Boerne und Thiel in "Schwanensee" Rain Man flog übers Kuckucksnest
08.11.2015, 21:49 Uhr
Der Name ist Programm: Axel Prahl (l.) und Jan Josef Liefers im "Tatort: Schwanensee".
(Foto: WDR/Willi Weber)
Taucher und Tretboote, TV und Therapeuten - im Münsteraner "Tatort" ist wie gewohnt einiges los. Da kann es schon mal passieren, dass man die Geschichte vor lauter Pillen und Patienten aus den Augen verliert.
Im Psychiatriezentrum mit dem malerischen Namen "Schwanensee" wird auf dem Grund des Schwimmbeckens die Leiche einer Bewohnerin namens Mona Lux gefunden, zunächst wird von einem Suizid ausgegangen. Auch Professor Boerne (Jan-Josef Liefers) ist just im Begriff in die Fluten zu steigen. Als man jedoch ein starkes Narkotikum im Blut der Toten findet, lässt der gute Mann - einen verlockend-vertrackten Fall vor Augen - seinen Tauchurlaub auf den Malediven sausen, um Kollege Thiel (Axel Prahl) unter die Arme zu greifen.
Die Spur führt das widerwillig wiedervereinte Duo zunächst in die Chef-Etage der Klinik, in der die Patienten nicht Patienten, sondern Besucher genannt werden. Von einem italienischen Restaurant, dessen schwadronierender Chef einiges an Fiskusmalesche an den Hacken hat, geht es schließlich zu den Steuerfahndern, dann zurück in die Anstalt. Die ausgelegten Spuren, von denen schließlich keine zur Lösung des Falles führt - am Ende war es die dicke Isa Storch (!), unglücklich verliebt und mörderisch eifersüchtig - sind so lustlos, so verworren und verwirrend ausgelegt, man ist tatsächlich kurz davor, sich freiwillig einweisen zu lassen.
Comedy statt Crime
Gut, dass die Autoren an den Details ihrer Geschichte ebenso wenig interessiert zu sein scheinen. Stattdessen wird einmal mehr klar, worum es geht. Dies ist Münster, nicht Berlin oder Kiel. Comedy statt Crime, das ist hier die Devise. Und da müssen alle mitziehen. Die Patienten, Verzeihung, die Besucher werden, um ihre Mitbewohnerin trauernd, mit Luftballons in der Hand in einer sauberen Reihe ans Seeufer choreographiert, später in einer völlig sinnlosen Stop-Motion-Montage beim Foto-Shooting mit einem Biohof-Chef umher drapiert. Mittendrin Andreas Kullmann (Robert Gwisdek), der ein wenig Rain Man spielen darf, schnell rechnen kann und mit dem Hobby-Autisten Boerne als einzigem ein prima Auskommen hat.
Schon der Titel "Schwanensee" ließ es erahnen, hier sind es mal wieder die Bilder, die Witzchen und die Sprüche, um die mit Müh’ und Not so etwas wie eine Story herum geklöppelt wird. Boerne zu Beginn als Taucher im Trocknen, der im heimischen Wohnzimmer Wagners Walkürenritt lauscht, die Verfolgungsjagd im Tretboot, vor der Kulisse des kubistischen Komplexes, der die Klinik beherbergt, die unterkühlte Koloratur - das ist alles schmuck anzusehen, ein paar Pointen sitzen, mehr aber auch nicht.
Wie immer völlig wumpe
An keiner Stelle etwa verfolgt die Story ihre Figuren. Ein Mord in einer Irrenanstalt, ein überschaubares Ensemble aus Patienten und Personal - was für eine Ausgangslage, was für ein Stoff. Klaustrophobische Koordinaten, an denen ein Hercule Poirot etwa seine wahre Freude gehabt hätte. Thiel und Boerne ist das natürlich wie immer völlig wumpe, die kreisen nur um sich selbst, süffeln ihren Rotwein, klauen Nadeshda das Brötchen und stolpern kalauernd und schwadronierend durch die Kulisse.
Vielleicht wäre das Ganze tatsächlich noch etwas amüsanter, wenn von irgendwoher Schwester Ratched kurz vorm Vorspann zum Pillen-Abholen gerufen hätte. Aber nichts da. Keine Medikamentenausgabe, keine Klassik vom Band. Nicht mal ein paar Filterdippen mit Martini oder eine enstpannende Partie Monopoly mit Billy Bibitt und den Boys, stattdessen ein erklärlastiger Telenovela-Krimscher als Crossover aus Klapsmühlen-Komödie und Dialog-Drama, weniger "Tod auf dem Nil" als vielmehr "Tretboot in Seenot".
Quelle: ntv.de