Plaudern mit Henry Hübchen "Das sieht natürlich scheiße aus!"
09.06.2015, 15:26 Uhr
Henry Hübchen - gar nicht so grumpy.
(Foto: imago/Future Image)
"Rico, Oskar und das Herzgebreche" - ein Kinderfilm. Aber auch für Erwachsene, denn diese Kinderbuchverfilmung zeigt das Leben aus der Perspektive um die Einsfünfzig mit Herz, Witz und Verstand. Außerdem spielt Henry Hübchen mit.
Er hat vielleicht nicht die allergrößte Lust, an einem Sonntag, an dem die halbe Stadt verstopft ist, es sehr warm werden soll und dann auch noch die Premiere ansteht, Interviews zu geben. Aber der "grumpy old man" entwickelt sich im Interview mit n-tv.de zum wahren Charmebolzen. Wir kommen vom Hundertsten ins Tausendste, Herr Hübchen ist in Plauderlaune. Es geht um seine Heimatstadt, Kinder, Parallelwelten, Fahrradhelme und seine Enkel. Für Henry Hübchen ist der Sonntag der "Sonntach", und auch sonst ist das so herrlich berlinerisch wie schon lange nicht mehr. Also, dit is'n janz schöner Berliner Sonntachvormittag, echt ma. Die Umjebung is ooch nich schlecht: Hotel de Rome.
n-tv.de: Der ideale Sonntag sieht für Sie wahrscheinlich anders aus, Herr Hübchen, oder?
Henry Hübchen: Och, pffh, was ist schon der ideale Sonntag? Da gibt's ja die unterschiedlichsten Meinungen und Bedürfnisse. Ich find' das heute gar nicht schlecht, weil jetzt gleich die Premiere ist und ich mit meinen vier Enkeln da hingehe. Die freuen sich, also ist das doch schon mal ein schöner Sonntag.
Wie alt sind die Enkel denn?
Ach, Mensch, vier Stück! Warten Sie mal (überlegt), 13, 8, 10 und 6, so ungefähr.
Die Antwort hätte auch von meinem Vater sein können. Anderes Thema: Fußball, gestern war die Stadt voll.
Ohne mich! Ich gucke große Spiele, das ist aber Definitionssache, was groß ist. Gestern war wohl bedeutend, haben meine Enkel mir gesagt. Wir haben's zusammen gesehen. Im Fernsehen natürlich. Ich war in meinem Leben noch nie in einem Fußballstadion ... Ich bin kein Freund von Masenaufläufen.
Aber gegen Massenaufläufe vor dem Kino hätten Sie nichts, oder?
Nö. (lacht)
Der Film ist wahnsinnig süß. Was macht einen guten Kinderfilm aus?
Süß muss er schon mal nicht sein, aber unterhaltsam! Und die Kinder dürfen nicht verblödet werden, sie sollten etwas mitnehmen können. Er sollte meiner Meinung nach über ihre Welt erzählen und nicht über irgendwas Fiktives, die sie nie in ihrem Leben erleben werden. Also nichts jetzt gegen Märchenwelten, Galaxien oder Filme, die unter der Erde spielen, wo es immer nur um Tod und Blut und Drachen geht ...
Aber haben Märchen nicht ganz viel mit dem Leben zu tun?
Ich mein' so Mystery-Geschichten, und ja, vielleicht kann man da auch noch was Reelles drin finden, aber warum muss es immer kompliziert sein? Der Alltag ist doch oft interessant genug. Und wenn man es schafft, die Fürchterlichkeiten des Alltags spannend zu erzählen und man sich oder die Eltern oder die Umwelt wiedererkennt, dann kann das doch viel spannender sein.
Und was ist mit Harry Potter und Co.?
Ach, 'tschuldigung, ich hab' ja noch einen Enkel, der ist schon 25. Ja, der ist heute nicht dabei, aber der war ganz viel in solchen "Welten". Oder immer noch, ich weiß es gar nicht so genau. Da hab' ich schon Probleme mit, wenn man sich nur in einer Parallelwelt bewegt. Viele von den Jungs gehen doch nur noch mit Kopfhörern auf den Ohren aus dem Haus, die kriegen doch gar nix mehr mit! Und wenn's dann wirklich darum geht, einen Acker zu bestellen, ne Kartoffel zu schälen ...
... die Kartoffel als solche zu erkennen ...
... mit einem Boot über den See zu fahren, dann schaffen die das nicht. (kichert)
Greifen Sie manchmal ganz großväterlich durch?
Nee, das hat doch gar keinen Sinn mehr. Ich seh' das doch jeden Tag: Junge hippe Mütter, die sich endlos um ihre Kinder sorgen und nur Bio einkaufen, fahren auf schwarzen Fahrrädern in schwarzen Klamotten und mit schwarzen Kopfhörern auf und ohne Licht (!!!) durch'n Prenzlauer Berg, wat soll ick dazu sagen? (lacht)
Meine Eltern haben mir einen orangen Helm geschenkt ...

Boris (Moritz Bleibtreu) und Mutter Doretti (Karoline Herfurth) - Gefangene ihrer Kostüme.
(Foto: dpa)
Naja, das sieht natürlich scheiße aus, hat aber hat 'ne Wirkung (lacht)! Fahrradfahren heute ist natürlich nicht mehr das, was es zu meiner Zeit mal war. Ich hab' Fahrradfahren gelernt auf dem Rad meiner Oma, im Stehen, da konnte ich noch nicht mal drauf sitzen, das wäre heute nicht mehr drin. Aber Entschuldigung, ich quatsche und quatsche ...
Alles gut ...
Also: Ich bin Fahrradfahrer, Autofahrer und Motorroller-Fahrer. Und Fußgänger! Ich kann aus vier Perspektiven berichten - und alle sind rücksichtslos! Aber Radfahrer sind die Schlimmsten, die halten sich an keine Regeln. Und am allerschlimmsten sind die, die ihre Kinder in so einem Anhänger-Ding transportieren, das ist doch gefährlich, da würde ich nicht mal meinen Hund reinsetzen!
Geht Ihnen, als Berliner, die Stadt manchmal so richtig auf den Keks?
Vorgestern gerade dachte ich mal wieder: "Verdammt, es ist so laut hier in Pankow auf der Straße." Da wuselt es nur! Im Alter jetzt muss ich mich wohl mal aufs Dorf zurückziehen und nur noch den Vögeln zuhören. (lacht)
Finden Sie die Leute in Ihrem Kiez, die jungen Schicken, die Hipster, die Latte-Macchiato-Muttis und die Nerds manchmal eigentlich sehr albern?
Naja, na klar! Allein wie die Kinder behandelt werden, wie Luxusartikel ...
... Accessoires ...
.. ja, die werden überall hingekarrt, sofern man es sich leisten kann, aber die nehmen am Leben ja nicht teil. Wer in einem Urwald überleben will, muss auch in einem Urwald aufwachsen, wie sollen die das denn lernen?
Kommt die Welt von "Rico, Oskar und das Herzgebreche" denn dem idealen Kinderleben ein wenig näher?
Es ist zumindest ein schönes Kinderleben, auch wenn es von den Voraussetzungen gar nicht mal so ideal ist. Aber die sind unterwegs, die jagen "die Bösen", die haben echte Erlebnisse, die lernen komische Leute kennen. Diese Kinder sind mir sehr nah.
Ist es schön mit Kindern zu drehen?
(lacht) Das ist natürlich schon schwer, weil die immer spielen wollen, und zwar nicht nur ihre Rolle. Das ist ja echt Arbeit, man wiederholt eine Szene oft, das ist für Kinder wirklich hart. Sie müssen sich ganz schön konzentrieren. Kinderdarsteller ist ein harter Job.
Davon merkt man im Film zum Glück nichts. Liegt das am guten Drehbuch?
Na klar, das ist immer die Grundlage. Schon das Buch ist wunderbar, aber das heißt ja nicht automatisch, dass ein Film gut wird. Da spielen ganz viele Faktoren eine Rolle. Das Casting scheint ganz gut funktioniert zu haben.
Seit wann sind Sie Schauspieler?
Ich habe einfach angefangen, so'n Kinderfernsehspiel, 'ne Kindernachrichtensendung. Ich wollte das aber eigentlich gar nicht. Es ist so passiert.
"Es" passiert öfter einfach mal so in Ihrem Leben, oder?
Tja, und ich kann's mir auch nicht schönreden: Ich habe nie mit einem großen Lebensplan hantiert. (lacht)
Sie spielen in letzter Zeit öfter den "grumpy old man" ... wie schaffen Sie es, dass man Sie trotzdem unwiderstehlich findet?
Ja, hmm, (lacht) ich bin einfach ein sympathischer Kerl. Ich bin natürlich auch genervt, privat, und im Alter wird es immer schlimmer. Allerdings gehör' ich sowieso nicht zu denen, die den Ruf des Sonnenscheins haben. Dit is nich' meine Rolle.
Sie bleiben authentisch.
Ich versuch's zumindest. Und übrigens, diese Grummeltypen werden komischerweise viel mehr gemocht vom Publikum. Also ich spiel' die gerne! Die Guten sind immer so langweilig.
Was ist Ihr Traum?
Gute Frau, mein Traum, ach, was soll ich sagen ... Leute, die so meine Chemie haben, mit denen will ich was machen. Das Thema ist gar nicht so wichtig.
Wer hat denn Ihre Chemie?
Ach, wenn ich jetzt den einen nenne, dann ist der andere doch beleidigt! Aber okay, mit Frank Castorf läuft es gut, das ist ne gewachsene Freundschaft. Es gibt Menschen, die zu mir gehören. Auch wenn ich die oft lange nicht sehe. Sophie Rois, hochintellgent und abgefuckt ironisch. Humor, janz wichtig. Kann sogar so wie vom Michael Gwisdek sein. (lacht)
Mit Henry Hübchen sprach Sabine Oelmann
"Rico, Oskar und das Herzgebreche" startet am 11. Juni in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de