Rache ist bitter Selbstjustiz im Stuttgarter "Tatort"
25.10.2015, 23:35 Uhr
In Stuttgart ermitteln Richy Müller(l.) als Kriminalhauptkommissar Thorsten Lannert und Felix Klare als Kriminalhauptkommissar Sebastian Bootz.
(Foto: obs/SWR - Das Erste)
Ein Ehepaar, das den grausamen Tod der Tochter rächen will und schließlich selbst zu Mördern und Kindesentführern wird - die Stuttgarter Kommissare Bootz und Lannert müssen diesmal am eigenen Leib erfahren, wie hoch der "Preis des Lebens" ist.
Dass mit Frau Bittner etwas nicht stimmt, wird schnell klar. Die Frau mit den unruhigen Augen gibt sich als Bewährungshelferin des frisch entlassenen Mörders und Vergewaltigers Jörg Albrecht (David Bredin) aus. Zur gleichen Zeit sieht man einen Mann, der Spritzen und Kanülen, Plastikplane und Handfesseln drapiert. Der Folterwillige ist Frank Mendt (Robert Hunger-Bühler), die angebliche Sozialbetreuerin in Wirklichkeit seine Gattin Simone (Michaela Caspar).
Was sie mit dem halstätowierten Ex-Knacki verbindet? Der Mann hat ihre Tochter Mareike 15 Jahre zuvor missbraucht und getötet. Ein zweiter Täter wurde nie gefasst, Albrecht saß seine Strafe ab. Vom Gefängnistor tappt er direkt in die Falle des Ehepaares, das nun Rache nehmen will, den Delinquenten im heimischen Anwesen fixiert und anfoltert. In Todesangst gibt Albrecht schließlich den Namen seines Mittäters preis, anschließend bringt Mendt ihn mit einer Überdosis Schlafmittel um.
Düster und direkt
Die Kommissare vor einer Leiche in der Mülltonne im "Tatort - Preis des Lebens".
(Foto: Stephanie Schweigert/SWR/dpa)
Der Einstieg in "Preis des Lebens", den 17. SWR-"Tatort" mit Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller), gerät so unvermittelt wie düster und direkt. Schon dieses Bereitstellen der Medizinfläschchen, das Vorbereiten des Folterkellers, durchgeführt von einem Allerweltstypen, der weder nach Psychopath noch nach Folterknecht aussieht, lässt einen bereits etwas unruhig auf dem sonntäglichen Sofa hin- und herrutschen. Und dabei wird es über die kommenden 90 Minuten bleiben.
Autor Holger Karsten Schmidt, Grimme-Preisträger und Schöpfer des Stuttgarter Duos, entspinnt hier nicht das übliche Täterrätsel. Die Schuldigen sind schnell klar, rätselhaft ist hier kaum etwas, im Gegenteil: Die Nachvollziehbarkeit, das schmerzhafte Identifikationspotenzial versieht dieses "Tatort"-Drama um Selbstjustiz und Moral, um Gerechtigkeit und Sühne mit zuweilen schwer aushaltbarer, subtiler Spannung.
Psychotisches Wirrwarr
"Den würde ich umbringen" - wie leicht mag manchem Elternteil dieser Satz über die Lippen gehen angesichts einer jener grauenhaften Nachrichten über Kindesentführung und -mord. Schmidt und Regisseur Roland Suso Richter zeigen nun, wie so etwas dann in der Praxis aussehen könnte. Sie entführen den Zuschauer auf die dunkle Seite, zerren ihn mitten hinein in dieses psychotische Wirrwarr, in dem Rache das Denken bestimmt und die Tat schließlich doch keine Erlösung bringt, im Gegenteil.
Als wäre das Psychogramm um das Ehepaar Mendt, das am Verlust der Tochter zerbricht, nicht schon Denkstoff genug, ziehen die Macher mit der Geiselnahme um Bootz’ Tochter der Story einen zusätzlichen Zwischenboden ein. Was auf dem Papier vielleicht konstruiert wirken mag, gerät im Fortlauf der Geschichte zum packenden Handlungsstrang.
Die Akteure mögen dem Geschehen zuweilen fast etwas hinterherhecheln, Felix Klare jedoch gibt seinem Sebastian Bootz eine bislang nicht gesehene Tiefe, lässt den Zuschauer die Qual und die Verzweiflung, die Hilflosigkeit des Vaters angesichts des möglichen Verlustes seines Kindes so unmittelbar spüren, dass man beinah umschalten möchte. Oder zumindest kurz einmal ins Kinderzimmer gehen, um sich zu vergewissern, dass das eigene Kind ruhig schläft. Unter dem Strich ein intensiver, ein konsequent auserzählter "Tatort", dem die Balance aus kriminaler Suspense und Psychodrama schmerzhaft gut gelingt.
Quelle: ntv.de