"Tatort" aus Berlin … bis die Ohren bluten
10.12.2016, 12:28 Uhr
Karow (Mark Waschke) und Christine (Ursina Lardi), die Witwe seines toten Partners, befinden sich in Geiselhaft.
(Foto: dpa)
Ein exquisiter Cast um Mark Waschke und Meret Becker, deren Ermittler-Duo Rubin und Karow von unterhaltsamer Verschrobenheit, tolle Locations on top - trotzdem geht dem auf vier Teile angelegten Fall aus Berlin auf den letzten Metern spektakulär die Puste aus. Es wird einfach zu viel gequatscht.
"Ihr Amerikaner wollt immer nur reden", sagt Gevatter Tod. "Ich will dir sagen … und: lass' mich dir sagen". Unvergessen die Szene mit dem Sensenmann-Besuch - "Liebling, da ist jemand wegen der Hecke" - im Monty-Python-Klassiker "Der Sinn des Lebens". Was das mit dem Berliner "Tatort" zu tun hat? Auch hier wird ununterbrochen geredet, geredet und wieder geredet. Atmosphärisch in Szene gesetzter Stillstand, Plot-Weiterführung an der Grenze zur Paralyse und wenn Karow (Marc Waschke) nicht dann und wann eine gescheuert kriegen würde, man wachte erst zum Abspann wieder auf.
Spektakulär hatten Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) im Frühjahr 2015 ihre Arbeit als Nachfolger der etwas lieblos aus dem Format gefallenen Ritter und Stark aufgenommen. Rubin vögelte sich gleich zum Auftakt durchs nächtliche Berlin, Karow schließlich wurde zum offiziell als bisexuell geouteten Kommissar, dem ersten seiner Art, seit 1971 das "Taxi nach Leipzig" fuhr. Es ging um Mädchen, die als "Muli", als menschliche Drogen-Depots missbraucht wurden, um Tote in Säurefässern und Frauen, die in Parkhäusern von Jeeps zerquetscht werden.
Im Kern aber doch immer nur um die beiden: Nina Rubin und ihre kaputte Ehe, den Weißwein-Trost und die vernachlässigten Kinder, vielmehr aber noch um den schmucken Karow, dessen Partner Gregor Maihack (Roberto Thoenelt) einst mit dessen Dienstwaffe erschossen wurde. Karow ist seitdem unter Mordverdacht und von jenem Handy-Video, das ihn entlasten könnte, fehlt jede Spur.
Über vier Folgen strecken die "Tatort"-Macher diesen Verschwörungsplot rund um den rasenden Robert. Ein ebenso geschickter wie immer mal wieder angemahnter Schachzug im "Tatort"-Kosmos: Den Protagonisten eine stimmige, horizontale Lebenslinie zu verpassen, dabei das auf Einzelfall ausgerichtete Abenteuer als Fortsetzungsdrama zu konzipieren.
Der vierte Teil nun ist als Showdown unter dem Motto "Operation misslungen, Kronzeuge tot" konzipiert. Andi Berger (Robert Gallinowski) könnte mit seiner Aussage den gebeutelten Kommissar endlich rehabilitieren, aber die Kippe im Dienstwagen sollte sich als letzte entpuppten. Alles auf Anfang. Die Karow-Katharisis muss verschoben werden.
Ohne zu viel vorwegzunehmen: So reizvoll das Mehrteiler-Konzept sich rund um Teil zwei ("Ätzend2) und Teil drei ("Wir-Ihr-Sie") entwickelte, so laut zischend entweicht ihm in der Schlussrunde die Luft. Dabei wechselt die Perspektive durchaus reizvoll zwischen der Bar Mitzwa von Rubins Sohn, ihren Ausflügen in stillgelegte Vergnügungsparks und der improvisierten Folterfalle auf einer Berliner Großbaustelle. Aber zum einen erweist sich der Fall um Karow dann letztlich doch zu dünn für 360 Minuten packendes Entertainment, sind die Sendepausen zwischen den Folgen - das ganze zieht sich über fast zwei Jahre - letztlich viel zu lang.
Und statt eines knalligen Showdowns mit der einen oder anderen Plot-Volte, verlässt sich Regisseur Christian von Castelberg zu sehr auf das Spiel seiner exquisiten Darstellerriege. Die zeigen ziemlich variantenreich, was man so alles mit Mimik machen kann, ihre Motive jedoch bleiben diffus. Zumindest die Redewendung vom "Ohr abkauen" erfährt noch einmal eine doppelbödige Ausdeutung, aber sehen Sie selbst.
Quelle: ntv.de