Milder Blick der Enkelin "Die Krupps sind ganz normal"
21.11.2011, 10:23 UhrBertha Krupp erbt mit gerade einmal 16 Jahren den deutschesten aller Industriekonzerne, die Firma Krupp. Jenseits von Legenden und Skandalen führt sie ihr ganz eigenes Leben. Sie ist die offizielle Besitzerin der Firma, bringt in zehn Jahren acht Kinder zur Welt und ist "allen Herrschenden gegenüber loyal", so sagt es ihre Enkelin.
n-tv.de: Sie schildern Ihre Großmutter als Person, mit der Sie sich sehr verbunden fühlten. Wie war Bertha Krupp, die ja mit 16 Jahren den Krupp-Konzern und ein riesiges Vermögen erbte?
Diana Maria Friz: Ich habe sie erst kennengelernt, als sie schon eine ältere Dame war und all die Erlebnisse schon hinter sich hatte, die sie in ihrem Leben geprägt haben. Sie hatte viele ihrer Ecken und Kanten schon abgeschliffen und war bereits Witwe. Mir ist sie als sehr ausgeglichene, beeindruckende, respekteinflößende, aber auch sehr freundliche und liebevolle Frau in Erinnerung geblieben.
Warum wird sie oft ganz anders beschrieben - Zeitgenossen nannten sie "gusseisern"?
Sie hatte sicher einen Charakter, mit dem sie auch durch schwierige Zeiten kam. Den brauchte sie auch. Ihr gehörte die Firma, auch wenn ihr Mann alle Entscheidungen nach außen vertrat. Um sie zu verstehen, muss man dennoch ihr ganzes Leben sehen. Sie ist als reiche Erbin auf dem Hügel geboren, dort hat sie ihr ganzes Leben verbracht. In einem Direktorenhaus auf dem Gelände des Hügels ist sie schließlich auch gestorben. Ihre menschliche Entwicklung war durch ihr Schicksal bestimmt. So sehe ich es und so versuche ich es darzustellen.
Das ist anders als bei Margarethe Krupp, Ihrer Urgroßmutter?
Ja, sie war eine sehr starke Persönlichkeit, die sich auch im Laufe ihres Lebens charakterlich weiterentwickelt hat. Meine Großmutter Bertha war dagegen ihr Leben lang eine in sich ruhende Person. Dennoch ist sie sicher am Ende ihres Lebens desillusionierter und leidgeprüfter und dadurch auch liebevoller gewesen als in ihrer Jugend.
Ist Bertha Krupp also nur spannend, weil sie eine Krupp ist?
Nein, das ist sie ganz sicher nicht. Ich halte ihr Schicksal für spannend, weil es das Schicksal von ganz vielen anderen deutschen Frauen dieser Generation ist. Sie war da ganz typisch. Bertha Krupp war vor allem eine Mutter, deshalb heißt das Buch ja auch "Bertha Krupp und ihre Kinder". Sie hatte immerhin acht Geburten, sieben Kinder haben überlebt. Sie hat sich über die Kinder definiert und weiterentwickelt. Mich hat aber auch sehr berührt, dass meine Großeltern aus Liebe geheiratet haben und dass ihre Ehe die einzig glückliche in der Familie war.
Sie schildern immer wieder Familiensituationen. Welcher Geist herrschte in der Familie Krupp?
Ganz klar ein preußischer Geist. Das klingt zunächst nicht sehr sympathisch und ziemlich unmodern. Ich glaube aber, dass beides nicht stimmt. Preußisch zu sein finde ich positiv in dem Sinne, dass man diszipliniert lebt. Das hat meine Großmutter getan und ihr Mann auch. Das hat sie den Kindern beigebracht, und das ist bis in die Enkelgeneration vorhanden. Preußisch auch in dem Sinne, dass man sich als ein Teil der Gesellschaft, damals sagte man einer Nation, fühlt. Für Berthas Leben war Kaiser Wilhelm II. beherrschend, dann die Weimarer Republik, aber sie war eben auch in dem Sinne preußisch, dass sie allen Herrschenden gegenüber loyal war, auch Reichskanzler Hitler war da keine Ausnahme. Das kann man nicht mehr verstehen, trotzdem war es so. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches ist ihr das sehr übel genommen worden.
Ihr Vater gehörte zu denen, die Hitler stürzen wollten. Sie relativieren im Vorwort ein wenig die strenge Sicht, die Sie als junge Frau auf Ihre Großmutter hatten. Wie kommt das?
Das kommt sicher daher, dass ich inzwischen auch eine alte Dame geworden bin und viel erlebt habe. Als junges Mädchen habe ich Geschichte studiert und habe wenig gefragt und viel angeklagt. Das hat sich einfach geändert, ich habe angefangen, nachzufragen. In dem Moment habe ich die Dinge viel differenzierter gesehen.

Das Buch ist bei dtv erschienen und kostet 19,90 Euro.
Was die Beschreibung der Nazizeit angeht, ziehen Sie sich im Buch aber auf Texte von Golo Mann zurück. Warum?
Wenn ich dazu etwas geschrieben hätte, hätte es nur geheißen, das schreibt sie so, weil es um ihre Familie geht, das ist ja subjektiv. Deshalb dachte ich mir, zu diesem heiklen Thema lasse ich jemanden sprechen, dem man keine Parteilichkeit vorwerfen kann. Außerdem deckt sich meine Meinung mit der seinen.
Sind sie insgesamt zu freundlich mit Ihrer Familie umgegangen?
So hieß es bei dem Buch, das ich über meine Urgroßmutter Margarethe Krupp geschrieben habe. Ich gehe davon aus, dass der Vorwurf wieder erhoben wird. Deshalb betone ich meine Stellung als Familienmitglied und als ein positiv denkendes dazu. Ich wollte eine differenzierte, wissenschaftlich-saubere Sichtweise versuchen, in der es außer schwarz und weiß auch noch andere Farben gibt.
Aber Krupp steht natürlich für die Herstellung von Kriegsgerät, bleibt da ein ambivalentes Gefühl?
Waffenfabrikation findet zu allen Zeiten überall statt. Das war bei Krupp nicht anders als bei Schneider-Cruzot in Frankreich oder bei Vickers & Armstrong in den USA. Das ist natürlich kein sympathisches Produkt. Aber ich hatte auch nie den Eindruck, dass sich meine Familie mit den Kanonen identifiziert hat. Insofern hatte ich damit auch keine Probleme.
Sie beschreiben ein großes Haus mit vielen Kindern, einen großbürgerlichen Lebensstil, in dem auch Kunst und Kultur eine große Rolle spielten. Ist das ein Gegengewicht zu diesem Bild "Krupp = Kanonen"?
Ich glaube, es ergänzt das Bild. Man muss ja sehen, dass der Hügel im Grunde genommen ein geschäftlich genutztes Haus war. Es war wie ein Hotel, ein Raum, in dem man sich mit seinen Kunden, mit seinen Lieferanten, mit Politikern traf. Privat waren im Hügel nur die Appartements.
Aber es ist eine Art von Reichtum, die natürlich die wenigsten Menschen in ihrem Leben kennenlernen.
Ich selbst bin ja so auch nicht aufgewachsen, sondern in ganz normalen bürgerlichen Verhältnissen. Der Hügel wurde seit 1945 von keinem Familienmitglied mehr bewohnt. Finanziell haben wir mit der Firma gar nichts mehr zu tun. Aber ich habe durch die Familie das andere auch kennengelernt und fühle mich da auch zu Hause. Ein bisschen habe ich das Buch auch geschrieben, damit man erkennt, dass es sich trotzdem um eine ganz normale Familie handelt.
Ist es also eher eine deutsche Familiengeschichte?
Ja, so sehe ich das. Die Tatsache, dass da ein großer Reichtum war und eine berühmte Firma, hob sie natürlich heraus. Aber sie war in ihrem Schicksal dennoch dem vieler anderer Familien ähnlich. Was ihr persönliches Leben angeht, sind Krupps überhaupt nichts Herausragendes.
Mit Diana Maria Friz sprach Solveig Bach
Quelle: ntv.de