Cosby-Geschworener packt aus "Wir gingen uns fast an die Gurgel"
22.06.2017, 13:05 Uhr
Weiterhin ein freier Mann, weil sich die Jury nicht auf eine Verurteilung einigen konnte: Bill Cosby.
(Foto: AP)
Sie saß an sechs Tagen mehr als 50 Stunden zusammen - und trotzdem kam die Jury im Missbrauchsprozess gegen Bill Cosby zu keinem Ergebnis. Jetzt plaudert einer der Geschworenen über die Beratungen, in denen offenbar die Fetzen nur so flogen.
Der Prozess gegen Bill Cosby ist geplatzt - so lautete am Wochenende die überraschende Nachricht nach knapp zwei Wochen Verhandlungen. Mit anderen Worten: Für den Entertainer, dem in dem Verfahren die sexuelle Nötigung der Amerikanerin Andrea Constand im Jahr 2004 vorgeworfen wurde, gab es weder eine Verurteilung noch einen Freispruch. Dazu kommen konnte es, weil sich die insgesamt zwölfköpfige Jury, bestehend aus fünf Frauen und sieben Männern, trotz intensivster Beratungen nicht auf ein einstimmiges Votum einigen konnte.
Einer der zwölf Geschworenen gab nun in einem Interview mit dem US-Sender ABC News einen Einblick in die offenbar hitzigen Diskussionen, die er und seine Mitstreiter in ihren mehr als 50 Stunden dauernden Gesprächen an sechs Tagen geführt haben. Anonym, versteht sich. Und ohne dabei auf Details einzugehen, welcher Geschworener konkret hinter dem einen oder anderen Ereignis oder der einen oder anderen Entscheidung steckt.
Uneins in allen drei Punkten
Mit Blick auf die Abstimmung des Gremiums verriet der Informant ABC News, zehn der zwölf Geschworenen hätten Cosby des sexuellen Missbrauchs von Constand für schuldig gehalten. Auch in der Frage, ob er ihr ohne ihr Wissen Drogen verabreicht habe, um sie gefügig zu machen, lag das Stimmenverhältnis demnach bei zehn zu zwei für eine Verurteilung. Die beiden Gegner eines Schuldspruchs in den beiden Punkten hätten sich "nicht bewegt, unter gar keinen Umständen", zitiert ABC News die anonyme Quelle.
Im dritten Anklagepunkt wiederum hätten sich elf Jury-Mitglieder für einen Freispruch ausgesprochen, so der Geschworene. Dabei ging es darum, ob Constand während des Missbrauchs gänzlich bewusstlos war. Jeder der drei Anklagepunkte für sich hätte mit einer Höchststrafe von zehn Jahren belegt werden können.
"Kurz vorm Durchdrehen"

In der "Bill Cosby Show" war er der Parade-Typ - aber war er das auch jenseits der Kameras?
(Foto: imago/United Archives)
Wie der Informant dem Sender weiter verriet, hatte die Jury noch vor ihren Beratungen eine unverbindliche Abstimmung durchgeführt, um die allgemeine Stimmungslage auszutesten. Dabei hätten noch alle Geschworenen in allen drei Anklagepunkten für Cosbys Unschuld gestimmt. Als die Beratungen dann jedoch tatsächlich aufgenommen wurden, wechselte nahezu jeder Geschworene seine Meinung - laut ABC News ein reichlich ungewöhnlicher Vorgang in einem derartigen US-Prozess.
Die Stimmung unter den Geschworenen wurde offenbar zusehends gereizter, insbesondere nachdem ihre Beratungen in einen kleineren Raum verlegt worden waren - weil Reporter durch das Fenster des Konferenzraums, in dem sie zuvor getagt hatten, geschaut hatten. "Die Leute konnten nicht mal auf und ab gehen", so der Informant von ABC News. "Sie sind praktisch auf dem Fleck, auf dem sie standen, im Kreis gelaufen, weil sie kurz vorm Durchdrehen waren."
Neuer Prozess in Vorbereitung
Manche von ihnen seien auf einmal wie aus dem Nichts ausgeflippt, ohne dass sie in dem Moment überhaupt über den Fall gesprochen hätten, so der Geschworene. Einer seiner Mitstreiter habe zudem mit der Hand gegen die Wand geschlagen. "Ich glaube, er hat sich den kleinen Finger gebrochen", so das Jury-Mitglied.
"Wenn wir weitergemacht hätten, wären wir uns definitiv an die Gurgel gegangen. Vor unserer Tür waren fünf Polizeibeamte abgestellt, die uns hören konnten. Sie kamen immer wieder herein, weil sie dachten, wir würden uns schon an die Gurgel gehen", so der Geschworene.
So kam es, dass der Prozess schließlich ergebnislos abgebrochen wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es nicht doch noch zu einem ordentlichen Urteil im Fall Cosby kommt. Staatsanwalt Kevin Steele hat bereits erklärt, "so schnell wie möglich" einen neuen Prozess gegen den 79-Jährigen anstrengen zu wollen. Bis dahin bleibt Cosby allerdings gegen Kaution auf freiem Fuß.
Quelle: ntv.de, vpr