Politik

Mehr Pegida, weniger Lucke AfD auf dem Weg zu Hass und Wahn

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Mit deutschen, sächsischen und russischen Fahnen kämpft Pegida gegen den Islamismus - oder doch gegen den Islam?

(Foto: AP)

Die unterschiedlichen Reaktionen der AfD-Spitze auf das Massaker in Paris zeigen, wie gespalten die Partei ist. Während AfD-Gründer Lucke den Islam nicht verteufeln will, stellen seine Kollegen Gauland und Adam faktisch alle Muslime als Gefahr da.

Auf einmal kam es beim Gründungsparteitag der AfD zum Tumult. Mehrere AfD-Mitglieder versuchten, Fotografen daran zu hindern, einen Mann abzulichten, der sich mit schwarz-rot-goldener Schärpe ins Publikum gesetzt hatte. Der Mann sah exakt so aus, wie die AfD nicht sein wollte: auf dümmliche Art patriotisch. Solche Bilder wollte man nicht produzieren.

Schon vor dem Treffen hatte Parteigründer Bernd Lucke betont, die AfD komme "aus der Mitte des politischen Spektrums" und verorte sich "nicht ideologisch im Sinne eines Rechts-Links-Schemas". Dies war nicht nur als Abgrenzung nach rechts gemeint. Wichtiger war Lucke eine andere Botschaft: die AfD als "Partei des gesunden Menschenverstandes". Spinner und Verschwörungstheoretiker sollten draußen bleiben.

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Die Geister, die er rief... Bernd Lucke gehört mittlerweile zum liberalen Flügel der AfD.

(Foto: dpa)

Diese Strategie darf heute, knapp zwei Jahre später, als gescheitert gelten. Die Reaktionen der AfD-Spitze auf den Terroranschlag von Paris zeigen, dass ein kultureller Riss durch die Partei geht.

Lucke nimmt Islam in Schutz

"Der Anschlag gegen die Redaktion von 'Charlie Hebdo' ist ein abscheuliches Verbrechen und durch nichts zu rechtfertigen", erklärte Lucke an diesem Donnerstag. "Mein tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien." Gegen gewaltbereiten islamistischen Fundamentalismus müsse "mit allen Mitteln des Rechtsstaates vorgegangen werden". Bis zu diesem Punkt waren sicherlich auch seine Co-Parteivorsitzenden Konrad Adam und Frauke Petry sowie ihr gemeinsamer Stellvertreter Alexander Gauland einverstanden.

Doch die Pressemitteilung geht noch weiter: "Allerdings sollte auch mit Besonnenheit reagiert werden: Man darf nicht die Gewalttat zweier Extremisten einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht." Dieser Satz, der in anderen Parteien den Status einer leeren Phrase hätte, ist Sprengstoff für die AfD.

Gauland gibt Pegida recht

Am Vorabend hatte Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland eine ganz andere Erklärung abgegeben. "All diejenigen, die bisher die Sorgen vieler Menschen vor einer drohenden Gefahr durch den Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft." Und weiter: "Vor diesem Hintergrund erhalten die Forderungen von Pegida besondere Aktualität und Gewicht. Die Altparteien sollten sich sehr gut überlegen, ob sie bei ihrer Haltung, die Menschen von Pegida weiterhin zu diffamieren, bleiben wollen."

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Frauke Petry sieht Schnittmengen zwischen AfD und Pegida.

(Foto: dpa)

Doch bei Pegida geht es nur vordergründig um Islamismus - eigentlich geht es um den Islam. Welche "Forderungen" Gauland meint, geht aus seiner Presseerklärung nicht hervor. Vermutlich nicht die "19 Punkte", die von den Pegida-Organisatoren bislang nie vor ihren Anhängern verlesen wurden. Eher meinte Gauland das diffuse Unbehagen mit allem Fremden, das auf viele Menschen in Dresden und anderswo so anziehend zu wirken scheint.

Luckes Co-Parteisprecher Konrad Adam hatte sich nach der blutigen Geiselnahme in Sydney Mitte Dezember noch unverhohlener geäußert. Das Geiseldrama zeige, "dass es keiner Masseneinwanderung bedarf, um Menschen in Gefahr zu bringen - ein Einzelner genügt". Mit anderen Worten: Ein einziger Muslim ist schon zu viel.

Während Lucke also davor warnt, den Islam zu verteufeln, machen Gauland und Adam genau dies. Sie stellen die Muslime insgesamt (Gauland) oder sogar jeden einzelnen Muslim (Adam) als potenzielle Gefahr dar. Sie wollen die AfD zum Sprachrohr derer machen, die sich weder durch die Politik noch durch die Medien vertreten fühlen - und sie schließen dabei ausdrücklich auch jene ein, deren Weltbild auf Hass und Wahn basiert.

"Diese Menschen müssen wir mitnehmen"

Zumindest bei Gauland kann man davon ausgehen, dass er immun ist gegen jenes diffuse Unbehagen vor allem Fremden - dafür ist er einfach zu kultiviert. Ihm geht es um etwas anderes: Vor allem in Ostdeutschland gebe es Menschen, "die das Gefühl haben, in der öffentlichen Debatte mit ihren Vorstellungen nicht mehr vorzukommen", sagte Gauland vor einem Jahr. "Diese Menschen müssen wir mitnehmen, um eine Chance zu haben, sicher über die fünf Prozent zu kommen." In Sachsen, Brandenburg und Thüringen hat das dann ja auch wunderbar geklappt.

Noch vor einem Jahr gab es in der AfD Leute, die Lucke für "zu rechts" hielten. Heute repräsentiert er den liberalen Flügel - so sehr haben sich die politischen Koordinaten in der AfD verschoben. Die Kontakte zu Pegida waren nicht der Anfang dieses Prozesses, aber sie haben ihn offensichtlich gemacht und sie dürften ihn beschleunigen. Am Mittwochabend traf sich die sächsische Landesvorsitzende und AfD-Bundessprecherin Frauke Petry zu einem Gespräch mit sieben Pegida-Organisatoren. Solche Gespräche seien in Ordnung, hatte Lucke dazu gesagt, solange es kein Schulterschluss sei. Aber genau darum geht es. Am Morgen nach dem Treffen sagte Petry, es gebe "offensichtlich inhaltliche Schnittmengen". Für Gauland sind die Pegidisten sogar "die natürlichen Verbündeten" der AfD.

Ende Januar trifft sich die AfD in Bremen zu einem Bundesparteitag. Dort dürfte es Streit geben: Lucke will dort eine Satzungsänderung durchdrücken, die es ihm ermöglicht, alleiniger Parteichef zu werden; ganz offensichtlich befürchtet er, dass Adam und Gauland, vielleicht auch Petry, seine Partei zum Sammelbecken für genau die Spinner machen, mit denen er nie etwas zu tun haben wollte. Gelingen dürfte ihm dies nicht, denn eine Satzungsänderung benötigt eine Zweidrittelmehrheit. Dass seine Partei rechts von der Union steht, bestreitet in der AfD wohl nur noch Lucke. Jetzt droht die AfD auch noch der politische Arm der Islam-Hasser und Verschwörungstheoretiker zu werden. Luckes Projekt einer ernstzunehmenden Alternative steht vor dem Scheitern.

Quelle: ntv.de

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