Bizarre Suche nach dem Glück Tukur-"Tatort" spaltet mal wieder
22.10.2023, 22:13 Uhr Artikel anhören
Möchte so gerne mit Gott telefonieren: Kommissar Murot (Ulrich Tukur).
(Foto: HR / Bettina Müller)
Kaum ein Sonntagabendkrimi dürfte so stark polarisieren wie der jährliche Experimental-"Tatort" mit Ulrich Tukur. "Murot und das Paradies" bildet da keine Ausnahme.
In wenigen Minuten einen gelungenen Dreh von peinlich-heiteren selbstgebackenen Vagina-Cupcakes bis in das bizarre Tiefgaragen-Labor einer mordenden Femme Fatale hinzubekommen - inklusive glückssüchtiger Investmentbanker mit vulvaförmigen Anschlüssen anstelle von Bauchnäbeln: Das muss man erstmal schaffen! Oscar-Preisträger Florian Gallenberger gelingt dieses Kunststück in seinem ersten "Tatort", ohne dass es auch nur ansatzweise aufgesetzt wirkt.
Und dazu noch jede Menge andere atmosphärische Kehrtwendungen auf engstem Raum: Kommissar Murot (Ulrich Tukur) liegt bei seinen Ermittlungen depressiv auf der Couch seines Analytikers (stark: Ex-"Tatort"-Ermittler Martin Wuttke), driftet im Weltraumanzug à la "Space Odyssey" durchs All, tötet frei nach "Inglourious Basterds" Hitler und deckt zwei Mörderinnen auf der eigenen Suche nach dem nächsten Schuss vom ultimativen Glück vor den eigenen Kollegen.
Bizarre Suche nach dem Glück
"Murot und das Paradies" ist bereits der 13. Fall des wahrscheinlich ungewöhnlichsten Kommissars, der je im "Tatort" ermittelte. Und auch diesmal durfte Ausnahme-Schauspieler Ulrich Tukur wieder so stark polarisieren, wie es seit Beginn der Reihe durchaus beabsichtigt ist: Am Sonntagabend gingen die Zuschauer mit Murot auf eine bizarre Suche nach dem Glück, die eher einem wilden Drogentrip als einem klassischen Krimi glich. Wer es schaffte, sich darauf einzulassen, wurde mit einem filmischen Kunstwerk belohnt, das aber auch - in Konzession an den Aufschrei nach früheren Experimental-"Tatorten" - als packender Thriller wunderbar funktionierte.
"Ich wollte einen 'Tatort' machen, der sein Publikum an Orte und Situationen entführt, die es so noch nie in einem 'Tatort' gegeben hat", sagt Gallenberger über seinen Film, bei dem er sowohl das Buch geschrieben als auch Regie geführt hat. "Also zu versuchen, diesem Flaggschiff des deutschen Fernsehens nach weit mehr als 1000 Folgen etwas Neues abzugewinnen und die Zuschauer zu überraschen und hoffentlich auch zu bereichern."
Nach 90 Minuten "Murot und das Paradies" kann man mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass Gallenberger alle Punkte bis auf den letzten erfüllt hat. Und selbst die Unzufriedenen unter den Krimifans durften am Sonntagabend mit einer Gewissheit mehr ins Bett gehen: "Es gibt keine unglücklicheren Menschen als die Banker."
Quelle: ntv.de