Unterhaltung

Stuttgarter "Tatort" im Knast Muffensausen in Zuffenhausen

Eines der Lieblingsduos - aber auch die brauchen eine gute Story!

Eines der Lieblingsduos - aber auch die brauchen eine gute Story!

(Foto: dpa)

Wenige Tage vor Beginn der Fußball-WM verabschiedet sich der sonst sonntägliche "Tatort" in die Sommerpause und macht nun den Kickern Platz. Es scheint nötig zu sein. Urlaubsreif schleppten sich Lannert und Bootz durch ein halbgares Undercover-Dramolett hinter Gittern.

Für den gemeinen Krimi - ob nun hiesige Konfektionsware, hochgelobte US-Serien oder Kinoversion - scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu gelten: Geht es storygemäß in den Knast, dann muss auf jeden Fall und absolut unausweichlich undercover ermittelt werden. Einer muss rein in den Moloch, ob er nun Lannert oder Brubaker heißt. Muss aus dem Blechnapf fressen, in Schubladen wühlen oder die Schlüssel im Schloss drehen und dabei stets das Ohr an der Wand haben - das ungeschriebene Gesetz des Knacki-Krimis.

Andreas Franke (Herbert Knaup, l.) ist der Chef des allgemeinen Vollzugs in der JVA Zuffenhausen, von seinen Mitarbeitern "der King" genannt. Leutselig kümmert er sich um seinen Mitarbeiter Peter Seiler (Richy Müller, r.), doch der merkt, dass er dabei auch geprüft wird.

Andreas Franke (Herbert Knaup, l.) ist der Chef des allgemeinen Vollzugs in der JVA Zuffenhausen, von seinen Mitarbeitern "der King" genannt. Leutselig kümmert er sich um seinen Mitarbeiter Peter Seiler (Richy Müller, r.), doch der merkt, dass er dabei auch geprüft wird.

(Foto: SWR/Johannes Krieg)

Das war beim Stuttgarter "Tatort"-Fall, dem 14. der beiden Kriminalhauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare), dementsprechend nicht anders, denn der Hauptverdächtige Holger Drake sitzt im Gefängnis. Und das ist das Merkwürdige an dem Fall: Denn als seine Ex Irina Meinert ermordet aufgefunden wird, findet man Drakes DNA am Tatort. Etwas scheint ziemlich faul zu sein im Kittchen. Der Eindruck verstärkt sich noch, als man auf einen ähnlichen Fall stößt, der zwei Jahre zurückliegt. Die Marschroute ist also klar. Lannert nennt sich fortan Peter Seiler und tritt einen Job im Vollzug an, um herauszufinden, was hinter den schwedischen Gardinen der Justizanstalt Zuffenhausen nicht stimmt.

Und davon gibt es einiges: Torwächter Schultz (Hans-Heinrich Hardt) etwa scheint nicht nur das Schlüsselbund fest im Griff zu haben, sondern auch Tochter (Valerie Koch) und Schwiegersohn (Matthias Ziesing). Die Schließer gehen gebückt und maulfaul ihrer Arbeit nach und über allem thront Sicherheitschef Franke, den sie "King" nennen. Der führt die Anstalt wie ein mafiöses Familien-Unternehmen und hat sich dort ein Regime der Angst aufgebaut. Und all das liegt so schnell auf der Hand, wie man "Knacki" sagen kann. Der Plot entwickelt sich so schluffig, dabei so unglaublich plakativ, man könnte glatt über eine Haftstrafe nachdenken.

Noch ein Tässchen Testosteron?

Dabei gibt sich die Story alle Mühe, würzige Zutaten zusammenzurühren: abgerockte Schlüsselbundträger zwischen Depression und Feierabend-Suff, in Tränen aufgelöste Ehefrauen, dazu die übervorsichtigen Schergen auf den Fluren und der Möchtegern-König ganz oben als dünnhaarige Eminenz. Das alles abgeschmeckt mit jeder Menge Testosteron. Lannert und Bootz etwa treffen sich zum Info-Austausch - wo bitteschön? - natürlich im Puff.

Denn wo gehen der gemeine Kriminale und der gemeine Knast-Angestellte in ihrer Freizeit hin, wo fallen sie ergo am wenigsten auf? Na klar - im Freudenhaus. Allein unter Nutten, so sind sie, die Vollzugsbeamten und Kommissare. Und während also nebenan lautstark gevögelt wird, flüstern sich Lannert und Bootz die Erkenntnisse ihres Arbeitstages zu. Zumindest Lannerts Tarnung scheint zu klappen, gibt der sich doch schon bei Jobantritt so müde und schlapp wie seine zwischenzeitlichen Kollegen erst nach zwei Dutzend Dienstjahren.

Schweigegeld im Spind

Doch leider geht auch der "King" höchstpersönlich in just diesen Puff. Trinkt Sekt korrekt, scheint die Damen dort unter Kontrolle zu haben wie sein Gefängnis und darf auch mal, damit hier keine Missverständnisse aufkommen, wer der Härteste im Stall ist, "ficken" sagen. Aber dass er sich ausgerechnet dem Neuen im Team, also dem Undercover-Bullen, umgehend anvertraut? Dass ein ganzer Stall voller Häftlinge einen der exponiertesten Kommissare Stuttgarts auf dem Gefängnisflur erkennen könnte? Geschenkt. Dass der meuchelnde Freigänger im schneeweißen, superauffälligen Sportwagen zum Mord gefahren wird? Überwachungskameras drinnen, Sicherheitskameras drinnen? Ebenso geschenkt.

Nur irgendeine Art von Pointe hätte man dem "Tatort"-Gucker ruhig noch mit in die tatortfreie Zeit geben können. Die Knackis werden freigelassen, um draußen nach Belieben abzumurksen. Den Angestellten werden die Hunderter als Schweigegeld im Spind deponiert. Aber wofür nochmal genau und warum? Damit es ruhig bleibt in Zuffenhausen? Der Möchtegern-Vorzeige-Knast auch bei der nächsten Wahl zum vorbildlichsten Gefängnis die Nase vorn hat? Halbgar und hanebüchen, das alles. Die Sommerpause wird zur Bewährung ausgesetzt, liebe Autoren.

Quelle: ntv.de

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