Albert Hammond auf Tour "Ich bin der glücklichste Mensch"
24.10.2016, 15:50 Uhr
Liebt seine Songs wie seine Kinder: Albert Hammond.
(Foto: David von Becker)
Dieses Interview ist äußerst belebend. Kaum jemand hat so viele Hits geschrieben wie Albert Hammond; Songs, die er sowohl selbst sang als auch von Kollegen interpretieren ließ. Und kaum jemand hat bei einem Interview so viel gesungen, wie der 72-jährige Albert Hammond, der seine Lieder liebt wie eigene Kinder: "When I Need You" (Leo Sayer), "One Moment In Time" (Whitney Houston), "Nothing's Gonna Stop Us Now" (Starship), "The Air That I Breathe" (Hollies), "99 Miles" (Art Garfunkel), "I Don’t Wanna Lose You, Way of the World" (Tina Turner), "When You Tell Me That You Love Me" (Diana Ross) und natürlich "The Free Electric Band", "It Never Rains In Southern California" oder "I'm A Train". Jetzt geht er mit den Kindern, die inzwischen wirklich schon groß geworden sind, auf Tour. Und die ganze bucklige Verwandtschaft ist dabei - sprich: ein Orchester. Denn Albert Hammond klingt nun symphonisch. Über Lieblingssänger (viele), verpasste Chancen (kaum) und das Lächeln vor dem Zubettgehen hat n-tv.de mit dem Künstler vor prächtiger Kulisse - am Berliner Gendarmenmarkt - gesprochen. Und gesungen.
n-tv.de: 12 Songs, die man kennt, und doch sind sie irgendwie neu. Nach einer derart beachtlichen Karriere wie Ihrer, ist es da nicht schwer, seine liebsten Songs aus allen herauszufiltern?
Albert Hammond: Das klingt ein bisschen abgedroschen, das ist mir klar, aber es ist nunmal so - diese Lieder sind wie meine Kinder. Ich liebe sie alle gleich, aber einige sind einfach ein bisschen erfolgreicher als die anderen. Man liebt so einen Song einfach, wenn man ihn selbst geschrieben hat.
So viele Interpreten haben Ihre Lieder gesungen - gibt es einen oder eine, die sie gern "gehabt" hätten, aber nicht bekommen haben? Jemand wie Barbra Streisand oder ähnliche Kaliber?
Oh, ja, eigentlich jeder, der nicht meine Lieder gesungen hat, das tut mir natürlich leid (lacht). Spontan denke ich da an Elvis …
… zu spät …
… Frank Sinatra …
… zu spät …
… Michael Jackson, David Bowie, Prince …
… alle zu spät …
… da sind so viele! Aber ich bin auch schon sehr glücklich mit denen, die meine Songs gesungen haben! Das ist ein wunderbares Gefühl, zu wissen, dass man seine Lieder an andere weitergeben konnte, und die dann Erfolg damit haben, das ist großartig.
Haben Sie dann nicht manchmal gedacht: "Das hätte ich ja mal lieber selbst singen sollen?"
Nein, ganz im Gegenteil, ich bin der glücklichste Mensch, dass Tina Turner, Whitney Houston, Céline Dion, Diana Ross, Julio Iglesias, Johnny Cash, dass sie alle meine Songs gesungen haben, etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können! Für mich war das eine große Ehre, absolut!
Sie singen jetzt zum Beispiel: "One Moment in Time" - das bringen wir alle so sehr mit Whitney Houston in Verbindung. Ist es nicht schwer, den Titel zu singen, nachdem sie ihn zu ihrem gemacht hatte?
Nein, überhaupt nicht! Denn ich mach das ja ganz anders. Bei mir ist das keine Performance, ich denke, ich gehe da noch tiefer. Weil er eben auch aus meiner Feder stammt. Manchmal muss ich fast weinen, weil ich mich dann ja auch an früher erinnere.
"It Never Rains In Southern California" - das Lied stammt aus den Siebziger Jahren. Was fühlen Sie jetzt, wenn Sie zurückdenken? Interpretieren Sie das ganz anders als früher?
Ja, ein bisschen, aber eigentlich bin ich mir da ziemlich treu geblieben. Glücklicherweise hat sich meine Stimme auch gar nicht so sehr verändert. (zögert) Oder doch, sie ist besser geworden, finde ich (lacht). Es hat jedenfalls nicht lange gedauert, das jetzt aufzunehmen. Ich habe da 50 Jahre Erfahrung auf dem Buckel, das will schon was heißen. Wahrscheinlich ist das jetzt alles mit mehr Gefühl.
Ihre Zusammenarbeit mit dem Leipziger Symphonie-Orchester - wie kam es dazu?
Für die Bühne hält sich Hammond fit - mit Sport, wenig Alkohol und Verzicht auf Zigaretten.
(Foto: David von Becker)
Ich hatte einen Traum von einem symphonischen Album. Mein Gedanke war immer: Wie hätte Beethoven das gemacht, damals? Oder Mozart? Oder Bach, Schubert? Es war einfach ein Traum, den ich seit Jahren hatte. Und dann habe ich in meiner Plattenfirma den perfekten Partner dafür gefunden, weil sie mir die Gelegenheit gab, das Projekt tatsächlich in die Tat umzusetzen. Ich bin ja kein vielversprechender Jungspund mit tollen Karriere-Aussichten, sondern ein 72-Jähriger Mann, der das Meiste bereits hinter sich hat (lacht). Aber die haben etwas gesehen, genau das, was ich auch gesehen habe, nämlich, dass wir so einige Leute damit glücklich machen könnten. Die wissen auch, dass ich fit bin - letztes Jahr habe ich 140 Konzerte gespielt. Also jeden dritten Tag.
Das ist viel. Und ich bin froh, dass es nicht diese "Pop Goes Klassik"-Nummer geworden ist …
Oh nein, das ist meine Musik mit einem großartigen Orchester dahinter, das ist alles. Das ginge bei den Songs, die ihren Erfolg bereits in der Tasche haben, auch gar nicht anders.
Sie sprechen ja offen über Ihr Alter - haben Männer Ihres Kalibers eigentlich eine ganz spezielle Energie? Man schaue sich nur Udo Lindenberg, die Rolling Stones, Paul McCartney oder Phil Collins an.
Ja! Das kann ich unterstreichen. Es ist aber nicht nur die spezielle Energie, sondern eine ganz spezielle Liebe: zur Musik und für das Publikum. Ich denke, am Ende des Tages würden wir alle lieber auf der Bühne sterben als mit der Fernbedienung in der Hand. Wir wollen nicht gehen! Wir wollen leben! Ich will nicht von der Bühne. Also ich bleib' auch die ganze Nacht, wenn mein Publikum das möchte (lacht).
Tun Sie denn viel für Ihre Gesundheit?
Ich gebe immer alles! Und ich mache natürlich Sport. Ich laufe, immer zwischen drei und zehn Kilometern. Ich ernähre mich gesund, trinke viel Wasser, wenig Alkohol. Mal ein Glas Rotwein.
Das war aber nicht immer so …
(lacht) Nein, aber seit ein paar Jahren! Und ich habe aufgehört zu rauchen. Seit ich 60 bin, rauche ich nicht mehr.
Ihr Sohn, der spielt bei den Strokes. Haben Sie ihm eigentlich abgeraten Musiker zu werden?
Nein, um Gottes Willen, warum sollte ich das tun? Das ist auch seine Leidenschaft. Ich habe ihn mit neun Jahren mit in die "Buddy Holly Story" genommen, in London. Buddy Holly war mein Idol. Und dann habe ich ihm die ersten Akkorde auf der Gitarre beigebracht. Er hat angefangen, etwas zu studieren, aber es war schnell klar, dass er viel zu sehr Musiker ist. Also habe ich ihm gesagt, dass er das dann wohl durchziehen muss. Studieren kann er doch immer noch.
Sie sind ein Reisender, geboren in Gibraltar, lange lebten Sie in London, jetzt in Los Angeles. Was für eine Sichtweise haben Sie auf die Ereignisse im Moment, wenn es um Fremdenhass geht, um die Angst vor "den anderen" …
Ja, das ist alles schrecklich, richtig. Aber wenn man einen Blick zurückwirft, dann muss man sagen: Vor 100 Jahren war es noch viel schlimmer! Und ganz ehrlich: Wir sind doch selbst Schuld. Wir, das Volk, um es mal so auszudrücken, haben unseren Politikern doch viel zu viel Freiraum gegeben, wir haben zu vieles durchgehen lassen.
Was ist Ihr Rat?
(lacht) Na ja, ich habe einen Song geschrieben, schon vor Jahren: "Give A Little Love". Dieser Song ist mir sehr wichtig, und deswegen ist er jetzt auch auf dem Album. Wir müssen uns mehr anstrengen, alle miteinander. Auf dieser Welt gibt es genug zu essen, genug Wasser, genug Liebe, nur die Verteilung ist ungerecht. Wir sind in einigen Ecken der Welt viel zu gierig, dabei müssten wir viel mehr teilen.
Ein hehrer Gedanke!
Ja, aber es ist doch so: Wenn alle Tiere tot sind, das Gemüse verdorrt ist und das Wasser weniger wird - was sollen wir dann tun? Wir können doch kein Geld essen! Wir können unser Geld übrigens auch nicht mit ins Grab nehmen.
Sind Sie noch nervös vor einem Auftritt?
Ja, schon. Aber es ist gut, aufgeregt zu sein, das gibt mir eine ganz spezielle Energie. Und da ich schon immer auf die Bühne wollte, ist es einfach genau das, was ich tun möchte.
Haben Sie Rituale?
Ich spreche häufig mit meiner Mutter. Sie ist über 90, und dass sie noch da ist, ist ein großes Geschenk.
Gehen Sie nicht mit einem riesigen Lächeln ins Bett, bei all dem Erfolg, den Sie gehabt haben?
Ob ich lächle oder nicht hängt ganz stark davon ab, mit wem ich ins Bett gehe (lacht)!! Im Ernst, ich bin ein Glückspilz! Aber ich schlafe nicht viel, ich habe einfach noch zu viel vor.
Mit Albert Hammond sprach Sabine Oelmann
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Albert Hammond ist bis Ende April 2017 auf Deutschland-Tour, für die nächsten Shows gibt es noch Resttickets:
25.10. Leipzig
26.10. Magdeburg
28.10. Gießen
29.10. Wilhelmshaven
30.10. Berlin
2.11. Fulda
Quelle: ntv.de