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"Nichtstun ist immer provozierend" Hundert kostenlose Vergnügungen

Sinnbild des Müßiggängers: Im Paris des 19. Jahrhunderts gingen besonders extravagante "Flâneurs" gerne mit einer Schildkröte spazieren, die das Tempo vorgab. Auch ohne Schildkröte ist flanieren bis heute ein entspanntes Vergnügen.

Sinnbild des Müßiggängers: Im Paris des 19. Jahrhunderts gingen besonders extravagante "Flâneurs" gerne mit einer Schildkröte spazieren, die das Tempo vorgab. Auch ohne Schildkröte ist flanieren bis heute ein entspanntes Vergnügen.

(Foto: Stephanie F. Scholz )

Dan Kieran und Tom Hodgkinson, die britischen Könige des Müßiggangs, sind zurück. Im Gespräch mit n-tv.de verrät Kieran ("Slow Travel"), warum Nichtstun radikal ist und wie man Kinder weg vom Tablet kriegt. Doch eine Frage bringt den entspannten Autor ins Schwitzen.

Rebell im Morgenmantel: Dan Kieran.

Rebell im Morgenmantel: Dan Kieran.

" Warum arbeiten wir bis zur Erschöpfung in meist ungeliebten Berufen, um Geld zu verdienen, damit wir Dinge tun oder kaufen können, die uns Spaß machen?" Das ist eine der Frage, mit denen sich Tom Hodgkinson und Dan Kieran beschäftigen, wenn sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: im Morgenmantel am Fenster stehen und denken.

Die beiden selbst ernannten Philosophen sind von Berufs wegen Müßiggänger. Und das ist revolutionärer und vor allem aufwendiger, als sich das zunächst anhört. In ihrer Monatszeitschrift "Idler" und in unzähligen Büchern halten sie leidenschaftliche Plädoyers für ein gemächlicheres Leben. Und die Botschaften kommen an: Ob "Anleitung zum Müßiggang", "Leitfaden für faule Eltern", "Die Kunst, frei zu sein" (Tom Hodgkinson) oder auch das auch hierzulande besonders erfolgreiche "Slow Travel" (Dan Kieran): Ihre Gedanken finden ihr Publikum.

Dabei sind ihre Ideen und Tipps nicht unbedingt neu: "Wir alle wissen, dass es besser ist, langsamer zu machen", betont Kieran. "Doch moralische Ideen und Vorstellungen hindern uns daran. Wer Stress hat, ist etwas wert, das ist die Botschaft, die die Gesellschaft vermittelt." Und der Konsum gehöre dazu. Schließlich solle auch die Wirtschaft schön wachsen. Gegen diese Arbeits- und Konsumgesellschaft lässt sich trefflich und genussvoll protestieren, findet das britische Müßiggänger-Duo. Und hat nun zu diesem Zweck gemeinsam mit elf anderen Autoren einhundert Vergnügungen gesammelt, die das Leben lebenswerter machen, ohne dass man Geld dafür verdienen oder ausgeben muss. Ist das mit witzigen und skurril-schönen Zeichnungen von Stephanie F. Scholz illustrierte Buch nicht völlig nutzlos? Sicher. Und genau das macht es so vergnüglich.

Im Interview mit n-tv.de verrät Dan Kieran, welches sein liebstes Vergnügen aus den hundert gesammelten ist. Dass er eine Viertelstunde zu spät, aber bestens gelaunt zum Gespräch kommt, kann man nur als stilecht bezeichnen.

n-tv.de: Seit gestern habe ich ein Lied im Kopf, aber ich weiß nicht mehr, wer es gesungen hat. Kennen Sie das Lied "The best things in life are free"?

Dan Kieran: Ich weiß es auch nicht, aber es hat definitiv die richtige Stimmung. Das ist ja eine philosophische Frage. Die Gesellschaft macht uns zu Konsumenten. Also ist es ziemlich radikal, im Leben die Dinge zu genießen, die kostenlos und langsam sind. Wir beim "Idler" lachen immer darüber, "nichts" zu tun.

In einer Kritik wurde "Das Buch der Hundert Vergnügungen" als eine der charmantesten Kapitalismuskritiken beschrieben. Und Sie haben auch hierzulande schon eine Fangemeinde. Wie erklären Sie die Sehnsucht nach dem "einfachen Leben"?

Ja, ich habe mich auch schon gefragt, was das sein könnte und habe gerade mit meiner Verlegerin darüber gesprochen, warum die Bücher gerade in Deutschland so eine Resonanz ausgelöst haben. In Großbritannien gab es etwa bei den "Hundert Vergnügungen" kein besonderes Echo. Leute, die es gelesen haben, haben sehr schöne Dinge darüber gesagt, aber es hat offenbar nicht die Fantasie der Menschen angeregt.

Es ist aber eine aufregende Sache, wenn du etwas schreibst und irgendwo anders auf der Welt fühlen sich die Leser davon angesprochen. Vielleicht wollen wir alle einfach nur entschleunigen. Nichts zu tun ist immer provozierend. Ich glaube, das ist eine christliche Sache. Leiden gilt als Tugend. Wenn wir leiden, sind wir gut. Und ich kämpfe seit jeher gegen dieses Ideal. Also ja, es ist Antikapitalismus. Aber es ist mehr als das. Wir sagen immer: Wenn du nichts tust, tust du etwas und zwar denken. Und das ist heutzutage ziemlich radikal.

Das Interessante an dem Buch ist, dass es niemanden gab, der nicht zugestimmt hätte, wenn ich die Idee erläutert habe. Denn das sind keine neuen Ideen. Wir wissen das alles. Wir wissen, dass es besser ist, mal langsamer zu machen. Aber "Slow Travel" war der Schlüssel zu meinen Büchern, das hat den Leuten sofort eingeleuchtet. Denn Reisen ist normalerweise anstrengend und sehr teuer.

In Zeiten des Kampfes gegen Prokastination ein nahezu verboten süßes Vergnügen: Zaudern.

In Zeiten des Kampfes gegen Prokastination ein nahezu verboten süßes Vergnügen: Zaudern.

(Foto: Stephanie F. Scholz )

Es gibt aber auch die Kehrseite, wenn man zum Beispiel die vielen Bücher über Prokrastination ansieht. Das scheint eher eine Diagnose als ein wünschenswerter Zustand zu sein. Gleichzeitig greift das "Burnout" als Krankheit um sich. Könnte aber Müßiggang die bessere Medizin gegen ein Burnout sein als Tabletten?

Ja, entschleunigen ist etwas sehr Natürliches. Als wir noch Jäger und Sammler waren, haben wir viel weniger gearbeitet als heute. Der Höhlenmensch arbeitete durchschnittlich drei Tage die Woche. Solange, bis er genug Nahrung hatte und dann hörte er auf. Dadurch hatte er aber etwa mehr Zeit, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Heute sind alle gestresst und machen sich Sorgen um Geld, um die Kinder, um die Schule. Viele Eltern zeigen beispielsweise ihre Liebe durch Sorge. Sie sind permanent besorgt, dass ihrem Kind etwas zustoßen könnte. Und ich glaube, diese übertriebene Angst, dieses Gefühl der Gefahr ist im Grunde nur ein Substitut für das Kümmern.

Viele der "hundert Vergnügungen" haben mit Kindern zu tun. Haben Kinder heute genügend Zeit für Müßiggang? Oder sind sie zu beschäftigt mit ihren Smartphones, Videospielen und der Schule?

Absolut! Langeweile ist das Stichwort. Wenn meine Kinder zu mir sagen, dass ihnen langweilig ist, klopfe ich mir auf die Schulter. Weil du gezwungen bist, deine Fantasie zu benutzen, wenn dir langweilig ist. Also sage ich zu meinem Sohn, der ein iPad hat: Je mehr du auf Bildschirme starrst, umso mehr tötest du deine Fantasie. Und das versteht er.

Wie alt ist er?

Er ist acht. Er sagt schon zu mir, wenn ich auf mein Smartphone starre: Zu viele Bildschirme, Daddy, das ist schlecht für deine Fantasie. Wir sind so besorgt um die Kinder, dass wir sie niemals alleine lassen. Als ich Kind war, ging ich am Wochenende morgens raus auf die Felder. Ich blieb draußen, bis ich hungrig wurde und kam zum Nachmittagstee zurück. Es gibt da diese großartige Webseite, die zeigt, wie sich der Radius, in dem sich Kinder frei bewegen können, in den vergangenen Jahrzehnten verkleinert hat. In den 1960er Jahren war es noch eine Meile, heute sind es keine 200 Meter vom Haus mehr.

Weil sie diese weite Welt verloren haben, ziehen sich die Kinder in ihr Inneres zurück. Deshalb glaube ich, dass Bildschirme so gefährlich sind. Diese Online-Erfahrung ist gefährlicher als die reale Welt. Worüber sie im Internet stolpern könnten, ist viel schlimmer als alles, was es in den Feldern oder im Garten hinter dem Haus gäbe. Doch Eltern denken, dass ihre Kinder vor dem Bildschirm sicher sind.

Mit kleinen Kindern spazieren gehen - und die Welt wird zu einem Ort voller Wunder.

Mit kleinen Kindern spazieren gehen - und die Welt wird zu einem Ort voller Wunder.

(Foto: Stephanie F. Scholz)

Aber es ist doch gar nicht mal so einfach, Kinder dazu bringen, auf den Bildschirm zu verzichten und in die Natur zu gehen.

Es ist hart, sie rauszukriegen, aber wenn sie einmal draußen sind, lieben sie es! Ich sage meinem Sohn immer, komm, lass uns rausgehen in den Wald. Dann antwortet er immer: Oh Daddy, das ist so langweilig. Aber ich verspreche ihm, dass wir Orks und goldene Pokale finden und Schwerter aus Ästen bauen werden. Und dann klettert er auf Bäume und hat einen Riesenspaß. Aber das ist die Aufgabe der Eltern, die Kinder dazu zu bringen. Es gibt nichts Wichtigeres für Eltern, als ihren Kindern Zeit zu widmen. Dein Kind will kein iPad, es will dich. Wenn mir Eltern erzählen, dass sie versuchen, ihr Kind vom Tablet wegzukriegen, denke ich immer, vor die Wahl gestellt, würde das Kind immer sie wählen. Aber vielleicht ist das nicht immer bequem für die Eltern. Es ist aber auch wirklich schwer als Elternteil, diese Balance zu finden.

Und damit schaffen wir die nächste Generation, die mit Müßiggang nichts anfangen kann.

Ja, absolut. Es ist nicht einfach, das zu ändern, aber es fühlt sich gut an, wenn du es tust. Das mag ich so am "Slow Travel"-Buch. Es klingt kompliziert anstrengend, aber es ist im Grunde ganz einfach und aufregend. Erwachsene dazu zu bringen, beim Reisen zu entschleunigen, ist im Grunde dasselbe, wie Kinder zu ermuntern, im Wald zu spielen. Du hast keine Lust dazu, aber wenn du es ausprobierst, ist es großartig. Wir sind im Grunde wie Kinder - wir sind süchtig nach unseren Bildschirmen und unseren Jobs. Und wir brauchen jemand, der uns da rausholt. Und wenn du das erst einmal machst, fängst du an, die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Sie kämpfen in "Slow Travel" gegen das Hetzen durch die Länder im Urlaub. Ihr Autorenkollege Tom Hodgkinson kämpft gegen die "Versklavung" in modernen Berufen. Er hält es für sinnlos, so hart zu arbeiten, nur um sich Dinge kaufen zu können, die man im Grunde nicht braucht. Aber viele Leser werden denken: "Ich habe keine Wahl, ich muss Rechnungen bezahlen und meine Familie ernähren. Und ich habe nur zwei Wochen Urlaub." Ist Entschleunigung vielleicht ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann?

Es gibt viele Leute, die das sagen. Das Interessante daran ist, dass aus meinem gesamten Bekanntenkreis Tom und ich am wenigsten Geld haben. Wir sind nur reich an Ideen. Man kann aber beispielsweise "Slow Travel" auch mit zwei Wochen Urlaub umsetzen. Da gibt es einige Tricks. Ich war zum Beispiel vor einiger Zeit ein Wochenende in Barcelona. Und ich bin natürlich mit dem Zug hingefahren, aber selbst wenn man fliegt, gibt es einige Dinge, die man tun kann. Erstens: Kein Reiseführer. Ich habe mir keine Sehenswürdigkeiten, kein Gaudi-Gebäude angesehen. Das heißt, ich habe eines gesehen, wir sind über eines gestolpert, aber wir wussten nicht, dass es dort stehen würde, und dadurch war es wirklich magisch. Wir hatten es nicht erwartet.

Eine weitere Sache ist: Lass dein Smartphone, deine Uhr und deine Kreditkarten im Hotel. Nimm nur etwa 100 Euro Bargeld mit. Du wirst keine Mails beantworten, nicht shoppen gehen und dich nicht um die Uhrzeit sorgen. Und schon machst du eine "Slow Travel"-Erfahrung, einfach, in dem du hinausgehst und die Stadt erforscht. Du musst dich nicht sorgen, überfallen zu werden. Deine Wertsachen sind sicher. Du isst, wenn du hungrig bist und nicht, weil du auf die Uhr gesehen hast. Und dann kehrst du in das Hotel zurück und alle deine Sachen sind da.

Und man spart noch Geld.

Ja, das ist nicht teuer, so zu reisen. Ich akzeptiere die Einwände der Leser. Aber die Arbeit und die Angst, nicht genug Geld zu haben, das sind nur Ideen, die dich davon abhalten, solche Erfahrungen zu machen. Wenn man leben will, muss man mutig sein und immer wieder die Weise, in der man sein Leben organisiert hat, infrage stellen. Kinder haben mich nicht von "Slow Travel" abgehalten. Kein Geld zu haben, hat mich nicht davon abgehalten.

Ein netter Nebeneffekt ist, dass es gut für die Umwelt ist.

Ja, sicher. Aber das ist für mich nicht der Grund, den Zug zu nehmen. Auch wenn ich das gut finde. Es ist bestimmt manchmal hart, aber für die besten Dinge des Lebens muss man kämpfen.

Es scheint eine Menge Arbeit zu sein, professioneller Müßiggänger zu sein. Seit 2003 haben Sie fast jedes Jahr ein Buch veröffentlicht, Sie arbeiten für das Magazin "The Idler", dazu kommen die Lesetouren für Ihre Bücher. Hätten Sie sich jemals vorstellen können, dass Ihr Lebenskonzept zu einem Beruf wird?

Das ist wirklich interessant, denn ich bin wirklich kein Geschäftsmann, das wird jeder sofort glauben, der die Bücher liest. Doch nun bin ich Unternehmer geworden. (Kieran betreibt auf "Unbound.co.uk" ein Crowdfunding-Portal für Autoren, Anm. der Redaktion) Aber ich versuche die "Slow"-Ideen in meine Tätigkeit einzubinden. Mein Geschäft ist transparent, und authentisch. Aber es ist ein Geschäft und muss Investoren anlocken, denn wir verdienen noch kein Geld. Überraschend ist aber, dass sie es lieben. Ich habe kein Examen in Wirtschaftswissenschaften, meine Lebensphilosophie ist mein Abschluss. Und das funktioniert gut. Wir glauben an unsere Idee, wir glauben, dass Bücher ein größeres Publikum und Autoren mehr Geld verdienen. Eigentlich hat Charles Dickens das Crowdfunding für Autoren erfunden, aber es funktioniert dank des Internets heutzutage besser.

Gibt es denn in diesem neuen Leben als Geschäftsmann etwas, das Sie stresst? Wenn man Ihre Bücher liest, hat man den Eindruck, dass Sie niemals gestresst sind und das ist doch eigentlich unmöglich.

Ja, das ist unmöglich. Ich habe Mitarbeiter, ich bin als Unternehmenschef verantwortlich, auch wenn ich noch drei Mitbegründer habe. Wenn ich das Unternehmen so führe, wie es andere Leute erwarten würden, dann bin ich gestresst und es funktioniert nicht. Wenn ich aber meinen Instinkten vertraue und den langsamen Prozessen folge, dann funktioniert es. Aber es ist natürlich trotzdem hart, ein Unternehmen zu führen. Aber deshalb muss es nicht selbstsüchtig, unmoralisch oder gierig werden. Vielleicht gehöre ich ja einer neuen Gattung von philosophischen Geschäftsleuten an, denen es nicht um Geld, Geld, Geld und Macht, Macht, Macht geht. Das interessiert mich nicht.

Rogner & Bernhard, 218 Seiten, 17,99 Euro

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Und haben Sie selbst noch genügend Zeit für die "hundert Vergnügungen"? Welches ist Ihr Lieblings-Vergnügen?

Mein absoluter Favorit ist das Vergnügen, das der Auslöser für "Slow Travel" war. Als mein Sohn zwei oder drei Jahre alt war, habe ich ihn immer gebeten, mit mir einen Spaziergang zu machen. Dann hat er mich an die Hand genommen und wir sind losgegangen. Er hatte das Kommando. Und als ich "Das Buch der hundert Vergnügungen" schrieb, war meine Tochter Olive im selben Alter und hat dasselbe gemacht. Dann sind wir manchmal in der Stadt gelandet und sind Fahrstühle rauf und runter gefahren, oder waren im Park und kletterten auf einen Baum. Manchmal blieben wir auch nur auf den Stufen vor dem Haus und sind diese hunderte Male rauf und runter gelaufen. Mit einem Kleinkind spazieren gehen, ist meine Lieblings-Müßiggang-Beschäftigung. Denn du musst dich dem anderen Tempo anpassen - und wenn es nur für 20 Minuten ist. Und ein Kind zwingt dich, die Welt mit anderen Augen zu betrachten.

Nummer zwei sind Sonnenstrahlen. Als ich ein Kind war, kam ich einmal in meinem Elternhaus die Treppe runter und da fiel durch die Vorhänge ein Sonnenstrahl auf den Teppich. Und weil es so schön warm war, habe ich mich dort zusammengerollt und weitergeschlafen. Das mache ich immer noch, wenn die Sonne auf den Teppich scheint. Man muss sich diese Momente stehlen. Das ist wie mit Küssen, da sind die gestohlenen auch die süßesten.

Das gilt auch für den vielbeschäftigten Unternehmer?

Ja, auf dem Weg zur Buchmesse kann man auch mal aus dem Fenster starren. Oder nehmen Sie diesen Moment hier: Um uns herum der ganze Trubel in dieser massiven Kathedrale des Kapitalismus, aber wir sitzen hier ein Stück entfernt an einer weißgestrichenen Ziegelwand und haben diese angenehme Unterhaltung.

Mir ist eine Sache aufgefallen: Dreizehn Autoren haben die hundert Vergnügungen aufgeschrieben, aber darunter ist nur eine Frau. Sind wir Frauen zu beschäftigt?

Brillante Frage. (Lacht) Das ist wirklich purer Zufall. Viele haben schon bemängelt, dass der "Idler" zu männerfixiert ist. Aber ich glaube, dass liegt nur daran, dass wir beim "Idler" einfach nur Männer sind. Und wir wollten nicht nur der "Quote" wegen eine Frau einstellen. Hoffentlich finden wir aber mehr Frauen, die gerne für uns schreiben wollen.

Rein weibliches Vergnügen: Stillen.

Rein weibliches Vergnügen: Stillen.

(Foto: Stephanie F. Scholz )

Und das einzige Vergnügen, das sie beschreibt ist "Stillen". Ich verstehe, dass nur eine Frau das aufschreiben konnte, aber kennen wir Frauen keinen Müßiggang?

Sie haben Recht, das ist furchtbar! Das bringt mich wirklich in Verlegenheit. Es liegt aber nur daran, dass Tom und ich die meisten Dinge geschrieben haben. Das Buch ist ja innerhalb eines Monats entstanden. Wir hatten die ganzen Ideen schon vorher gesammelt. Aber nächstes Mal fragen wir die Leser vorher.

Vielleicht ist ja der weibliche Blick auf Müßiggang wirklich ein anderer. Ich spekuliere hier nur. Traditionell ist ja der Mann derjenige, der das Brot nach Hause bringt. Und das ändert sich ja gerade, Frauen arbeiten immer mehr.

Aber brauchen Frauen gerade deswegen nicht mehr denn je einige müßige Momente? Gerade, weil sie die Arbeitswelt erobern? Und oft trotzdem den Haushalt schmeißen?

Absolut richtig! Das ist ja das faszinierende. Frauen machen nicht nur die Dinge, die nur sie tun können, wie Babys kriegen, sondern üben auch jeden Job aus, der früher Männer vorbehalten war. Aber Männer übernehmen andersherum eben nicht alle Aufgaben, die Frauen vorbehalten waren.

Oder müssen sich dafür entschuldigen, wenn sie es doch tun. Wenn sie etwa wirklich gerne Zeit mit ihren Kindern verbringen.

Genau. Ich bin von meiner Frau getrennt und habe die Kinder zweimal die Woche bei mir. Und alle sagen, dass ich ein großartiger Vater bin. Aber niemand käme auf die Idee zu sagen, dass meine Frau eine großartige Mutter ist, obwohl sie die Kinder fünf Tage die Woche hat. Frauen kriegen dieses Lob nicht.

Bei Gleichberechtigung geht es leider oft darum, dass Frauen dazu gebracht werden sollen, dasselbe zu tun, wie Männer. Das ist meiner Ansicht nach aber ungesund. Ich denke, Männer sollten mehr werden wie Frauen. Das sieht man wiederum sehr gut bei der Erziehung der Kinder. Viele Männer, die heute etwa 60 Jahre alt sind, bereuen es etwa zutiefst, nicht mehr für ihre Kinder dagewesen zu sein, sondern die Arbeit vor allem gestellt zu haben. Sie waren auch gute Väter, aber es war anders.

Selbst heute ist es oft noch so. David Cameron hat einmal vor Kameras gesagt, er müsse an diesem Abend Babysitten, weil seine Frau ausgehen wolle. Da hat ihn eine Reporterin darauf aufmerksam gemacht, dass man es nicht Babysitten nennt, wenn es die eigenen Kinder sind. Aber Männer haben oft diese Attitude. Sie passen auf die Kinder auf und denken, es ist ein Gefallen für ihre Frau, statt zu begreifen, dass es für sie auch gut ist. Ich bin mit meinen Kindern zusammen, weil ich selbstsüchtig bin und es sich großartig anfühlt, wenn wir zusammen sind. Wie beim "Slow Travel". Es ist gut für die Umwelt, aber du tust es, weil es gut für dich ist. Es geht immer darum, zu entscheiden, wie man sein Leben leben will.

Mit Dan Kieran sprach Samira Lazarovic

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Quelle: ntv.de

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