Musik

Giesinger und die Fußball-Romantik "Ich geh' mal stark vom Finale aus!"

Max Giesinger hat durchgehalten, jetzt gibt ihm der Erfolg recht. Sein Song "80 Millionen" ist zur EM-Hymne geworden.

Max Giesinger hat durchgehalten, jetzt gibt ihm der Erfolg recht. Sein Song "80 Millionen" ist zur EM-Hymne geworden.

(Foto: Klaus Sahm)

Max Giesinger hat sich sein halbes Leben lang vorbereitet auf das, was er nun genießen darf: einen kleinen Hype um seine Person und vor allem um seine Musik. Sein Song "80 Millionen" gehört schon jetzt zu den ganz großen Ohrwürmern des Jahres - vielleicht weil Max' hübsche Namensvetterin Stefanie Giesinger im Video so bezaubernd durch die Großstadt stiefelt, sicher weil der Song einfach gut ist. Zur Europameisterschaft hat der Track ein Fußball-Make-Over bekommen und der wird ebenfalls überall rauf und runter gespielt. Mit n-tv.de spricht Max Giesinger über seine Fußball-Leidenschaft und den Unterschied zwischen schön und Schlager.

n-tv.de: Du bist ja gerade viel unterwegs. Was vermisst du am meisten an den eigenen vier Wänden?

Max Giesinger: Ich bin eigentlich sehr gerne unterwegs. Wenn man diese Eigenschaft nicht hat, ist das Musikertum eh nichts für einen. Wenn ich mal drei, vier Tage in Hamburg bin, dann habe ich wieder Bock darauf, irgendwo anders zu sein. Man muss jetzt diese Momente nutzen, am Start sein und alles mitnehmen. Man hat schließlich jahrelang darauf hingearbeitet, dass es mal abgeht.

Stimmt, gerade stehst du auf großen Bühnen. Aber du hast ja auch schon wesentlich bescheidenere Gigs gespielt. Vor ein paar Jahren hast du in Australien als Straßenmusiker dein Geld verdient. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?

Ich habe gelernt, um das Publikum zu kämpfen - egal, ob da 15 Leute stehen oder 100 oder 1000. Du musst immer 100 Prozent abliefern. Die Leute merken, wenn du nicht ganz am Start bist.

An der Straßenecke beginnt so ein Auftritt dann mit null Zuschauern …

Da kannte mich ja keine Sau! Da konnte man wirklich nur mit Stimme und Gesang überzeugen. Am Ende waren da dann aber schon mal so 50, 60, 70 Leute. Ich glaube, das war schon eine sehr, sehr gute Schule.

Und du bist noch durch eine ganz andere Schule gegangen: die Casting-Schule. Du hast bei der ersten Staffel von "The Voice of Germany" mitgemacht. Würdest du so etwas auch anderen Musikern empfehlen?

Casting-Shows sollten für angehende Musiker eher Plan B sein, findet Max Giesinger.

Casting-Shows sollten für angehende Musiker eher Plan B sein, findet Max Giesinger.

(Foto: Klaus Sahm)

Ich sag's mal so: Mittlerweile kann man Castingshows gar nicht mehr wegdenken. Das ist ja schon seit zehn bis zwölf Jahren eine Plattform, über die Leute versuchen, ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist aber wesentlich schwieriger geworden, weil jetzt viel mehr Leute diesen Weg gehen. Das macht es auch schwieriger, da von irgendwem entdeckt zu werden. Ich würde den Leuten raten: Probiert's erst mal so ein paar Jährchen. Wenn dann nichts geht, kann man es ja mal bei einem dieser Formate versuchen.

Deinen Fans hast du einiges zu verdanken. Mit ihrer Unterstützung hast du per Crowdfunding dein erstes Album "Laufen lernen" finanziert. Warst du dir von vornherein sicher, dass genug Geld zusammenkommen würde?

Am Anfang überhaupt nicht! Ich wollte diesen Betrag weiter unten ansetzen, weil ich nicht so genau wusste, wie viele Leute jetzt wirklich Bock auf meine Platte haben. Ich wollte eigentlich nur 5000 Euro ansetzen, dann wurden es aber doch 10.000 Euro und am Ende noch um einiges mehr. Es reichen ja im Prinzip auch schon 200 bis 300 "Believer", die Bock drauf haben. Schon ist die Platte finanziert.

Mittlerweile dürftest du diese Unterstützung binnen weniger Stunden bekommen. Du erlebst ja gerade einen kleinen Hype um deine Person. Bereitest du dich darauf vor, dass es danach irgendwann mal wieder runter geht?

Das Gute ist, dass ich die Erfahrung nach "The Voice" schon mal gemacht habe und ich jetzt einfach viel, viel besser damit umgehen kann. Ein Glück, dass ich nicht mehr 20 bin. Das gerade ist gefühlt kein kleiner Hype, sondern ein richtig großer - ganz anders als damals.

Wie war's denn damals?

Wir haben 2011 in großen Läden gespielt. 2012 ging's dann direkt wieder ein bisschen runter. Da bin ich trotzdem dran geblieben. Man kennt das ja auch von anderen Musikern. Du hast eine Platte oder eine Single, dann kann's auch erst mal wieder ein Jahr still werden. Dann schreibst du die nächste Platte. Ich glaube so eine Verschnaufpause ist aber auch ganz gut. Man braucht irgendwann mal wieder Raum für sich, um wieder neue Kraft zu schöpfen - und vor allem Kreativität fürs nächste Album.

Woher nimmst du dein Durchhaltevermögen?

"Der Junge, der rennt" heißt das aktuelle Album von Max Giesinger.

"Der Junge, der rennt" heißt das aktuelle Album von Max Giesinger.

(Foto: Sony Music)

Das frage ich mich auch. Weite Teile meines Lebens über bin ich nämlich nicht so ehrgeizig gewesen. Wenn, dann war das immer auf die Musik fokussiert. Ich hatte schon als ganz junger Teenie im Kopf, dass ich irgendwann mit Musik bekannt werden will. Das war schon immer mein Traum Nummer eins. Dafür habe ich alles gemacht und gegeben. Seit ich meine ersten Gigs gespielt habe, wusste ich: Okay, du gehörst auf die Bühne, das ist dein Ding, nichts macht dich so krass glücklich. Und deswegen dachte ich mir so: Yo, schreibst du einfach mal ein, zwei Platten. Guckste, was passiert.

Du hast ja auch mal versucht, was "Richtiges" zu machen, und angefangen, bei einer Bank zu arbeiten. Das ist ja nicht so gut gelaufen - oder eben genau richtig!

Man muss manchmal Erfahrungen selbst machen und erkennen: Das ist definitiv nichts für mich. Danach kann man noch gefestigter seinen eigentlichen Weg verfolgen. Die Bank-Sache war ein bisschen von meinen Eltern gepusht: "Oh Max, du weißt ja nicht, wie lange das Musikding noch läuft." Ich habe das damals zwei Wochen lang ausprobiert und mich wie ein Außerirdischer gefühlt.

Musste sich schon mal vor lauter Scham unterm Bankschalter verstecken: Max Giesinger.

Musste sich schon mal vor lauter Scham unterm Bankschalter verstecken: Max Giesinger.

(Foto: Klaus Sahm)

Quatsch, dir steht bestimmt auch ein Anzug gut.

Mag sein, bloß kam irgendwann eine befreundete Metall-Band in die Filiale. Da habe ich mich dann wirklich unterm Schalter versteckt, weil mir vor denen peinlich war, dass ich meinen Traum aufgegeben hatte. Da wusste ich: Yo, jetzt hörst du auf damit. Allein um 6.30 Uhr aufzustehen - das war ganz furchtbar für mich.

Wenn's mit der Musik irgendwann doch nicht mehr hinhauen sollte, könntest du es ja im Marketing versuchen. Eine EM-Version von deinem Hit "80 Millionen" rauszubringen, war schon ein ziemlicher Geniestreich. War das deine Idee?

Ich habe den Text auf jeden Fall so umgeschrieben. Ich dachte mir auch, dass so eine Version vielleicht ganz geil wäre. Aber dabei ist es halt auch wichtig, dass es irgendwie authentisch bleibt. Wäre ich überhaupt kein Fußballfan, dann könnte ich nicht auf den Fanmeilen stehen und den Song glaubhaft rüberbringen. Es kamen halt echt schon bei der Ursprungsversion viele Anfragen von Leuten rein, die meinten: "Ey, das hört sich an wie ein EM-Song!"

Ach, wirklich?

Ja, da war der Weg ja auch gar nicht mehr so weit. Alle wollen die große Liebe finden, Liebe zum Fußball … (lacht) Im Fußball gibt es so ein Gemeinschaftsgefühl, dass alle hinter dem Team stehen. Da werden mal alle Differenzen über eine Zeit vergessen, die eine Nation sonst so umtreiben. Ich habe etwa 15 Prozent des Textes geändert. Mir war wichtig, dass ich eben nicht alles umschreibe und alle Spielernamen aufzähle oder so. Es sollte eine charmante Version bleiben. Hat irgendwie ganz gut hingehauen, ne?

Nette Gesichter hast du auf jeden Fall ausgesucht fürs Video. Gutes Casting!

Das sind alles meine Freunde, also die meisten. Musiker, die besten Kumpels.

Jetzt ist die deutsche Mannschaft ja in der EM schon ziemlich weit gekommen. Wie lang geht's denn deiner Meinung nach noch gut?

Ich geh' mal ganz stark vom Finale aus! Da brauchen wir einfach den Glauben, sonst braucht man gar nicht antreten. Ich würde mich natürlich freuen, wenn sie's packen. Ich fiebere auch ordentlich mit. Leicht wird es auf jeden Fall nicht.

Vielleicht helfen deine Worte ja ein bisschen in puncto Motivation. "Hinter euch stehen 80 Millionen", singst du in der EM-Version. Klingt alles immer noch sehr schmusig. Könnte aber auch einfach daran liegen, dass du auf Deutsch singst.

Klar, im Deutschen kommt das wesentlich krasser durch. Bei einer englischsprachigen Liebesballade hört ja niemand so richtig auf den Text. Ich feiere einen Song schon auch mal drei Monate, ohne mich je wirklich mit dem Text beschäftigt zu haben. Im Deutschen ist das alles viel direkter. Du musst viel mehr auf deine Wortwahl aufpassen, weil es dann auch schnell ins Schlageresque übergeht.

Und das will ja wirklich niemand …

Es ist wirklich schwer, einen Liebessong zu schreiben, der nicht cheesy und schlagermäßig ist! Ich glaube, das ist mir mit der Nummer aber ganz gut gelungen. Es gibt ein paar kleine Details, die nicht jeder so schon tausendmal gehört hat.

Triffst du denn auch privat in Sachen Romantik den Ton?

Ich bin im Real Life jetzt nicht der Überromantiker, der irgendwie mit seinem Mädel auf 'nem Tretboot übern Fluss fährt und am Strand dann ein Lagerfeuer vorbereitet hat, wo so Herzchenraketen hochgehen - so was würde ich nicht machen. Deswegen versuche ich das mit meiner Musik zu kompensieren. Da kann ich durchaus romantisch sein, glaube ich.

Ist ja auch ein guter Kniff:  Männer, die singen und eine Gitarre in der Hand halten können - das wird für immer und ewig funktionieren.

Hoffen wir mal!

Mit Max Giesinger sprach Anna Meinecke.

"Der Junge, der rennt" von Max Giesinger bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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