Die Verluste von 9/11 Das Davor und Danach einer Familie
11.09.2016, 08:53 Uhr Artikel anhören
Bei den Anschlägen kamen auch viele Feuerwehrleute ums Leben.
(Foto: AP)
Bobby Amendola war Feuerwehrmann. Am 11. September 2001 macht er am World Trade Center seinen Job und kommt nicht wieder. In seiner Familie kämpft jeder auf seine Weise mit der Trauer, die nie vergeht. Und mit dem Leben, das weitergeht.
Das letzte Mal wurde Bobby Amendola gesehen, als er am 11. September in voller Montur ein Treppenhaus im World Trade Center hinaufstürmte. Seitdem herrscht in der Familie des New Yorker Feuerwehrmannes Trauer. Seinen Sohn Bobby jr. hat er nie kennengelernt, seine Witwe Tina konnte sich bisher keinen anderen Mann vorstellen.
Für Gail und Michael Amendola ist der Verlust des Sohnes noch immer ein Trauma, daran ändern auch die verbliebenen Kinder Frank und Peter nichts. Denn der nichtsnutzige Frank kann Bobby ebenso wenig ersetzen, wie der karrierebewusste Peter. Niemand ist wie Bobby, den es nie fort zog von Staten Island, wo sein Elternhaus steht. Der in seiner irisch-italienischen Herkunft so fest verwurzelt war, dass er genau hier das Leben seiner Eltern führen wollte. Bobby, der Feuerwehrmann wurde, wie sein Vater.
Doch dann verliebt sich Tina, die die Amendolas immer noch als ihre Schwiegertochter ansehen, doch. Und jeder in der Familie wird noch einmal mit dem Verlust konfrontiert, den er erlitten hat und mit dem Leben, das er danach geführt hat.
9/11 und Familienchaos
Eddie Joyce hat sich mit seinem Debüt, das im Original "Small Mercies" also "Kleine Gnaden" heißt, an das Projekt eines 9/11-Romans gewagt. So kann man das Buch lesen, muss man aber nicht. Denn genauso gut geht "Bobby" als Familiensaga durch oder als Referenz an Staten Island, wie es jeden Tag ein bisschen weniger ist.
Joyce beschrieb in den Interviews zu dem Buch immer wieder die enge Verbindung, die Staten Island mit den Anschlägen vom 11. September hat. Unter den Toten sind 274 Menschen, die hier gelebt hatten. Es sei nicht übertrieben zu sagen, dass jeder hier jemandem kenne, der bei den Terrorattacken auf die New Yorker Zwillingstürme ums Leben kam. In jeder Bar, jedem Restaurant finde man Erinnerungsaufkleber oder Poster.
Ihm sei aufgefallen, dass alle bisherigen 9/11-Bücher von Autoren geschrieben wurden, die erst nach den Anschlägen nach New York gekommen waren. Er habe immer auf die eine Geschichte gewartet, die die Sicht derer erzählt, die schon da waren, vielleicht an den Rand gedrängt, aber da – in Staten Island oder New Jersey. Schließlich sei er zu dem Schluss gekommen, dass er derjenige sein müsse, der diese Geschichte schreibt.
Die ursprüngliche Idee sei schon lange da gewesen: Eine mittelalte Frau geht am Strand spazieren und spricht mit ihrem toten Sohn. Diese Gail Amendola stehe stellvertretend für die "sehr starken, klugen Frauen", mit denen er selbst aufgewachsen sei. In einer Welt, in der nach außen traditionelle Geschlechterrollen vorherrschten, sorgen sie für das matriarchale Sicherheitsnetz, das die Familien eigentlich trägt.
"Ich wollte eine vollständigere Geschichte über die Menschen schreiben, mit denen ich aufgewachsen bin. Ja, sie mögen Fehler haben, wer hat das nicht – aber sie haben auch eine Belastbarkeit und eine Art von Würde, die oft übersehen werden. Ich will sie mit all ihrer Schönheit, ihrem Schmerz, ihren Stärken und ihren Fehlern zeigen. Will denen eine Stimme geben, die in der eigenen Stadt im Exil leben." Das ist Joyce gelungen und ein äußerst lesenswertes Buch dazu.
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Quelle: ntv.de