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"Ich bin da!" Jasmin Shakeri bleibt cool

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Moderiert den Filmpreis und ist sich ihrer Verantwortung, Spaß und Ernsthaftigkeit unter die Leute zu bringen,  bewusst: Jasmin Shakeri.

Moderiert den Filmpreis und ist sich ihrer Verantwortung, Spaß und Ernsthaftigkeit unter die Leute zu bringen, bewusst: Jasmin Shakeri.

(Foto: dpa)

Am Freitagabend werden vor 1600 Gästen im Theater am Potsdamer Platz (und vor den Bildschirmen) Lolas verteilt. Musikerin und Schauspielerin Jasmin Shakeri ("Einfach mal was Schönes") wird Gastgeberin des Deutschen Filmpreises sein. Man darf mit viel Musik und Dynamik rechnen, und mit Stars: unter anderem wird es einen gemeinsamen Auftritt der ehemaligen Akademie-Präsidentinnen und -Präsidenten Senta Berger, Günter Rohrbach, Iris Berben und Ulrich Matthes geben, denn gleichzeitig wird der 20. Geburtstag der Deutschen Filmakademie gefeiert. Weitere Stars: Jasmin Tabatai, Katja Riemann, Heike Makatsch, Sam Riley, Christian Berkel, Klaas Heufer-Umlauf und natürlich die Vorsitzenden der Akademie, Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger. Doch zuerst all eyes on: Jasmin Shakeri! Sie erfreut ntv.de im Interview an vielen Stellen.

ntv.de: Das wird eine große Show, die du da moderierst.

Jasmin Shakeri: (lacht) Aber hallo!

Das heißt, du bist sehr aufgeregt.

Ehrlich gesagt, gar nicht. Ob das gut ist, weiß ich nicht. Es kommt bestimmt noch, in der Sekunde vorher, wenn ich anfangen muss zu performen. Da brauche ich halt meine fünf Minuten, wo niemand redet und meine Augen zu sind und ich einfach kurz mal den Text durchgehe im Kopf.

Kam die Anfrage überraschend?

Ja, und ich habe sofort zugesagt. Unter der Bedingung, dass ich selbst meine Texte schreiben darf.

Und das darfst du. Was sagst du zu dem ganzen Hickhack um die Nominierungen?

Es gibt einfach - keine Ahnung - 2000 Filme? Natürlich kann nicht jeder Film nominiert werden. Man muss irgendeine Lösung finden, in der sich jeder gesehen und keiner benachteiligt fühlt. Aber das ist nicht so einfach. Ich wüsste jetzt nicht konkret, wie das aussehen könnte.

Also, du bist nicht aufgeregt. Aber was bedeutet es für dich, diesen Abend zu moderieren?

Man könnte ja meinen, dass ich das nicht ernst nehme, weil viele Leute Aufregung für ein Zeichen des Respekts vor der Sache halten. Ich bin mir der Verantwortung durchaus bewusst und kann trotzdem cool bleiben. Und das muss ich auch, weil ich inhaltlich was rüberbringen will. Den Gästen, den Kolleginnen, aber vor allem den Nominierten gegenüber. Die Moderation ist für mich aber auch eine Möglichkeit, sich der Bedeutung von Kunst zuzuwenden. Eine Möglichkeit wachzurütteln. Und wenn ich da auf der Bühne stehe, sehe ich mich in der Pflicht, bestimmte Themen nicht auszuklammern und dennoch gleichzeitig den Leistungen meiner Kolleginnen und Kollegen gegenüber fair zu sein.

Und sie zu feiern.

Ja, was die Gesellschaft nicht vernachlässigen sollte ist, sich gegenseitig zu erheben. Sich Mut zuzusprechen, andere zu ermutigen und sich zu solidarisieren. Ich denke, dass die Verantwortung darin liegt, dass wir uns unseres Privilegs bewusst sind. Das, was es zu verteidigen gilt, ist die freie Kunst. Wenn man sieht, was in anderen Ländern abgeht, dann wird einem ziemlich schnell klar, dass es auch Länder gibt, in denen es von heute auf morgen vorbei sein kann, sich frei zu äußern und so eine Kunst zu machen, wie wir sie machen.

Muss Kunst immer politisch sein?

Nein, muss sie nicht zwingend. Aber der Fakt, dass sie ausdrückbar ist, wie man es gerne möchte, ist politisch. Wir sollten, mit unserer Kunst einer polemischen Rhetorik, einer fahrlässigen, hetzerischen Ausdrucksweise Einhalt gebieten. Uns Künstlerinnen spricht man eine größere Freiheit zu, unsere Gedanken zu äußern, weil man hier eben frei Schnauze sprechen kann. Und ich will anderen gern sagen: Wir sind da. Ich bin da. Und natürlich sollten wir uns noch viel mehr trauen.

Wer dir auf Instagram folgt, sieht, dass du deine Stimme nutzt. Es gab mal eine Phase, da hat nur die alte Garde - wie Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Konsorten - sich getraut, zu ihrer Meinung zu stehen oder überhaupt eine zu haben. Das ist zum Glück anders geworden.

Endlich ist es so, dass viele Leute etwas sagen und ihre Bekanntheit nutzen. Es ist eine gute Entwicklung, eine gute Form von Haltung. Ich orientiere mich extrem an der Generation nach mir, nicht nur im künstlerischen Bereich, sondern einfach, wie die mit den Themen umgehen. Mich interessiert das Narrativ, mit dem die Jugend aufwächst. Wir um die 40, wir halten uns ja schon für wahnsinnig liberal, wenn wir zum Beispiel nicht homophob sind, aber wir sind doch immer noch recht kleinteilig unterwegs. Für die nächste Generation sind Jungs mit Nagellack normal, wir hingegen betonen noch, wie cool wir das finden und ja tatsächlich nichts dagegen haben, aber ... Die Jugend diskutiert darüber gar nicht mehr, und das ist gut so.

Wie cool, dass die Kids jetzt anders aufwachsen, ich brech' mir noch immer einen an LGBTQ+ ab, und die leben das einfach.

(lacht) Ja, es ist einfach drin. Ich find' die Jugend gut, die gehen auf die Straße in einem Alter, da war mein Highlight, dass am Freitagabend das Wochenende beginnt. Gut, kurz mal zur Demo gegen den Golfkrieg, aber das war's dann auch schon. Jetzt sieht es so aus, dass wir den jungen Menschen die Aufräumarbeit hinterlassen. Und ich orientiere mich an ihnen, weil ich meine, dass die sowas wie patriarchale Muster, Machterhalt und irgendwelche bestimmten alten, tradierten Dinge, die "schon immer" funktioniert haben, aufbrechen. Diese junge Generation sagt, wir sind ganz woanders, wir müssen dafür sorgen, dass wir in 30 Jahren nicht alle Klimaflüchtlinge sind.

Für mich bist du auch die junge Generation …

(lacht) Ja, danke. Ich sehe mich selbst als Übergangsperson, als Schwellenland. Ich bemerke schon, dass ich zu kämpfen habe mit meiner eigenen Wahrnehmung. Ich bin ohne Handy aufgewachsen, mein erstes hatte ich mit Mitte 20, davor gab es das alles nicht. Wenn, dann gab es nur so ein paar Nokia-Totschläger. Ab und zu verspüre ich in mir diese Form von Arroganz: "Wir haben noch Bücher gelesen und sind auf Bäume geklettert" - weil die heute alle auf ihren Smartphones rumtippen und man sich anmaßt zu sagen, dass sie motorisch irgendwie benachteiligt sind. Anstatt darüber nachzudenken, dass wir denen das vorgelebt haben.

Hast du das Gefühl, auf Instagram geht es nur darum, sich zu vergleichen?

Schon viel, wer ist schöner, hässlicher, reicher, glücklicher. Aber es ist eben auch ein Kommunikationsmittel. In anderen Ländern kommen durch Handys und die sozialen Medien überhaupt erst Wahrheiten ans Licht, wie bei der Iran-Revolution. Es gibt in vielen Ländern keine Pressefreiheit, es gibt keinen Journalismus im Land. Und dann ist die Jugend darauf angewiesen, sich die einzigen journalistischen Grundlagen zu erhalten, um Informationen nach außen zu bringen. Und dann kann man nicht sagen, ich verteufel' jetzt Social Media, denn es hat auch wirklich eine positive Seite. Und es sind ja weiß Gott nicht alle verblödet.

Würdest du sagen, dass die Revolution im Iran jetzt so möglich ist, weil es Social Media gibt?

Ich glaube das tatsächlich. Junge Menschen können sehen, wie andere junge Menschen leben, und wollen das auch. Dürfen das aber nicht. Dann folgt die Auflehnung dagegen. Welche Werte teile ich mit der Außenwelt, fragen sie sich, wo stimmen wir überein - und was wird mir hier vorgelebt? Diese Form von Rebellion steckt sowieso in jungen Leuten, und wenn dann Themen wie Homosexualität dazu kommen, dann steht die Frage im Raum: Warum könne die das in San Francisco leben und ich nicht?

Sprichst du darüber auf dem Filmpreis?

Die Filme dieses Jahr geben mir für Politisches und Soziales extrem dankbare Steilvorlagen. Ein Film wie "Im Westen nichts Neues" zeigt doch, dass das große Thema Krieg, auch wenn es ein anderer Krieg im Film ist, ein alter Krieg, nichts an Brisanz und Aktualität verloren hat. Leider.

Oder "Sonne und Beton" …

Wir müssen da hingucken, wo es brennt, genau. An den Zuschauerzahlen von "Sonne und Beton" zum Beispiel sieht man, dass das Erzählte mit dem Publikum resoniert. Ich glaube, dass die Nominierten den gleichen Anspruch an die Kunst und ihre Aufgabe haben, sodass ich mir keine Sorgen mache, dass jemanden die Bezüge auf das größere Ganze stören könnten.

Mit Jasmin Shakeri sprach Sabine Oelmann

Die Verleihung des Deutschen Filmpreises findet am 12. Mai in Berlin statt.

Quelle: ntv.de

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