"Pingpong mit Ideen" Boy machen ein Album für die blaue Stunde
21.08.2015, 15:20 Uhr
Zürich, Hamburg, New York: Man kann nicht sagen, dass BOY nicht rumkommen.
(Foto: Debora Mittelstaedt)
Auf ihrem neuen Album "We Were Here" ist das Popduo Boy "größer, halliger und ein bisschen dunkler" geworden. "Es ist eher ein Nachtalbum", sagt Sonja Glass im Interview mit n-tv.de.
Vier Jahre nach ihrem Debütalbum "Mutual Friends" mit dem Ohrwurm "Little Numbers" lassen Valeska Steiner und Sonja Glass alias Boy wieder von sich hören. Fast zwei Jahre lang arbeiteten sie an "We Were Here", schrieben Melodien und Texte, um diese dann wieder zu verwerfen und ganz neu zu beginnen. Als die Muse sie nicht knutschen wollte, planten sie, zur Sinnesschärfung nach New York zu fliegen. Und blieben dann doch in Hamburg, um die Stadt so zu erkunden, als wären sie an der Alster nur zu Besuch. Mit den bei Herbert Grönemeyers Label Grönland Records unter Vertrag stehenden Musikerinnen sprach n-tv.de über offene Augen, Ideen-Pingpong und ein Aufweichen der eigentlichen Arbeitsteilung.
n-tv.de: Ihr nennt das Feilen an einem neuen Album "Forschungsarbeit": Geht ihr dabei wissenschaftlich vor?
Valeska Steiner: Wir haben mit den Songideen einfach viel Zeit verbracht, sie in verschiedene Gewänder gepackt und geguckt: Was steht ihnen am besten und was berührt uns? Wir drehen jeden Ton und jedes Wort sehr oft um.
Ihr habt euch dieses Mal schwergetan mit dem Schreiben – und dachtet erst, Hamburg sei schuld daran.
Sonja Glass: Nicht direkt Hamburg als Stadt. Wir waren an dem Ort, an dem wir wohnen und wo man oft nicht mehr mit offenen Augen durch die Gegend geht. Deswegen dachten wir: Hier gibt es nichts, was uns inspiriert, wir müssen nach New York. Da tobt das Leben, da warten Abenteuer und Geschichten auf uns. Dabei kann auch das nahe Umfeld aufregend sein, wenn man die Augen wieder öffnet und versucht, in Altbekanntem Neues zu entdecken.
Der aus dem Neuentdecken von Hamburg entstandene Song "New York" klingt auch nach einer Hymne an eure Freundschaft.
Steiner: Ja, er handelt auch davon, dass es nicht so sehr darum geht, wo man ist, sondern wie und mit wem man durch die Welt geht, wer einen mitnimmt und inspiriert.
Inwiefern inspiriert ihr euch gegenseitig?
Glass: Ich schreibe immer zuerst die Musik und entwickle die Ideen und gebe damit eine Emotion oder eine Stimmung an Valeska weiter.
Steiner: Und ich schaue: Was löst das in mir aus, zu was für einem Text regt es mich an? Den schicke ich Sonja dann zurück. Und so geht es hin und her, wir spielen Pingpong mit Ideen.
Als ihr über einen neuen Ort zum Arbeiten nachgedacht habt, war Valeskas Heimatstadt Zürich da auch Thema?
Steiner: Ich habe mir die Zeit zwischen Hamburg und Zürich eh aufgeteilt. Ich habe in Zürich viele alte Freunde und bin viel mit ihnen unterwegs, wenn ich dort bin. So habe ich unter anderem Geschichten gesammelt und aufgesaugt. In Hamburg habe ich verdaut und aufgeschrieben.
Deine Schweizer Freunde müssen also damit rechnen, dass sie nach einem intensiven Abend in einem Song auftauchen?
Glass: Valeska macht das geschickt. Nicht eins zu eins – aber da tauchen schon ein paar Geschichten und Bekannte auf.
Steiner: Viele merken das gar nicht. Es ist ja codiert. Ich will weder mich noch andere in den Songs zu sehr entblößen.
Für das Lied "Flames" hast ausnahmsweise du, Sonja, auch die Lyrics geschrieben.
Glass: Die Idee für den Text ist mir während des Schreibens der Musik gekommen, das war nicht mehr zu trennen. Wir haben dann entschieden, dass wir den Song zusammen singen. Ich sehe mich aber nicht als Sängerin und mir fällt texten schwer, darum hat es sehr lange gedauert, diesen Text fertigzustellen.
Ihr wollt mit diesem Album "einen Schritt weitergehen". Wie sieht dieser Schritt für euch konkret aus?
Glass: Das erste Album "Mutual Friends" war sommerlich und lichtdurchflutet. Wir sind jetzt ein bisschen dunkler geworden. Der Sound ist auch größer, halliger. Die Themen sind zum Teil ernsthaft, ohne schwer zu wirken. Es ist eher ein Nachtalbum - Valeska sagt gern, es passe gut zur blauen Stunde.
Dann lasst uns mal über die "ernsthafteren Themen" reden.
Steiner: Beim ersten Album war es so, dass ich nach Hamburg gezogen bin, als Kellnerin gejobbt habe, manchmal Heimweh hatte. Damals hat mich diese Aufbruchsstimmung bewegt. Dieses Mal sind wir von einer langen Tour zurückgekommen und wieder in die eigenen Leben getaucht. Und mussten uns dort wieder zurechtfinden.
Beim Berlin-Konzert neulich habt ihr sehr aufgeregt gewirkt.
Glass: Unser Produzent war da und da wir so viel von seiner Meinung halten, macht uns das nervös. Und wir hatten lange nicht mehr live gespielt. Nachdem wir zweieinhalb Jahre auf Tour gewesen waren, haben wir uns sehr zurückgezogen und komplett abgeschottet gearbeitet. Da muss man sich erst mal wieder ein bisschen an die Bühne gewöhnen.
Habt ihr euch in der Zeit nur unter euch beiden ausgetauscht?
Glass: Der Schreibprozess findet immer nur zwischen uns statt. Ich persönlich zeige Songs niemandem außer Valeska.
Steiner: Erst wenn wir anfangen zu produzieren, habe ich ein paar enge Vertraute, denen ich Zwischenstände zeige - zum Beispiel meiner Schwester.
Wenn du, Valeska, neue Musik von Sonja bekommst, hast du dann ein bestimmtes Ritual des ersten Hörens?
Steiner: Ich höre sie, wo immer ich gerade bin – und meistens sofort, weil ich total gespannt bin. Es ist für mich wichtig, nicht nur am Schreibtisch zu sitzen. Ich bin unterwegs, die Musik begleitet mich und ich denke über die Stimmung nach. Das dauert dann oft auch mehrere Wochen.
Mit Valeska Steiner und Sonja Glass sprach Nadine Emmerich.
Das Album "We Were Here" erscheint am 21. August - bei Amazon bestellen
Quelle: ntv.de