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50 Jahre "Polizeiruf 110" Verbrecher wie du und ich

Der erste Polizeiruf aller Zeiten: "Der Fall Lisa Murnau" aus dem Jahr 1971.

Der erste Polizeiruf aller Zeiten: "Der Fall Lisa Murnau" aus dem Jahr 1971.

(Foto: DRA/Bernd Nickel)

Am 27. Juni 1971 im DFF gestartet, entwickelte sich der "Polizeiruf 110" zu einem TV-Klassiker der DDR, der sogar die Wende überstand. Mit der großartigen Folge "An der Saale hellem Strande" wurde der 50. Geburtstag standesgemäß gefeiert - ein Blick in die Geschichtsbücher.

Während ihrer Nachtschicht wird die Postangestellte Lisa Murnau brutal zusammengeschlagen, anschließend öffnet der Täter den Tresor und entkommt mit 70.000 Mark. Oberleutnant Peter Fuchs und Leutnant Vera Arndt, gespielt von Peter Borgelt und Sigrid Göhler, ermitteln und machen Lisas Ex Rudi schließlich dingfest. "Der Fall Lisa Murnau" lautet der Titel der ersten "Polizeiruf 110"-Folge, ein gutes halbes Jahr nach der erfolgreichen "Tatort"-Premiere im Westen die kriminale TV-Antwort des Ostens. Es ist der Auftakt einer Erfolgsstory in spe, so nachhaltig populär, dass das Format sogar die Wende wegsteckt und in der ARD fast nahtlos weitergeschrieben wird. Eine televisionäre Leistung, die sonst nur noch nur dem Sandmännchen gelungen ist.

Im Oktober 1971 läuft mit "Die Schrottwaage" die zweite Folge, Anfang 1972 geht es eine Zeitlang monatlich weiter, dann wird es wieder unregelmäßiger. Aber der "Polizeiruf 110" ist auch ohne festen Rhythmus erfolgreich. Eines der Erfolgsgeheimnisse liegt von Beginn an in der Art der Fälle. Hier gibt es zumeist keine abgehobenen, von Masterminds ersonnenen Kapitalverbrechen, die Geschichten stammen vielmehr aus dem Alltag. Statt Mord und Totschlag in Serie, geht es oft auch um Alkoholmissbrauch und Sexualdelikte, um Jugendkriminalität und Kleinbetrüger. Das ist nicht die große, weite Welt der Schießereien und Verfolgungsfahrten, das ist der Alltag, das sind Menschen mit kleinen und großen Sorgen, real und nachvollziehbar. Verbrecher wie du und ich, wenn man so will.

150 Filme bis zum Ende der DDR

So wird auch Systemkritik möglich, unter dem Deckmantel des Genres, was anderswo kaum umsetzbar ist. "Hier wurden Geschichten erzählt und Konflikte entwickelt, die bei uns nie durchgekommen wären", erinnert sich Cooky Ziesche, damals in der Redaktion für Gegenwartsfilme, heute Leiterin der rbb-Filmabteilung. "Je erfolgreicher die Reihe wurde, desto mehr konnte man auch wagen." Fast 150 Filme kommen bis zum Ende der DDR zusammen, Peter Borgelt alias Peter Fuchs ist bis zum Schluss dabei.

Die letzte Folge im DFF: "Thanners neuer Job"

Die letzte Folge im DFF: "Thanners neuer Job"

(Foto: Bild: MDR/RBB)

Als die Mauer fällt - und mit ihr, neben so einigen Errungenschaft des Arbeiter- und Bauernstaats, auch die meisten TV-Formate - da ist es der Dauerbrenner "Polizeiruf 110", der sich als systemresistent erweist und weiterläuft, im Ersten Deutschen Fernsehen. "Thanners neuer Job" ist am 22. Dezember 1991 die letzte Folge, die im DFF läuft. Gut eineinhalb Jahre später, am 13. Juni 1993, geht es mit der MDR-Produktion "…und tot bist du" und Günter Naumann als Hauptmann Beck, seit 1988 bereits im Einsatz, erfolgreich weiter.

Fast 250 Folgen später nun, nach großartigen Ermittlern wie Schmücke und Schneider (Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler), Einzelkämpfern wie Jan-Gregor Kemp als Kriminalkommissar Keller und kultisch verehrten Typen wie Bukow und König (Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner), um nur einige zu nennen, waren Peter Kurth und Peter Schneider als Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch und Kriminalkommissar Michael Lehmann als Debütenten angetreten. Ihr erster Einsatz, "An der Saale hellem Strande", eine durchweg gelungene, um nicht zu sagen, fantastische Feierstunde, dem Anlass mehr als angemessen. Mit dem Autoren/Regie-Tandem Clemens Meyer und Thomas Stuber waren zwei absolute Experten des Formats für Inhalt und Umsetzung zuständig, Meyer zudem ein riesiger "Polizeiruf 110"-Fan, der kaum eine Folge, kaum eine alte Wiederholung verpasst.

Kurth interessiert am Ort Halle

Peter Kurth als Kommissar Henry Koitzsch

Peter Kurth als Kommissar Henry Koitzsch

(Foto: MDR/filmpool fiction/Felix Abrah)

"An der Rolle gereizt hat mich, dass sie mir die Möglichkeit gab, wieder mit Thomas Stuber und Clemens Meyer zusammenzuarbeiten und in der Stadt Halle gemeinsam in unser eigenes Universum einzutauchen. Da hat sich die Figur Henry Koitzsch fast organisch ergeben", erzählt Hauptdarsteller Peter Kurth. "Und dann ist es der Ort, der mich interessiert hat: Halle. Ein großer Teil meiner Familie ist hier aufgewachsen, ich bin als Kind immer schon in Halle gewesen. Mit dieser Stadt und den Menschen hier kann ich etwas anfangen. Und auf ein Zusammentreffen mit Peter Schneider habe ich mich auch sehr gefreut." Der besagte Kollege Schneider ergänzt: "Sehr schön finde ich, dass man dem Buch anmerkt, dass die Autoren eine Verbindung zu Halle und auch zu ostdeutschen Biografien haben. Da geht mir das Herz auf. Ich kenne Halle seit 1985 und habe immer wieder in irgendeiner Weise eine Verbindung zu der Stadt haben können. Sei es über die Musik oder über das Theater. Schön, dass da nun der 'Polizeiruf Halle' dazu kommt".

Noch ein schmuckes Detail für Kenner: Bei den eingeblendeten Zwischentiteln der Rückblenden und Einschübe handelte es sich um die Titel alter "Polizeiruf"-Folgen. Dass der Fall am Ende offen bleibt, ist ein weiterer Beleg für die Alltagstauglichkeit der Serie: Nicht immer gibt es einen Täter, ein Happy End, eine Lösung. In diesem Sinne: Happy Birthday, "Polizeiruf 110", auf die nächsten 50 Jahre.

Quelle: ntv.de

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