse das Festival ganz neu ausgerichtet werden. Inhaltlich - aber wie zwischen den Zeilen zu lesen ist, auch personell. Das ist das Anliegen von preisgekrönten Regisseuren wie Fatih Akin, Maren Ade, Doris Dörrie und Volker Schlöndorff.

Ziel müsse es sein, "eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die für das Kino brennt, weltweit bestens vernetzt und in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen". Für die Wahl der nächsten Festivalleitung ist Kulturstaatsminister Monika Grütters (CDU) verantwortlich. Die Filmemacher schlagen dagegen vor, eine internationale, zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzte Findungskommission einzusetzen, die auch über die grundlegende Ausrichtung des Festivals nachdenken soll.

Trennung von geschäftsführender und künstlerischer Leitung

Der Sprecher von Gütters erklärte, die Staatsministerin befinde sich bereits seit geraumer Zeit in einem "bewusst offenen Austausch zu perspektivischen Fragen der Berlinale". Auf Einladung der Ministerin gibt es am 4. Dezember eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Zur Zukunft internationaler Filmfestivals" im Berliner Haus der Kulturen. Dort solle über die Perspektive der Berlinale, ihre Stärkung als eines der herausragenden A-Filmfestival der Welt "sowie über die sich daraus ergebenden Erwartungen an eine zukünftige Intendanz" öffentlich diskutiert werden.

Obwohl Kosslick zugleich auf Gütters verwies, könne er "den Wunsch der Regisseure nach einem transparenten Prozess der Neugestaltung der Berlinale verstehen". Er werde dem Berlinale-Aufsichtsrat "einen Vorschlag zu einer möglichen Neustrukturierung der Berlinale" unterbreiten. Im Interview von "Deutschlandfunk Kultur" sagte Kosslick, dass er sich eine Trennung von geschäftsführender und künstlerischer Leitung vorstellen könne. "Bei so einem Festival wie der Berlinale sollte man auch darüber nachdenken, ob man alles in einer Hand lässt, oder ob man das analog zu anderen Festivals organisiert." Ob er selbst eine Vertragsverlängerung anstrebe oder sich den Posten des geschäftsführenden Festivalpräsidenten vorstellen könne, ließ er offen. Er sehe sich nach dem Auslaufen seines Vertrages eher auf seinem Sofa, meinte er.

Zerwürfnis mit Harvey Weinstein

Viele der Unterzeichner der Erklärung haben in den vergangenen Jahren selbst Filme auf der Berlinale gezeigt, darunter Andreas Dresen, Rosa von Praunheim, Volker Schlöndorff, Hans-Christian Schmid oder Anna Zohra Berrached. Regisseure wie Fatih Akin, Christian Petzold und Maren Ade zählen zu den Bären-Gewinnern.

Doch immer mehr Regisseure, wie zum Beispiel auch Akin und Ade, schickten ihre neuen Arbeiten zuletzt lieber in die Wettbewerbe der Festivals in Venedig und Cannes. Dass Kosslick in den vergangenen Jahren auch nicht mehr die ganz großen Hollywood-Produktionen nach Berlin holen konnte, mag möglicherweise auch einem Zerwürfnis mit dem derzeit unter vielfachem Missbrauchsverdacht stehenden Harvey Weinstein geschuldet sein. Er habe mit Weinstein einige Desaster erlebt und sei geschäftlich unter Druck gesetzt worden, sagte Kosslick kürzlich. Er habe dann den Kontakt zu dem Filmproduzenten abgebrochen.

In Filmkreisen wurde zuletzt spekuliert, ob Kosslick nach seinem Ausscheiden als künstlerischer Leiter der Berlinale dem Festival vielleicht in einer anderen Funktion verbunden bleibt. Möglicherweise dann in dem von Grütters angestrebten Filmhaus, das auf einem Grundstück des Bundes neben dem Martin-Gropius-Bau Filmeinrichtungen wie der Berlinale, der Deutschen Filmakademie und der Deutschen Kinemathek Platz bieten könnte.

Quelle: ntv.de, hny/dpa/AFP

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