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"Ein Teil unserer Kultur" Topmodel-Debakel bedroht Live-Shows

Abschied vom Format Live-Übertragung? Heidi Klum in der Mannheimer SAP-Arena - kurz vor dem Abbruch der Veranstaltung.

Abschied vom Format Live-Übertragung? Heidi Klum in der Mannheimer SAP-Arena - kurz vor dem Abbruch der Veranstaltung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bombendrohung hat ein Nachspiel: Das aus Sicherheitsgründen abgebrochene Finale der Klum-Show "Germany's Next Topmodel" wirft für Veranstalter und Behörden ernste Fragen auf. Zur Debatte steht das Ende der Live-Übertragung im TV.

Sind Großveranstaltungen wie die Model-Wahl in der Mannheimer SAP-Arena in Zeiten allgegenwärtiger Terrordrohungen Geschichte? "Topmodel"-Juror Thomas Hayo fordert nach dem Finalshow-Abbruch, dass das Fernsehen an Live-Shows festhalten müsse. Aber es gibt auch andere Stimmen.

"Man kann nur hoffen, dass es da keine Nachahmer gibt", sagte Hayo mit Blick auf die Ereignisse vom vergangenen Donnerstagabend. Aufgrund einer Bombendrohung hatten sich die Veranstalter dazu gezwungen gesehen, die große Finalshow der zehnten "Germany's next Topmodel"-Staffel mitten im laufenden Betrieb abzubrechen. "Ich glaube, das sind wirklich Einzelne, und die können das nicht für die große Masse versauen", sagte Hayo.

In der Jury der ProSieben-Show sitzt Werbeexperte Hayo neben Show-Chefin Heidi Klum und dem Designer Wolfgang Joop. Hayo warnte: "Was nicht passieren darf, ist, dass man keine Live-Shows mehr macht und sich von Einzelpersonen oder Randgruppen diktieren lässt, wie man sein Leben lebt oder Entertainment macht."

Kulturgut "Live-Show"

Natürlich werde das Auswirkungen auf Live-Shows haben, aber er hoffe, dass die Auswirkungen solche sind, "die sich wirklich darauf konzentrieren, dass eben die Sicherheitsvorkehrungen erhöht werden". Tatsächlich könnte schon die Angst vor dem Terror dazu führen, dass sich das öffentliche Leben in Deutschland grundlegend verändert. "Live-Shows sind ein Teil unserer Kultur, die Leute haben da große Freude dran, und die müssen wir uns erhalten", betonte Hayo.

"Sich nicht von Einzelpersonen oder Randgruppen diktieren lassen, wie man sein Leben lebt oder Entertainment macht": GNTM-Jurymitglied Thomas Hayo (M.) neben Heidi Klum und Wolfgang Joop (r.).

"Sich nicht von Einzelpersonen oder Randgruppen diktieren lassen, wie man sein Leben lebt oder Entertainment macht": GNTM-Jurymitglied Thomas Hayo (M.) neben Heidi Klum und Wolfgang Joop (r.).

(Foto: picture alliance / dpa)

Da die Show auf der großen Bühne in der Mannheimer SAP-Arena nicht zu ihrem Ende kam, soll das diesjährige Finale nun in kleinerem Rahmen aufgezeichnet werden. Der neue Sendetermin ist der 28. Mai. Experten sehen in diesem Vorgehen einen Trend. Nach Ansicht einer Medienforscherin könnte die geplatzte Veranstaltung Auswirkungen auf das gesamte TV-Format Live-Show haben.

"Die Quote wird steigen"

"Um keine Trittbrettfahrer zu ermutigen, könnten Sendungen vermehrt aufgezeichnet werden", sagte die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher von der Universität Hamburg. So könnten unvorhersehbare Situationen herausgeschnitten werden. "Die Sender müssten selbst abwägen, was sie erreichen möchten und was sie gleichzeitig riskieren."

Der besondere Charakter von Live-Shows ginge bei Aufzeichnungen jedoch verloren, bestätigte Bleicher. Der Vorfall in Mannheim dürfte laut Bleicher der Sendung verstärktes Interesse beim TV-Publikum einbringen. "Das neue Finale wird sicherlich mehr Zuschauer haben und die Quote wird steigen." Erfolg haben die Macher von GNTM bitter nötig: Das am Donnerstag abgebrochene Finale hatte die niedrigste Zuschauerzahl eines Finales seit dem Bestehen von "Germany's Next Topmodel".

Dramaturgisch Gratwanderung

In einer Fernsehwelt, die ihren Shows oder Realityformaten immer häufiger Dialoge auf Punkt und Komma vorgibt, haben Live-Shows ohnehin bereits einen schweren Stand. Live-Übertragungen passen oft gar nicht mehr zu den neuen Sehgewohnheiten vieler Zuschauer. Wenn auf der Bühne 20 Sekunden lang nichts passiert, schalten viele womöglich schon um. Auch deshalb bröckeln die Quoten von Castingshows, wenn die aufgezeichneten ersten Folgen ("Recalls") durch sind und die live-übertragene Wettbewerbsphase beginnt.

RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger hatte mit Blick auf "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) im vergangenen Jahr bereits eingeräumt: "Den frischen Wind der Castings und des Recalls konnten wir nicht zu 100 Prozent in die kurze Phase der Liveshows übernehmen."

Zuschauer wollen "einfach gutes Fernsehen"

Liveshows würden sich immer stark von aufgezeichneten Sendungen unterscheiden: Dramaturgie, Bilder, Dichte der Geschichten, Soap-Faktor seien geschnitten viel leichter herzustellen als live. "Live hat zwar einen größeren positiven 'Druck'", meinte der Sänger damals, "aber die Zuschauer wollen völlig zu recht einfach gutes Fernsehen - und das ist in manchen Formaten live einfach schwieriger zu machen."

Das Finale der laufenden zwölften DSDS-Staffel wird mit Spannung erwartet: Die Übertragung an diesem Samstag aus Bremen ist die erste große Live-Show im deutschen Fernsehen nach dem Debakel von Mannheim. Rund um den Veranstaltungsort gelten besondere Vorkehrungen. "Wir verstärken die Sicherheitsmaßnahmen und sind dazu aktuell mit dem eigenen Sicherheitsdienst, dem Hallenbetreiber und der Polizei im engen Austausch", sagte eine RTL-Sprecherin. In der DSDS-Jury sitzen neben Dieter Bohlen auch DJ Antoine, Mandy Capristo und Schlagerstar Heino.

Branchenkenner machen in jüngster Zeit keinen Hehl daraus, dass Live-Shows generell eine undankbare Aufgabe seien. Andererseits: Wer Geld mit der telefonischen Abstimmung des TV-Publikums verdienen will, muss seine Show in Echtzeit senden. Außerdem werten aufwendige Live-Shows das Image eines Senders auf. Dennoch könnten Vorfälle - wie jetzt bei "Germany's Next Topmodel" oder der schockierende Unfall bei "Wetten, dass..?" - nach Expertenansicht dem Format Live-Show dauerhaft schaden.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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