Verhandlung zur Ukrainekrise Kann der Minsker Gipfel den Krieg bremsen?
11.02.2015, 14:26 Uhr
Ukrainische Soldaten bei Debalzewe. Die Separatisten haben die Stadt von drei Seiten umstellt.
(Foto: REUTERS)
In Weißrussland trifft sich die Bundeskanzlerin mit den Präsidenten aus Russland, Frankreich und der Ukraine. Schon kleine Fortschritte können wichtig sein.
Was soll es eigentlich bringen, mit Wladimir Putin zu verhandeln, der zwar Soldaten in die Ukraine schickt, sich aber nicht für zuständig erklärt? Der Westen debattiert darüber, wie weit er sich in einen Krieg gegen Russland ziehen lassen sollte, obwohl Russland nie einen Krieg erklärt hat. Keiner der zahlreichen Verhandlungsversuche hat dazu geführt, dass die Kämpfe in der Ukraine abgenommen oder gar aufgehört hätten. Kann das an diesem Mittwoch anders sein?
Die neue Verhandlungsrunde in Minsk wird wohl keinen schnellen Frieden bringen. Aber so verworren die Situation auch ist: Es gibt einige Punkte, an denen sich etwas bewegen kann.
Offiziell geht es darum, die Vereinbarungen wiederzubeleben, die im September 2014 an gleicher Stelle von Unterhändlern beider Seiten unter Vermittlung der OSZE ausgehandelt wurden. Das Minsker Protokoll sollte der Umsetzung des Friedensplans des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dienen. Das Minsker Memorandum legte Details fest. Unter anderem geht es in diesen Dokumenten um eine 30 Kilometer breite Pufferzone und darum, dass die OSZE die Grenze zwischen der Ukraine und Russland überwachen soll. Die selbsternannten Präsidenten der "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk unterschrieben die Vereinbarungen.
"Frieden in wenigen Wochen erreichbar"
Auch wenn offiziell keine Eckpunkte für eine neue Abmachung genannt werden, ist es naheliegend, dass der Westen Zugeständnisse machen muss, um etwas zu erreichen. Ein solches Zugeständnis könnte sich auf den Frontverlauf beziehen: Die Separatisten haben in den vergangenen Monaten ihr Gebiet deutlich vergrößert. Sie werden sich nicht auf die alte Linie zurückziehen wollen. Ein weiteres Zugeständnis könnte die Autonomie der Regionen betreffen: Zwar hat das ukrainische Parlament schon einen Sonderstatus für die Oblasten Donezk und Lugansk beschlossen. Weitere Zugeständnisse an die Autonomie der Regionen sind aber denkbar.
Poroschenko spricht noch immer davon, die Minsker Vereinbarungen von September eins zu eins durchzusetzen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte er, das Protokoll sei "keine Speisekarte, aus der man auswählen kann. Es funktioniert nur, wenn alle zwölf Punkte umgesetzt werden". Dass er dieses Ziel nicht erreichen kann, weiß er allerdings wohl auch selbst. Gefragt nach internationalen Friedenstruppen antwortete er, das sei nicht notwendig. Es brauche lediglich einen Abzug fremder Truppen und eine geschlossene Grenze nach Russland. Dann "wären Frieden und Stabilität in der Ukraine innerhalb einiger Wochen erreichbar", so Poroschenko.
Der Präsident hat gute Gründe für diese Annahme. Denn die Separatisten werden aus Russland unterstützt. Dass etwa die Buk-Rakete, mit der ein ziviles Flugzeug der Malaysian Airlines abgeschossen wurde, aus Russland kam, gilt mittlerweile als bewiesen. Die russische Regierung bestreitet nicht, dass Russen in der Ukraine kämpfen. Doch dies seien keine aus Moskau befehligten Soldaten, sondern höchstens Soldaten in ihrer Freizeit. Russland hindert sie aber auch nicht daran, die Grenze zu überqueren. Die Schließung dieser Grenze, überwacht von der OSZE – das wird Poroschenkos Kernpunkt sein in den Verhandlungen in Minsk. Dafür würde er wahrscheinlich auch Territorium eintauschen.
Letzte Druckmittel
Angela Merkel würde allerdings wohl auch schon wesentlich kleinere Fortschritte als Erfolg bezeichnen. Denn die Bundeskanzlerin möchte eine Eskalation des Krieges vermeiden. Diese droht aber, wenn die USA Waffen in das Land liefern, wie es einflussreiche Politiker in Washington fordern. Präsident Barack Obama zögert zwar, schließt solche Lieferungen aber nicht aus. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die aktuellen Treffen schon als "vielleicht letzte Chance auf eine politische Lösung". Doch auch bei einem weitgehenden Scheitern wird die Bundesregierung wohl weiterverhandeln wollen. Ein komplettes Scheitern darf es darum nicht geben.
Und wenn doch? Obama könnte sich dem innenpolitischen Druck in den USA beugen und Waffen liefern, "um die Kosten für Russland weiter zu erhöhen", wie es heißt. Von Seiten der EU würde automatisch eine neue Runde der Sanktionen in Kraft treten, die schon beschlossen aber ausgesetzt sind. Sie sind nicht wesentlich schärfer sind als die bereits verhängten. Jede neue Provokation Russlands könnte dann allerdings zu einer neuen Form der Wirtschaftssanktion führen: dem Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-Zahlungsverkehr. Inhaber russischer Konten könnten dann kein Geld mehr ins Ausland überweisen, Importe aller Art würden sehr schwierig werden.
Merkel würde dieses Mittel wohl nur ungern anwenden. Nicht, weil sie es ungerechtfertigt fände, sondern weil sie dann praktisch keine Druckmittel mehr hätte, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Quelle: ntv.de