Neues Album "Joanne" Gaga war bei Lady Gaga gestern
21.10.2016, 14:53 Uhr
Werden die Fans bei ihrem neuen Album jubeln? Lady Gaga.
(Foto: Andrea Gelardin & Ruth Hogben / Universal Music)
Ist es das Alter? Oder der Wunsch, als Musikerin endlich richtig ernst genommen zu werden? "Joanne" heißt das neue Album von Lady Gaga. Ein Album, das man so definitiv nicht erwartet hätte.
Zum Schluss ist es nur noch ein warmes Rauschen. "Angel Down", der elfte und finale Song auf der regulären Ausgabe des neuen Lady-Gaga-Albums "Joanne", endet mit dem vertrauten Knistern von Vinyl, während die Nadel des Schallplattenspielers gerade in die letzte Rille einbiegt. Und das Geräusch aus der guten, alten und doch wieder ach so modernen analogen Zeit könnte geradezu ein Sinnbild für das sein, was soeben die knapp 40 Minuten zuvor aus den Boxen gedrungen ist.
Dass sich die gebürtige Stefani Germanotta den Status einer Stilikone erkämpft hat, seit sie 2008 mit "Poker Face" zu internationalem Ruhm gelangte, ist unbestritten. Das Paradiesvogel-Image ist hart erarbeitet - wer sonst würde sich schon gern Fleischlappen um die Hüften binden oder auf halsbrecherischen High Heels mit quasi senkrechten Füßen durch die Gegend staksen. Die Fans der Sängerin, die "Little Monsters", lieben sie dafür. Die Musik, die Lady Gaga auf ihren bisherigen drei Studioalben "The Fame", "Born This Way" und "Artpop" plus dem gemeinsamen Album "Cheek To Cheek" mit Jazz-Legende Tony Bennett vorgetragen hat, wurde da fast schon zur Nebensache.
Die perfekte Illusion
Bei Musik-Kritikern indes konnte Madame Gaga in der Vergangenheit selten landen. Kirmes-Techno und Plastik-Pop der New Yorkerin könnten in keinster Weise mit dem selbst erhobenen musikalischen Kunstanspruch Schritt halten. "Cheek To Cheek" kam eher als Nebenprojekt-Spinnerei daher, war aber schon ein Versuch der Lady, der Hitparaden-Falle zu entkommen und auch als Musikerin endlich ernst genommen zu werden. Und mit "Joanne" knüpft die mittlerweile 30-Jährige beinahe nahtlos daran an - vermutlich sieht auch sie das Ende der Zeit kommen, in der sie noch glaubhaft ein Halloween-Kostüm nach dem anderen spazieren führen kann.
Wer nur die erste Single aus dem Album, "Perfect Illusion", kennt, wird das kaum glauben. Der Song klingt schließlich so, wie man es von Lady Gaga gewöhnt ist - treibender Beat, Synthie-Bum-Bum, catchy Refrain. Doch das Lied ist eine Mogelpackung, die perfekte Illusion sozusagen. Mit dem Rest des Albums hat er wenig zu tun. Allenfalls "Diamond Heart" und "John Wayne" stoßen in ähnliche, wenn auch rockigere Tanzflächen-Gefilde vor. An beiden Songs hat übrigens kein Geringerer als Kyuss-Gründer und Queens-Of-The-Stoneage-Kopf Josh Homme mitgeschrieben.
Von Beck bis Florence Welch
Überhaupt hat sich Lady Gaga bei dem Album die Unterstützung vieler, auf den ersten Blick vielleicht nicht allzu sehr artverwandter Künstler geholt. Die Reggae-Anklänge bei "Dancin' In Cirles" etwa stammen tatsächlich unter anderem aus der Feder von - hey, I'm a loser baby - Beck. Und beim funky "Hey Girl" - bei dem man schon fast Kool & the Gang aus der Kiste springen wähnt - war Florence Welch, Sängerin von Florence + The Machine, nicht nur am Schreibprozess beteiligt. Sie schmettert den Song auch mit Lady Gaga im Duett. Die Produktion von "Joanne" übernahm in weiten Teilen der britische Starproduzent Mark Ronson, ansonsten in der Vergangenheit etwa für "Back To Black" von Amy Winehouse ebenso mitverantwortlich wie für "Unorthodox Jukebox" von Bruno Mars oder "New" von Paul McCartney.
Rock, Reggae, Funk - damit ist die musikalische Palette von "Joanne" aber bei weitem noch nicht abgearbeitet. Auch bei den übrigen Songs singt und swingt sich Lady Gaga praktisch einmal quer durch die Musikgeschichte. "A-Yo" tänzelt irgendwo zwischen Hip-Hop und Big-Band-Sound, "Sinners Prayer" mutet mit Kontrabass und Harmonika wie eine Gangster-Ballade an, bei "Million Reasons" legt sich Gaga ein Country-Timbre zu, bei "Come To Mama" kommt der Gospelchor ums Eck und der Titelsong "Joanne" erweckt die Sehnsucht nach Chansons der 60er-Jahre.
Keine Frage, die Lady legt bei ihrem neuen Album die Brechstange an ihr bisheriges musikalisches Image an. Vieles erschließt sich dabei erst nach mehrmaligen Durchlauf der Songs. "Joanne" ist gewöhnungsbedürftig. Und auch wenn manche Kritiker darauf gnädiger reagieren dürften als auf die Pseudo-"Artpop"-Ergüsse der Sängerin in der Vergangenheit, für manchen eingeschworenen Fan vermutlich zu gewöhnungsbedürftig.
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Quelle: ntv.de