"Die Hölle - Inferno" Hannibal Lecter mit Schmäh
19.01.2017, 20:34 Uhr
Nichts für Zartbesaitete: In dem Film passieren grausame Ritualmorde.
(Foto: splendid-film)
Ein Thriller aus Österreich? Gö Oider, bist deppert? Nein, mit "Die Hölle - Inferno" wagt sich Oscar-Regisseur Stefan Ruzowitzky tatsächlich an einen Alpenrepublik-Schocker, der auch die Piefkes das Fürchten lehren soll.
Österreich und Krimis - was fällt einem dazu ein? Nun gut, die Wiener "Tatorte" um die Ermittler Moritz Eisner und Bibi Fellner. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an "Komm, süßer Tod" aus dem Jahr 2000, wenngleich der Film mit Kabarettist Josef Hader schon eher in den Bereich der Kriminalkomödie fiel. Gleiches gilt selbstredend für die Blödel-Serie "Kottan ermittelt", die in den 80er Jahren auch in Deutschland erfolgreich die Lachmuskeln strapazierte. Aber sonst? Sonst kommen einem beim Stichwort österreichische Filmproduktionen dann doch in erster Linie immer noch Heimatschnulzen, Peter Alexander und Sissi in den Sinn.
Stefan Ruzowitzky würde das mit "Die Hölle - Inferno" sicher gerne ändern. "Der Anspruch war, wenn man so was macht, dann muss das auch auf einem internationalen Niveau sein. Da kann man nicht sagen, für Österreich ist das eh ganz gut, sondern, das muss krachen", bekannte der Regisseur in einem ORF-Interview unumwunden, dass er mit seinem Thriller hoch hinaus will. Dass er nicht die verkehrteste Person ist, um sich ein derart ambitioniertes Ziel zu setzen, hat der Wiener schon einmal unter Beweis gestellt: 2008 räumte sein Streifen "Die Fälscher" bei der Oscar-Verleihung die Trophäe für den besten fremdsprachigen Film ab.
Hauptrolle für Violetta Schurawlow
Doch ganz ohne Unterstützung aus dem Nachbarland kommt Ruzowitzky dann auch nicht aus. So holte er für die Verkörperung der schlagkräftigen Taxifahrerin Özge Dogruol Shooting-Star Violetta Schurawlow an Bord. Die wurde zwar in Usbekistan geboren, ist seit ihrem fünften Lebensjahr jedoch ein rheinländisches Mädel. Nach Auftritten in Filmen wie "Alles ist Liebe", "Halbe Brüder" oder Til Schweigers "Honig im Kopf" meistert die 30-Jährige nun in "Die Hölle - Inferno" ihre erste Hauptrolle. Und das mit Bravour, denn sich in den Charakter der Österreicherin mit türkischen Wurzeln hinein zu versetzen, war für Schurawlow definitiv nicht ohne.
"Ich glaube, Özge und ich haben relativ wenig gemeinsam", lacht die Schauspielerin im Gespräch mit n-tv.de. Konnte sie in ihren bisherigen Rollen zumeist ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen, mutiert sie in dem Thriller zur weiblichen Kampfmaschine aus schwierigen Verhältnissen und mit reichlich wenig Sinn für Humor. Dafür musste sie sich nicht nur sprachlich den Dialekt einer Wienerin mit Migrationshintergrund draufschaffen, auch Thai Boxen musste sie erlernen und hart trainieren. "Und ich bin lange mit einem Tennisball unter dem Kinn herumgelaufen, um mir den vorgebeugten Gang einer Boxerin anzugewöhnen", verrät Schurawlow.
Doch nicht nur Schurawlow weiß zu überzeugen, sondern auch ihr Counterpart: Tobias Moretti als nicht minder mürrischer Kommissar Christian Steiner. Bekannt wurde Moretti, anders als seine Kollegin als gebürtiger Tiroler ein waschechter Österreicher, nicht zuletzt als Inspektor in der Fernsehserie "Kommissar Rex". Doch die Rolle des Schäferhundflüsterers hat der 57-Jährige lange hinter sich gelassen und sich im Film und auf der Bühne zum Charakterdarsteller gemausert.
Ritualmorde und eine mörderische Hatz
Ausgangspunkt der Handlung von "Die Hölle - Inferno" ist eine Reihe grausamer Ritualmorde an Prostituierten. Der Täter (Sammy Sheik) zieht seinen Opfern nicht nur die Haut ab, er gießt ihnen auch kochendes Öl in den Mund. Als Özge Dogruol zufällig einen der Morde in ihrem Nachbarhaus mitansieht, nehmen die Dinge ihren unheilvollen Lauf, denn auch der Killer hat bemerkt, dass er von der Taxifahrerin beobachtet wurde. Nun heftet er sich an die Fersen der unfreiwilligen Zeugin - es beginnt eine mörderische Hatz auf Leben und Tod. Hilfe aus ihrem Umfeld kann sich die junge Frau dabei kaum erhoffen. So bleibt sie auf den zynischen Kommissar angewiesen, der mit seinem demenzkranken Vater (Friedrich von Thun) jedoch noch ganz andere Probleme an der Backe hat, als den Beschützer für die introvertierte Özge zu mimen. Kann sie ihrem Verfolger entkommen? Und kann der Mörder zur Strecke gebracht werden?
"Die Hölle - Inferno" weckt Erinnerungen an Genre-Verwandte wie "Roter Drache", "Tattoo" und Co. Doch treibt der Serienmörder der Marke Hannibal Lecter sein Unwesen hier eben nicht in Baltimore oder Berlin, sondern im bis dato für Film-Verbrechen dieser Art eher ungewohnten Wien. Ein Wien, das von den Kameras in ein so düsteres Licht getaucht wird, dass es geradezu als ideale Kulisse für eine derartige Schauergeschichte daherkommt. Ja, sogar der stets irgendwo zwischen Granteln und Süffisanz pendelnde Wiener Schmäh passt auf einmal zu der finsteren Atmosphäre wie die Faust aufs Auge.
Sind die Mörder immer die Deutschen?
Und Ruzowitzky, der als Regisseur bei den deutschen Produktionen "Anatomie" und "Anatomie 2" schon einmal in ähnlich dunkle Abgründe abtauchte, holt auch sonst das große Besteck raus. So geizt der Film wahrlich nicht mit Action-Szenen, eine Verfolgungsjagd inklusive, die sich vor vergleichbaren Szenen in Hollywood-Blockbustern tatsächlich nicht verstecken braucht. Für Diskussionsstoff indes könnte ein spezieller Aspekt des Plots sorgen. Begangen werden die Morde im Film nämlich im Namen eines pervertierten Islam. Vor dem Hintergrund der realen Gräueltaten, die unter Berufung auf die Religion geschehen, birgt das durchaus einigen Zündstoff.
Oscar-Ambitionen wird "Die Hölle - Inferno" vielleicht nicht gleich haben. Die mag sich auch Schurawlow nicht zuvorderst ausrechnen. Für sie wäre es schon toll, wenn der Film, dessen Drehbuch sie von Anfang an fasziniert hat und mit dem sie sich für weitere Hauptrollen empfiehlt, gebührend Beachtung findet. Der Thriller, davor sei gewarnt, ist nichts für Weichgesottene. Für Freunde harter Kost ist er jedoch allemal zu empfehlen. Sein Ziel, einen international konkurrenzfähigen Schocker auf die Leinwand zu bringen, hat Ruzowitzky erreicht. Eines kann man dabei auch schon mal ausplaudern, ohne zu viel zu verraten: "I weiß eh, wer der Mörder is': der Piefke. Die Mörder san immer die Deitschen", meinte Josef Hader seinerzeit in "Komm, süßer Tod." Aber nein, in diesem Fall sind sie es nicht.
"Die Hölle - Inferno" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de