Unterhaltung

Keinohrhase auf Crystal Meth Wenn nicht mal Schweigers Hintern noch hilft

Knallhart und dabei ganz Gentlemen: Till Schweiger rettet junge Damen als Tatort-Ermittler Nick Tschiller.

Knallhart und dabei ganz Gentlemen: Till Schweiger rettet junge Damen als Tatort-Ermittler Nick Tschiller.

Eine eiserne Grundregel lautet: Je mehr Bruce Willis in seinen Actionfilmen blutet, desto besser die Streifen. Für Til Schweiger, der gerne wie Willis wäre, gilt das genaue Gegenteil. Schön blöd, denn im neuen Hamburger "Tatort" blutet Schweiger heftig.

Jeder Mensch hat eine Schokoladenseite. Bei manchen ist es die linke, bei manchen die rechte - bei Til Schweiger ist es das Hinterteil. Auch wenn die Mimik des 50-Jährigen keinen Vergleich mit der starren Maske seiner Leipziger "Tatort"-Kollegin Simone Thomalla scheuen muss - Schweigers pralle Pobacken, die gehen immer. Von daher ist es nur konsequent, dass im neuen Fall aus Hamburg nicht einmal zwei Minuten vergehen, bis Schweiger alias Hauptkommissar Nick Tschiller seinen zuckenden Schinken im lustvoll gespreizten Bermuda-Dreieck von Staatsanwältin Hanna Lennerz (Edita Malovcic) versenkt. Schweiger-Fans können danach getrost ausschalten, besser wird es in den folgenden 88 Minuten ohnehin nicht mehr. Den ganzen Rest erwartet eine unfreiwillig komische Action-Abfahrt inklusive neuem Leichen-Rekord.

Den Vaterinstinkt kann Schweiger auch in "Kopfgeld" nicht abschalten.

Den Vaterinstinkt kann Schweiger auch in "Kopfgeld" nicht abschalten.

"Ich fand Sexszenen im Film immer langweilig", hat Til Schweiger dem "Playboy" mal gesagt und beteuert, so etwas nie machen zu wollen. Das war Anfang 2011 und der Schauspieler damals gerade als neuer "Tatort"-Kommissar im Gespräch. Dass Schweiger nun gerade mit dieser Maxime bricht, ist wahrscheinlich demselben Grund geschuldet, aus dem der Streifen mit toten türkischen Verbrechern nur um sich wirft: Quote. Der krude Erstling rund um die finsteren Machenschaften des Astan-Clans bannte so viele Zuschauer vor die Bildschirme, wie es sonst nur die Vorzeigeermittler aus Münster schaffen. "Da geht noch mehr", muss sich das Schweiger-Team gedacht haben. Und wie? Na klar, mit Sex und Gewalt.

Hamburg ist nicht Hollywood

Mit kurdischen Clans als Übertäter läuft die Quote blendend.

Mit kurdischen Clans als Übertäter läuft die Quote blendend.

Das unterhaltsame Rezept für einen satten Action-Reißer à la Hollywood ist hinlänglich bekannt: ein Held zum Niederknien, der selbst in den dramatischsten Momenten noch einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Eine leicht verdauliche Story mit möglichst vielen Explosionen und fiesen Feindfiguren. Und ein Budget im zweistelligen Bereich, damit das alles nicht peinlich wirkt.

In "Kopfgeld" hingegen steckt so viel Hollywood wie echte Kaffeebohnen in Muckefuck: Til Schweiger ist nun mal nicht Bruce Willis, da kann er noch so viel bluten. Als einsamer Wolf, der pathetische Platitüden am laufenden Band abfeuert, sorgt der bewegte Mann maximal für unfreiwillige Komik. Ebenso wie das düstere Bild, das der NDR von Hamburg zeichnet: Crystal Meth, ballernde Jugendbanden und Ghettos wie im New York der 90er-Jahre - das alles wirkt in der Hansestadt in etwa so deplatziert wie Heino beim Wacken-Festival.

Wenn dann noch der Oberbösewicht des kurdischen Astan-Clans - der seine menschen- und drogenhandelnden Geschäfte in bester Mafia-Manier aus dem Gefängnis heraus steuert - so furchteinflößend wie ein Wrestler im Tutu rüberkommt, steigert das den Fremdschäm-Faktor am Sonntagabend in schwindelerregende Höhen. Da hilft es auch nicht, wenn die Ermittler alle naselang über einen Haufen Leichen stolpern, die alle zur türkischen Konkurrenz der Astans gehören. Aber hey, mit 19 Toten kann man eben im Vorfeld super angeben, das bannt die Leute vor den Fernseher.

Hätten die Macher doch lieber mal mit Yalcin Gümer für ihren Streifen geworben. Der türkische Kommissar, großartig gespielt von Fahri Yardim, avanciert nämlich zum einzigen "Kopfgeld"-Lichtblick: Während von Tschiller vor allem der mehrfach präsentierte Hintern im Temporallappen kleben bleibt, brennt sich Gümer durch echte Street Credibility und geschmeidige Kommentare ins Gedächtnis ein.

Gümer ist der intelligente Gegenentwurf zu Tschiller und hält dem Brachialermittler im späteren Verlauf der Handlung immer öfter den Spiegel vor. Das Ganze passiert so unterschwellig, dass man als Zuschauer nicht so genau weiß, ob das jetzt Zufall ist oder gewollt. Man kann nur auf Letzteres hoffen und dem NDR den Mut wünschen, diese Linie auch konsequent weiterzufahren. Dann nämlich wäre Yardim irgendwann nicht mehr Schweigers Sidekick, sondern hätte die Rolle, die er auch verdient. Und Hamburg einen "Tatort", der die Stadt würdig vertritt.

Quelle: ntv.de

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