Letzte Sendung im Gasometer "Lassen Sie uns über Vernünftiges reden"
30.11.2015, 04:03 Uhr
Amüsante Kombination: Der Kumpeltyp unter den Polit-Talkern - Günther Jauch - und Finanzminister Wolfgang Schäuble.
(Foto: imago/Stefan Zeitz)
Wer den Finanzminister einlädt, hat einen harten Brocken vor sich, aber auch einen witzigen Gesprächspartner. Günther Jauch kann nun ein Lied davon singen. Seine letzte Sendung gelang durchaus – und endete kurios bis bizarr.
Das Konfrontative war noch nie das Ding des Günther Jauch. Er betrachtete weder seinen Moderatorensitz noch den Sessel eines Gastes als heißen Stuhl. Der 59-Jährige wirkte stets wie der nette Bubi von nebenan. Ehrgeiz, mittels brutalstmöglicher Fragetechnik aus seinen Diskutanten noch nie Gehörtes oder Unerhörtes heraus zu kitzeln, fehlte ihm. Jedenfalls mussten seine Gäste nie fürchten, dass er ihnen Feuer unterm Hintern macht. Statt sie in die Enge zu treiben, gab er ihnen Raum zu freier Entfaltung. Jauch präsentierte sich in den viereinhalb Jahren seiner Polit-Talkshow mehr als moderierender Freund friedlicher Kuschelrunden als ein Anhänger knallharten Streits.
So nimmt es sich nicht Wunder, dass sich der Moderator für seine allerletzte Sendung für ein Zwiegespräch und kein Quintett, er und vier Gäste, entschied. All diejenigen, die den Gastgeber und seinen handzahmen Stil guthießen, werden mit seiner letzten Sendung zufrieden gewesen sein. Und all diejenigen, die Jauch für fehl am Platze hielten, werden sich bestätigt sehen.
Denn: Die Zuschauer erlebten eine unterhaltsame Sendung - was allerdings vor allem am Gast des Abends lag, an Finanzminister Wolfgang Schäuble. Doch zur Ehrenrettung Jauchs sei hier gleich erwähnt: Ein leichtes Gegenüber hatte sich Jauch nicht ausgesucht. An Schäuble beißen sich selbst allerbeste Journalisten die Zähne aus. Der Mann ist vermutlich - zusammen mit Angela Merkel - der härteste Brocken im politischen Berlin. Aus ihm etwas herauszubohren, was er partout nicht sagen will, ist faktisch nicht möglich.
Schäuble bestätigt jedes Klischee
Jauch tat es hier und da trotzdem - und scheiterte prompt. Er fragte und bekam eine Antwort, oder so etwas in der Art. Machte aber nichts. Denn unter dem Strich war es unterhaltsam. Und obendrein bestätigte auch Schäuble alle Urteile und Vorurteile, die zu seiner Person existierten: Dass er von sich eingenommen, extrem loyal der Kanzlerin gegenüber, eloquent, witzig, spitzfindig, klug, scharfsinnig, besserwisserisch, hart und uneinsichtig ist und alles tut, Schlagzeilen zu vermeiden, die ihm, der Union und Merkel schaden könnten.
Die Kanzlerin? Macht alles superklassetoll, ganz besonders in der Flüchtlingsfrage. Schaffen wir das? "Wir werden das meistern." Hat er bei seinem umstrittenen Lawinen-Vergleich die Regierungschefin gemeint? Nein, natürlich nicht. Er habe ihr gesagt: "Ich habe bei Ihnen alle möglichen Vorstellungen, aber nicht die eines Skifahrers." Also kein Dissens zur Kanzlerin? Nein, natürlich nicht. Immer noch wütend auf Kohl? "Ich habe keinen Groll gegen Helmut Kohl. (...) Ich nehm da nichts mit ins Grab - und er hoffentlich auch nicht." Seltsam nur, dass viele in der CDU das komplette Gegenteil behaupten - und das gilt sowohl für Schäubles Verhältnis zu Merkel als auch zum Altkanzler, mit dem er seit Jahren kein einziges Wort gewechselt haben soll.
Bezeichnend auch Schäubles souverän wirkende, in Wahrheit aber unsouveräne Replik auf die Äußerungen von Martin Schulz, dem Präsidenten des EU-Parlaments, im jüngsten "Spiegel". Der SPD-Politiker behauptet, dass der Widerstand in der EU gegen die Aufnahme von Flüchtlingen die Rache für Schäubles Beharren auf einen strikten Sparkurs zur Bewältigung der Eurokrise sei. Der Finanzminister, der schon bei Jauchs Frage dazu ein überhebliches Siegerlächeln zeigte, sagte: "Ich begebe mich ungern auf das Niveau." Um dann exakt das zu tun. Statt sich inhaltlich zu den Vorwürfen zu äußern, versuchte der Minister, Schulz als irrlichternden Möchtegern-Bundespolitiker darzustellen: "Der Präsident des europäischen Parlaments könnte ein bisschen Wert darauf legen, dass man ihn auch ernst nehmen kann." Schulz versuche, bei den Genossen Eindruck zu schinden, ihn auf die bundespolitische Bühne zu holen. Schäuble abwiegelnd: "Das muss man nicht ernst nehmen. Lassen Sie uns über etwas Vernünftiges reden."
Ende mit bizarrem Prolog
Also gut. Denn Jauchs Stärke sind ja in der Tat die Fragen nach privaten Ansichten und Plänen. Da blüht er regelrecht auf, wenn das Gegenüber mitspielt. Und Wolfgang Schäuble tat ihm den Gefallen. So wollte Jauch von dem CDU-Mann wissen, ob er nach dem Ende der Wahlperiode 2017 weiter in der Bundespolitik mitmischen oder aussteigen wolle. Schäuble sagte dem verdutzten Jauch: "Ich habe nur gehört, Sie wollen die Sendung gar nicht mehr fortsetzen. Sonst könnten wir ja dieses Gespräch in zwei Jahren führen." Der Minister rang seinem Gastgeber ein erst gequältes, dann doch fröhliches Lächeln ab, wie man es aus "Wer wird Millionär" kennt. Und als wäre man tatsächlich in der Wissens-Show, antwortete der 59-Jährige leicht neckisch: "So verführerisch diese Antwort ist, sie könnte mich wiederum nicht dazu verführen, die Sendung noch zwei Jahre länger zu machen."
So girlandenhaft die Aussage auch war, so sehr merkte man, dass Jauch die Nase voll vom Politik-Talk hat und das Ende tatsächlich der Schluss ist. Pinar Atalay wünschte ihm zum Abschluss einer Schalte ins Tagesthemen-Studio "alles Gute für die Zukunft". Ihr Zusatz "Viel Erfolg weiterhin" hatte eine - sicher ungewollt - ironische Note. "Dem Wunsch schließe ich mich an", sagte Schäuble. Jauch, der sich nie - noch nicht einmal nach dem Stinkefinger-Debakel um Yanis Varoufakis und Jan Böhmermann - mit Erklärungen in eigener Sache an sein Publikum gewandt hatte, dankte nach "der allerletzten Sendung aus dem Gasometer" den Zuschauern kurz, dass sie ihm "so wunderbar die Treue gehalten" hätten. Er appellierte an die Fernsehnation, "dieses Vertrauen" auch seiner Nachfolgerin Anne Will angedeihen zu lassen.
Damit war Jauchs Zeit als Polit-Talker und wohl auch Prügelknabe der TV-Nation vorbei. Doch halt. Es folgte ein Prolog, der nicht bizarrer hätte sein können. Jauch streitet gerne mit Boulevardmedien. Unmittelbar nach dem Ende der Sendung erschien wie Kai aus der Kiste ein Sprecher, der eine Gegendarstellung von Tom Junkersdorf, dem ehemaligen Chefredakteur der Klatsch-Zeitschrift "Closer", verlas. In der Sendung vom 13. April 2014 war es - vor allem mit Blick auf den Unfall von Formel-1-Legende Michael Schumacher - um die Frage gegangen, wie weit Medien im Umgang mit Prominenten gehen dürften. Eingeblendet worden war ein Schriftlaufband mit all jenen Zeitschriften, die Jauchs Angaben zufolge einen Auftritt in der Sendung abgelehnt hatten. Junkersdorf erklärte: "Hierzu stelle ich fest: Am Freitag vor der Sendung hat eine für 'Closer' tätige Medienagentur der Produktionsfirma meine Teilnahme an der Sendung angeboten. Dies wurde abgelehnt." Schluss. Ende. Aus.
Quelle: ntv.de