Widerstandskämpfer Georg Elser "Der Hitler ist schlecht für Deutschland"
09.04.2015, 10:01 Uhr
Vor genau 70 Jahren wurde Georg Elser ermordet - nach dem Krieg war er lange vergessen.
(Foto: Lucky Bird Pictures, Bernd Schuller )
Das Datum hat Symbolkraft: Am 70. Jahrestag der Ermordung des Hitler-Attentäters Georg Elser erscheint ein Film über sein Leben. "Elser" von "Untergang"-Regisseur Hirschbiegel bietet bewegende Bilder, überzeugt aber nicht auf ganzer Linie.
Adolf Hitler ließ sich Zeit, bevor er Elser ermorden ließ. Er wollte den Mann, der 1939 versucht hatte, ihn zu töten, schmoren lassen. Also verbrachte Elser die Kriegszeit als "Sondergefangener" im Konzentrationslager. Erst nach dem deutschen Sieg sollte er in einem Schauprozess öffentlichkeitswirksam verurteilt werden. Dazu kam es zum Glück nie. So wurde Elser kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, im KZ Dachau erschossen. Es war das tragische Ende eines lange verkannten Widerstandskämpfers, dem nun mit dem Film "Elser - Er hätte die Welt verändert" ein Denkmal gesetzt wird.

Um die Vernehmer davon zu überzeugen, dass er keine Mittäter hatte, schildert Elser (M.) ihnen detailliert sein Vorgehen.
(Foto: Lucky Bird Pictures, Bernd Schuller)
"Der Hitler ist schlecht für Deutschland" ist einer der Sätze, die Elser (Christian Friedel) im Film sagt und die im Gedächtnis bleiben. Elser beobachtet seine Umgebung und zieht für sich diesen Schluss. Und er unternimmt etwas gegen Hitler, indem er im Bürgerbräukeller in handwerklicher Feinarbeit eine Bombe deponiert, die Hitler töten soll. Der Plan misslingt bekanntlich, weil Hitler den Raum 13 Minuten früher als geplant verlässt.
Der Schwerpunkt des Films liegt allerdings nicht auf der eigentlichen Durchführung des Attentats. Ganz zu Beginn wird recht schnell abgehandelt, wie Elser die Bombe scharf macht und versucht, in die Schweiz zu flüchten. Doch er wird gefasst, nach Berlin überstellt und von Reichskriminalpolizeimeister Arthur Nebe (Burghart Klaußner) und Gestapo-Chef Heinrich Müller (Johann von Bülow) verhört.
Sensible Künstlerseele

Auch in Elsers Heimat auf der Schwäbischen Alb feiern die Nazis Erfolge. Elsers religiöse Mutter stellt sich jedoch gegen sie.
(Foto: Lucky Bird Pictures, Bernd Schuller )
Regisseur Oliver Hirschbiegel, der bereits mit "Der Untergang" den Nationalsozialismus behandelt hat, geht es weniger um die mittlerweile bekannten Tatsachen als um die inneren Gründe, die Elser dazu brachten, etwas gegen die offensichtliche Ungerechtigkeit und den Terror zu tun, die sich nach 1933 in Deutschland breit machten. Er untersucht, warum ein einzelner Mensch etwas unternahm, als fast alle Hitler zujubelten.
In langen Rückblenden, die immer wieder von den Verhörszenen unterbrochen werden, wird vor dem Zuschauer die Biografie Elsers ausgebreitet: seine Jahre als Schreiner in Konstanz, seine Rückkehr in die Heimatstadt Königsbronn auf der Schwäbischen Alb und das Aufkommen des Nationalsozialismus. Elser wird als nachdenklicher und sensibler Mensch gezeigt, der den Freuden des Lebens, der Musik und Tanz aber nicht abgeneigt ist. Stets hängt ihm eine wilde Locke ins Gesicht. Doch dahinter verbirgt sich ein wacher Verstand, der die politische Entwicklung Anfang der 1930er-Jahre mit Unbehagen verfolgt.

Mit der verheirateten Elsa beginnt Elser ein Verhältnis.
(Foto: Lucky Bird Pictures, Bernd Schuller )
Auch in seiner provinziellen Heimat machen sich die Nazis bald breit. Elsers kommunistischen Freunde aus dem Rotfrontkämpferbund werden verhaftet und in KZ gesteckt. Elser sieht tatenlos zu. Er ist kein strahlender Held. Zu sehr genießt er eine Affäre mit Elsa (Katharina Schüttler). Das Verhältnis mit der verheirateten Frau nimmt im Film viel Raum ein, wohl mehr als es der Realität entsprach.
Langsam wächst in Elser die Idee, den Terror der Nazis nicht nur passiv zu ignorieren, sondern aktiv zu bekämpfen. Dass er ein Einzeltäter ist, wollen seine Verhörer nach dem Attentat aber nicht glauben. Sie demütigen ihn, schlagen ihn, foltern ihn brutal (was der Film in schockierenden Bildern zeigt), um die Namen der Hintermänner zu erfahren. Schließlich verhaften sie auch seine Familie und Elsa.
"Keiner hätte mitgemacht"
Elsers Antwort auf all die Fragen beschreibt die Stimmung in Deutschland um 1939 sehr treffend: "Keiner hätte mitgemacht." Elser wird als ein Mensch gezeigt, der wusste, wohin sein Land steuert. Der wusste, was hinter den Propaganda-Parolen der Nazis steckt. Und dem schließlich seine Freiheit so wichtig wurde, dass er zum äußersten Mittel griff, auch wenn er sein Leben riskierte. Elser als von Freiheit getriebener Mensch - das ist die Kernaussage des Films. Er übersetzt dies in bewegende Bilder, die den Zuschauer emotional mitreißen.
Allerdings kommt der Film dabei nicht ohne Klischees aus. In Königsbronn etwa stehen sich dumme, grölende Nazis und zurückhaltende, gescheite Linke gegenüber. Wie überhaupt die Idylle auf der Schwäbischen Alb überzeichnet, unwirklich wirkt. Zu undifferenziert wird herausgearbeitet, wie der Nationalsozialismus einen Großteil Deutschlands in seinen Bann zog und zu willigen Tätern oder zumindest Mitläufern machte. Stattdessen bestimmt die romantisch verklärte Affäre mit Elsa weite Teile des Films, ohne jedoch im direkten Zusammenhang mit dem späteren Attentat zu stehen.
Ausgerechnet die Verhörszenen, die im kleinen Rahmen stattfinden, bieten demgegenüber viel mehr Spannung und Intensität. Dass Nebe, der Elser verhört, immer wieder Verständnis, ja sogar Bewunderung für Elsers Ideale und seine technischen Fähigkeiten durchscheinen lässt, letztlich aber seinen Prinzipien treu bleibt, hat mehr Symbolkraft als alle Szenen aus Elsers Vergangenheit zusammen.
So wichtig es gerade in diesem Jahr ist, an Elsers Tat zu erinnern und ihm die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihm viel zu lange versagt blieb - der Film kann nicht vollends überzeugen. Aber er zeichnet zumindest ein vielschichtigeres Bild als Hirschbiegels "Der Untergang". Da ging es um den Fatalismus der obersten Nazi-Führung. "Elser" dagegen beschäftigt sich mit den Fragen, die alle angehen, auch heute noch: Wer hätte mitgemacht?
"Elser" kommt am 9. April in die deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de