Panorama

Corona-Seuche grassiert weiter Deutschland schaltet runter

Die bisherigen Einschränkungen treiben bereits weltweit die Wirtschaft in die Rezession und in Deutschland die Arbeitslosigkeit voraussichtlich kräftig nach oben.

Die bisherigen Einschränkungen treiben bereits weltweit die Wirtschaft in die Rezession und in Deutschland die Arbeitslosigkeit voraussichtlich kräftig nach oben.

(Foto: picture alliance/dpa)

Als erstes Bundesland fährt Bayern das öffentliche Leben runter, weil sich Menschen nicht an die Abstandsgebote halten. Dabei meldet das RKI einen rasanten Anstieg der Infizierten-Zahlen. Am Sonntag will Kanzlerin Merkel über weitere Schritte entscheiden.

Im Kampf gegen das Coronavirus müssen sich die Menschen bundesweit auf weitere einschneidende Beschränkungen gefasst machen. Bayern verhängte als erstes Bundesland ab Freitag um Mitternacht zweiwöchige Ausgangsbeschränkungen. Viele Menschen hielten sich nicht an die Abstandsgebote, sagte Ministerpräsident Markus Söder in München. "Wir können das nicht mehr akzeptieren." Weitere Länder gehen in eine ähnliche Richtung. Über bundesweite Regelungen will Kanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefs der Länder am Sonntag beraten.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete derweil einen weiteren rasanten Anstieg der Infizierten-Zahlen. RKI-Chef Lothar Wieler sprach von einer für ihn selbst "unvorstellbaren" Krise. Nach Reuters-Informationen arbeitet die Bundesregierung an einem Rettungsschirm für Konzerne, der um die 500 Milliarden Euro umfassen könnte.

Weltweit grassiert die Seuche weiter und nimmt immer mehr Länder in den Griff. Der Schwerpunkt liegt nun auf Europa: In Italien sind offiziellen Angaben zufolge mit rund 3500 Menschen mittlerweile mehr gestorben als in China, dem Ursprungsland des Virus. In Deutschland schnellte die Zahl der Infizierten innerhalb weniger Tage auf mehr als 19.600 nach oben, bislang wurden 48 Tote registriert. Die Zahl werde aber schnell steigen, sagte RKI-Chef Wieler. Man stehe erst am Anfang. "Wir sind alle in einer Krise, die ein Ausmaß hat, das ich mir selber habe nie vorstellen können." Er zeigte sich schockiert, dass in Umfragen noch ein Viertel der Menschen die Lage nicht ernst nähmen.

Bayern prescht mit Ausgangsbeschränkung vor

Bayern verhängte daher als erstes Bundesland eine landesweite Ausgangsbeschränkung. "Wir fahren das öffentliche Leben in Bayern nahezu vollständig herunter", sagte Ministerpräsident Söder. "Bleiben Sie zu Hause. Gehen Sie nur in Ausnahmefällen raus." Weiterhin erlaubt seien notwendige Wege zur Arbeit, zum Arzt oder auch Spaziergänge allein oder mit der Familie. Auf Basis des bundesweit geltenden Infektionsschutzgesetzes können die Behörden bei Verstößen Bußgelder von bis zu 25.000 Euro verhängen.

Unter anderem Baden-Württemberg, Hessen und das Saarland gehen einen ähnlichen Weg. Wie Bayern schließt auch das Saarland ab sofort alle Restaurants und Gaststätten, die bundesweit noch von 06.00 bis 18.00 Uhr geöffnet sein dürfen. Lieferungen nach Hause seien weiter möglich, sagte Regierungschef Tobias Hans. Gemeinsame Spaziergänge in der Familie blieben möglich: "Niemand wird eingesperrt." Hessen will ab Samstagmittag nachziehen und ebenfalls alle Restaurants schließen.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nannte eine Ausgangssperre das allerletzte Mittel. Der Staat müsse sorgsam abwägen, wenn er Grundrechte einschränke, warnte er im WDR. Wenn man eine ganz große Ausgangssperre verhindern wolle, müsse man andere Bereiche womöglich weiter herunterfahren. So werde man sich anschauen, ob Friseurgeschäfte und Baumärkte weiter offen bleiben könnten.

Kanzlerin Merkel wird mit den Ministerpräsidenten der Länder am Sonntag über die Notwendigkeit weiterer Schritte beraten. Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte eine ernste und schonungslose Analyse der Lage an. Der Virologe Christian Drosten erwartet, dass die Ausnahmesituation ein Jahr dauern könnte. "Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen", sagte der Virologe von der Berliner Charité der "Zeit". "Aber man wird wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen genauso weiterführen, wie man sie jetzt gestartet hat."

Arbeitsmarkt gerät unter Druck

Die bisherigen Einschränkungen treiben bereits weltweit die Wirtschaft in die Rezession und in Deutschland die Arbeitslosigkeit voraussichtlich kräftig nach oben. Nach einer ersten Erhebung der Bundesagentur für Arbeit (BA) in dieser Woche haben rund 76.700 Betriebe Kurzarbeit angekündigt. Die Bundesregierung rechnet mit über zwei Millionen Kurzarbeitern.

Die Forscher der BA fürchten, dass im Jahresverlauf über drei Millionen Menschen arbeitslos sein könnten. Sie legen dabei einen sechswöchigen Stillstand zugrunde. Derzeit sind gut zwei Millionen beschäftigungslos gemeldet. Die Regierung plant daher einen 500 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds, der Firmen vor der Pleite bewahren soll, indem er Garantien für ihre Schulden ausspreche oder auch Kapital zuschieße.

Das Finanzministerium kündigte für Montag Entscheidungen an. Finanzminister Olaf Scholz von der SPD aber auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU schlossen für die schwer angeschlagenen Unternehmen zeitweise Verstaatlichungen nicht aus - auch um sie vor Übernahmen aus dem Ausland zu schützen. "Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern", sagte Altmaier. "Dabei darf es keine Tabus geben. Vorübergehende und zeitlich begrenzte Staatshilfen, bis hin zu Beteiligungen und Übernahmen müssen möglich sein."

Um die europaweit billionenschweren Ausgabenprogramme zu finanzieren, werden sogenannte Corona-Bonds der Euro-Länder ins Auge gefasst. Für diese Schulden haften dann alle Länder der Währungsgemeinschaft. Italien alleine würde beispielsweise für neue Anleihen deutlich höhere Zinsen zahlen müssen als im Verbund mit den übrigen Staaten. Deutschland hatte eine solche Mithaftung bislang strikt abgelehnt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte im Deutschlandfunk zu den Bonds: "Wenn sie helfen, wenn sie richtig strukturiert sind, werden sie eingesetzt."

Quelle: ntv.de, jki/rts

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