Der Tag danach Sauer hoch drei
09.03.2013, 04:55 Uhr
Die Liebe der Marienkäfer beginnt sofort nach der Überwinterung und dauert bis zu 18 Stunden.
(Foto: Luise/pixelio.de)
Kopfschmerzen? Magendrücken? Katzenjammer? Der Montag ist nicht jedermanns Tag; das kommt oft darauf an, wie man den Sonntag verbracht hat. Was tun, wenn trotz launigem Lenz die Säfte nicht steigen wollen? Rabelais gibt gute Ratschläge, wie "das Schwänzel stellen und all dergleichen … tausendmal besser vonstatten" geht.
Leider hat der Frühling nur geblinzelt, aber bereits die paar Tage Sonnenschein machen bessere Laune und Appetit auf mehr nach diesem allzu dunklen Winter. Auch die ersten mutigen Vogelzüge tauchen am Himmel auf und verheißen das Ende der kalten Tage. Falls es Ihnen dennoch schlecht geht, weil Sie am Wochenende den Rest des winterlichen Rotweinvorrats vertilgt haben (Es soll doch nichts umkommen!), weiß Francois Rebelais guten Rat, und der ist noch nicht einmal teuer, weil Sie ihn kostenlos bei n-tv.de bekommen.
Der Arzt, Gelehrte und Zeitgenosse Martin Luthers gilt als der größte französische Autor des 16. Jahrhunderts. Rabelais war zeitweise Mönch, entzog sich allen Heiratsversuchen, zeugte dennoch mehrere Kinder und galt sowohl bei katholischen als auch protestantischen Theologen wegen seiner freizügigen Werke als unmoralisch. Nichts Menschliches war ihm fremd und wohl gerade deshalb kam seine spitzzüngige Satire beim zeitgenössischen Publikum an, da es seine derbe Spötteleien verstand. Sprachwissenschaftler nennen das rabelaisien. Heute dürften Rabelais Anspielungen auf Könige und Kirche nur noch Historikern verständlich sein.
Lange dauert es nicht mehr und Wald und Wiese liefern uns für den notwendigen inwendigen Frühjahrsputz die grünen Zutaten. Wenn der Gehalt der Speisen an Vitaminen und Mineralstoffen zu wünschen übrig lässt, brauchen wir dringend diese biologisch aktiven Blättchen und Knospen für unser Wohlbefinden. Vom Grün der Natur in Salaten, Soßen, Suppen und Brühen erwartet mancher wohl haufenweise Wunder, wie schon bei Rabelais zu lesen ist: Man koche aus "grünen Halmen eine prächtige grüne Suppe, die nicht schwer im Magen liegt, leicht verdaulich ist, den Kopf klärt, die Lebensgeister anregt, das Auge erfreut, den Appetit schärft, dem Gaumen behagt, das Herz stärkt, die Zunge kitzelt, die Haut reinigt, die Muskeln spannt, das Blut beruhigt, das Zwerchfell entlastet, die Leber erfrischt, die Milz aufheitert, die Nieren erleichtert, die Lenden geschmeidig macht, das Rückgrat lockert, die Harnröhre putzt, die Samendrüsen dehnt, die Bänder anzieht, die Blase leert, die Genitalien schwellt, die Vorhaut zurechtrückt, die Eichel stählt und das Glied steift. Das Schwänzel stellen und all dergleichen geht nach der grünen Suppe tausendmal besser vonstatten". Ob man Rabelais Worte als feste Überzeugung oder entlarvende Satire nimmt, muss jeder selbst für sich entscheiden.
Doppelte Appetitanregung
Auch wenn man von grünen Soßen und Suppen keine Wunder erwarten sollte, sie tragen zur Stärkung des Immunsystems bei und helfen, leere Depots wieder zu füllen. Noch ist es zu kühl, um mit dem Sammelkorb erfolgreich durch die Fluren zu streifen, doch die ersten essbaren Frühlingsboten wie Bärlauch, Kerbel und Sauerampfer lassen nicht mehr lange auf sich warten. Küchenkräuter sind reich an ätherischen Ölen, deren durchblutungsfördernde Wirkung auch im kleinen Becken nicht zu leugnen ist und die also den Appetit in doppelter Hinsicht steigern.

In die Frankfurter Grüne Soße gehört unbedingt Sauerampfer hinein.
(Foto: Klaus-Uwe Gerhardt/pixelio.de)
Weit weniger verbreitet als der Gebrauch von Petersilie und Kresse dürfte der Einsatz von Sauerampfer in der Küche sein. In Gourmetrestaurants steht inzwischen das Wildgemüse auf der Speisekarte. Die Nouvelle Cuisine hat es jedoch lediglich wiederentdeckt, so wie den Bärlauch, denn überall in Deutschland nutzte man Sauerampfer seit Jahrhunderten in der bäuerlichen Küche zu Suppen, Soßen und als Gemüse. Die berühmte Frankfurter Grüne Soße zum Beispiel ist ohne Sauerampfer undenkbar, und in Norddeutschland isst man gerne Sauerampfersuppe. In Frankreich und in Russland hegt man für den säuerlichen, leicht bitteren Geschmack eine ausgesprochene Schwäche.
Sauer macht lustig
Der Name "Sauerampfer" bedeutet eigentlich doppelt sauer, denn Ampfer leitet sich aus dem alten Wort "amper" ab und das heißt sauer. Die Pflanze habe ihren Namen "vom sauren Geschmack", schreibt der deutsche Arzt Lonicerus im 16. Jahrhundert in einem seiner Kräuterbücher. Auch sein Zeitgenosse Tabernaemontanus lobt den Sauerampfer; er "zeucht ein wenig zusammen". Der pfälzische Botaniker und Mediziner schreibt: "So ein Mensch einen Unlust hätte zu essen, welcher Gebrechen aus Hitze oder Cholera entstünde, der brauche Sauerampffer mit Weineßig, das erwecket und bringet wiederum ein Lust zu essen." Sauerampfer mit Essig - das wäre dann drei Mal sauer! Aber sauer soll ja bekanntlich lustig machen. Zumindest die erleichternde Wirkung des Sauerampfers bei Völlegefühl und Verdauungsbeschwerden wussten schon die alten Römer zu schätzen: Horaz empfiehlt am Tag nach einem ausgiebigen Gelage Sauerampfer als wirksames Mittel gegen Katzenjammer.
Zuviel davon ist aber auch nicht gut, denn ähnlich wie Spinat hat Sauerampfer auch reichlich Oxalsäure, die in hohen Dosen giftig wirkt. Deshalb sehen Bauern Sauerampfer auf ihren Weiden nicht sehr gern, denn bei Pferden und Wiederkäuern können die Pflanzen bei Aufnahme großer Mengen zu Vergiftungen führen. Die geringen Mengen, die wir in Suppen, Salaten und Soßen verzehren, sind jedoch harmlos.
Wegen seines säuerlichen, etwas bitteren Geschmacks werden Sauerampferblätter gern zwischen grüne Salate gemischt, gehackt Mayonnaisen und Soßen zugefügt, wie Spinat blanchiert oder als Püree zu Fischgerichten gereicht. Falls Sie Bedarf haben nach all der Sauerampfer- Wunderwirkung à la Rabelais versuchen Sie es doch mal mit einer Kraftbrühe. Der Name ist Programm! Menschen mit Rheuma, Gicht oder Nierenbeschwerden sollten Sauerampfer wie Spinat vorbehandeln (wenn sie nicht ganz darauf verzichten wollen). Durch das Blanchieren laugt übermäßige Oxalsäure aus.
Grüne Kraftbrühe
1 l klare Rinder- oder Gemüsebouillon
200 g Sauerampferblätter (oder mehr)
50 g Salatblätter
frisch gemahlener weißer Pfeffer, Salz
Zubereitung:
Sauerampfer gut verlesen und entstielen, waschen und in reichlich kochendem Salzwasser aufkochen lassen, vom Feuer nehmen und 5 Minuten ziehen lassen. Abgießen und kalt abspülen.
Die Brühe in einem offenen Topf zum Kochen bringen. Die Sauerampferblätter und die unblanchierten Salatblätter fein hacken und der Brühe zufügen. Hitze reduzieren und auf kleiner Flamme 15 Minuten köcheln lassen. Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. In vorgewärmte Suppentassen füllen und mit Toast servieren.
Falls Sie keinen Sauerampfer bekommen, verwenden Sie dafür frische Spinatblätter. Die Rabelais’sche Wirkung kann allerdings nicht garantiert werden!
Viel Erfolg wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de