Musik

Die Kunst des Loopings Tash Sultana lullt dich ein

Ausverkaufte Hallen und jetzt auch ein Debütalbum: Tash Sultana.

Ausverkaufte Hallen und jetzt auch ein Debütalbum: Tash Sultana.

(Foto: Sony Music)

Die Frau ist ein Phänomen. Ach, nein, Frau will Tash Sultana nicht genannt werden, nur Tash. Also nochmal: Tash Sultana ist ein Phänomen. Mit Loop-Sounds wird Tash erst zum Youtube-, dann zum Live- und jetzt auch zum Album-Star.

Wenn man mit Musikern spricht, sind bestimmte Wünsche und Vorgaben nichts Ungewöhnliches. Dieses oder jenes Thema solle bitte ausgespart bleiben, heißt es dann zum Beispiel. Man möge doch auf Bezüge zum Privatleben verzichten. Oder es wäre schön, wenn man für den Artikel ausschließlich die schicken Promo-Fotos verwenden würde, die einem bereitgestellt werden.

Die Bitte, die vom Management von Tash Sultana formuliert wird, ist dagegen schon sehr außergewöhnlich. Tash sei "non-binär" und rechne sich deshalb weder der Kategorie "Mann" noch "Frau" zu. Deshalb solle in Artikeln doch bitte stets von "Tash" gesprochen werden und nicht von "Er" oder "Sie". Nun gut, das ist eine Herausforderung und liest sich zweifelsohne etwas sperrig. Aber wir versuchen es einfach mal.

Die "Ein-Personen-Show"

Tash Sultana, so viel lässt sich ohne Übertreibung sagen, ist ein Phänomen. 1995 in Australien geboren, beginnt Tash schon im Kindesalter mit Musik. Tash spielt auf Melbournes Straßen, in diversen Bands und beginnt alsbald in den sozialen Netzwerken mit der Veröffentlichung von Musikvideos, die in Tashs Zuhause entstehen und unter dem Motto "Live Bedroom Recordings" ("Schlafzimmer-Live-Aufnahmen") zusehends für Furore sorgen.

Schließlich ist Tash eine "Ein-Personen-Show", die sich intensiv das Stilmittel des Loopings zu Eigen gemacht hat. Dabei werden Sequenzen der Musik abgespeichert und in der Folge wiederholt wiedergegeben. So lassen sich auch von nur einer einzelnen Person verschiedene Instrumente in einen Song einbauen, sodass letztlich ein komplexes Soundgebilde entsteht. Ein anderer, der das Looping perfektioniert und es damit zu Weltruhm gebracht hat, ist Ed Sheeran.

Als Tash 2016 einen Clip des Songs "Jungle" online stellt, räumt das Video in nur fünf Tagen mehr als eine Millionen Klicks ab. Bei Youtube verzeichnet die "Schlafzimmer-Aufnahme" von "Jungle" bis heute nahezu 25 Millionen Aufrufe. Längst tobt ein Hype um Tash. "Wie aus einem Junkie Australiens neuer Star wurde", berichtet etwa ein Kollege des Bayerischen Rundfunks bereits im vergangenen Jahr.

"Australisches Wunderkind"

Live ist Tash Sultana auf jeden Fall ein Erlebnis.

Live ist Tash Sultana auf jeden Fall ein Erlebnis.

(Foto: Sony Music)

Denn tatsächlich hat Tash eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Eine Vergangenheit, über die Tash im Interview jedoch ebenfalls nicht sprechen will. Fest steht gleichwohl: Als damaliger Junkie erleidet Tash mit 17 Jahren eine Psychose, die zu einer mehrere Monate dauernden Therapie zwingt. Nicht zuletzt die Musik ist es, die Tash zurück ins Leben hilft. Musik, die nicht nur von vielen Fans, sondern auch den Kritikern abgefeiert wird. "Australisches Wunderkind", "unglaublich talentiert" oder "eine fantastische Ausnahmeerscheinung" sind nur einige der Attribute, mit denen Tash überhäuft wird.

"Ich gebe nicht so viel darauf, was über mich geschrieben wird", relativiert Tash die Lobeshymnen im Gespräch mit n-tv.de. "Es gibt sicher Menschen, die solch eine Aufmerksamkeit genießen. Aber ich gehöre nicht dazu. Ich bin wirklich eine sehr private Person. Ich teile vielleicht gerade mal 10 Prozent von mir mit der Welt."

Leben auf der Überholspur

Doch so privat Tash auch gerne sein möchte - in den vergangenen ein, zwei Jahren überschlägt sich Tashs Leben. Das australische Branchenmagazin "The Industry Observer" hat mal nachgerechnet: In den vergangenen eineinhalb Jahren legte Tash auf Tour mehr als 400.000 Kilometer zurück (mehr als die Entfernung von der Erde zum Mond). Mehr als 8 Prozent von Tashs noch junger Lebenszeit fanden on the road statt. Macht das eigentlich noch Spaß?

"Momentan genieße ich das schon. Aber ich bin sicher nicht dafür gemacht, das für immer zu machen. Einfach, weil es kein nachhaltiger Lebensstil ist, hierhin zu fliegen und dorthin, im Hotel zu leben oder im Bus. Die Show selbst ist einfach, die Arbeit steckt darin, zu ihr zu kommen", erklärt Tash.

Aber die Arbeit lohnt sich, denn längst haben sich auch Tashs Live-Qualitäten herumgesprochen. Kaum eine Show, die nicht bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Dreimal hintereinander etwa verkauft Tash die "Brixton Academy" mit jeweils 5000 Zuschauern in London aus - und das, ohne überhaupt bereits ein Album veröffentlicht zu haben. Ein Rekord, denn das gelang vor Tash noch keinem Künstler. Und auch bei den fünf Deutschland-Konzerten, die Tash in diesen Tagen gibt, heißt es: Nichts geht mehr. Das Palladium in Köln ist ebenso dreimal hintereinander ausverkauft wie die beiden Shows, die Tash am Montag und Dienstag in der Berliner Columbiahalle spielt.

Debütalbum "Flow State"

Doch immerhin: Seit rund einer Woche ist es nun da, Tashs Debübtalbum, das auf den Namen "Flow State" hört. "'Flow State' beschreibt einen Geisteszustand", erklärt Tash den Titel. "Es geht um den Zustand, wenn man sich komplett in etwas verliert, wenn Zeit und Raum bedeutungslos werden. Zum Beispiel, wenn man ein Bild malt und alles herum, mit dem Bild verschwimmt. Bei mir ist das so mit der Musik. Wenn ich Musik mache, werde ich zu der Musik - das ist der 'Flow State'".

13 Songs sind auf dem Album, dem schon 2015 lediglich die EP "Notion" vorausgegangen war, enthalten. Alles neue Songs, die Tash in den spärlichen Tour-Pausen geschrieben hat. "Ich kann nicht schreiben, wenn ich auf Tour bin. Das funktioniert nicht. Ich muss dafür zu Hause und allein sein." Und auch wenn viele vor allem immer wieder auf Tashs Looping-Künste anspielen, ist die Palette der Songs doch deutlich breiter. "Ich loope nicht nur - auch nicht auf der Bühne. Manchmal ist es komplett akustisch, manchmal ist da nur die E-Gitarre, manchmal ist da nur die Stimme im A-cappella-Stil", erklärt Tash nicht nur den musikalischen Kosmos von "Flow State", sondern auch den der Live-Auftritte.

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Auch wenn die Faszination, die von Tash auf der Bühne ausgeht, nicht zuletzt auf der Präsenz der "Ein-Personen-Show" beruht, kann sich Tash durchaus vorstellen, in Zukunft auch einmal mit Band auf Tour zu gehen. "Aber nicht für die ganze Show - vielleicht halbe-halbe. Denn letztlich kann ich auch alles alleine machen", erklärt Tash selbstbewusst. Kein Wunder, schließlich beherrscht Tash an die 15 Instrumente nahezu perfekt. Nur bei einem hapert es. "Ich bin nicht sehr gut mit der Violine. Aber das wäre ich gern. Das ist eines der Instrumente, mit denen ich mich gerne noch intensiver befassen würde, weil sie diesen wundervollen klassischen Sound hat", so Tash.

Keine "verdammten Liebeslieder"

Von den oft zitierten Vergleichen mit Ed Sheeran hält Tash übrigens wenig, "Ich finde, dass ich überhaupt nichts von Ed Sheeran habe. Ich denke, er ist ein toller Typ, aber musikalisch doch ganz anders unterwegs. Ich schreibe keine verdammten Liebeslieder!", so Tash mit einem Lachen.

Dass man Tashs Musik, die alle möglichen Einflüsse von Electro bis Indie, von Jazz bis Folk, von Reggae bis Soul verbindet, überhaupt nur schwer zuordnen kann, hat einen Grund. Tash glaubt nicht an Genres. "Ein Genre ist wie ein Label. Aber ich glaube, alle meine Songs sind sehr unterschiedlich."

Da schließt sich dann letzten Endes auch wieder der Bogen zu Tashs Persönlichkeit. "Das spiegelt auch mich als Person wider", lautet die Erklärung. "Und das, weshalb ich sage, dass ich weder Frau noch Mann bin. Deine Mentalität und dein Wesen machen letztlich deine Identität aus - und nicht deine physische Erscheinung. Ich identifiziere mich nicht mit 'Frau'. Ich möchte nicht so genannt werden oder 'Lady' oder 'Mann' oder irgendetwas von diesem dummen Scheiß - man kann mich nicht mit so einem Label belegen. Und das Gleiche gilt für meine Musik. Ich bin einfach nur ein Mensch. Und meine Musik ist einfach nur Musik."

Tash Sultana ist ein Phänomen. Und das in mehr als nur einer Hinsicht.

Quelle: ntv.de

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