Politik

"Wirklich großer Patriot" Politiker würdigen Schmidt

Deutschland trauert um Helmut Schmidt. In den Reaktionen wird der der fünfte Bundeskanzler als großer Staatsmann gewürdigt. Bundespräsident Gauck nennt ihn einen "Mann der Tat, des klaren Gedankens und des offenen Wortes".

Über alle Parteigrenzen hinweg trauert die deutsche Politik um Altkanzler Helmut Schmidt. Ein Überblick über Reaktionen:

 

Bundespräsident Joachim Gauck: "Wir trauern um einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit. In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet. Sein entschlossenes Handeln in schwierigsten Situationen, seine Fähigkeit, das Machbare zu erkennen und zu gestalten, aber auch seine Kompromissfähigkeit, sein Eintreten für die Verteidigungsbereitschaft der freien Staaten Europas in Zeiten der Bedrohung - das alles steht mir und vielen Menschen in unserem Land in diesen Stunden der Trauer vor Augen. (...) Helmut Schmidt wird uns allen als ein Mensch in Erinnerung bleiben, der in seltener Einheit ein Mann der Tat, des klaren Gedankens und des offenen Wortes war. Er hat sich um unser Land verdient gemacht."

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Schmidt als "politische Institution der Bundesrepublik". Deutschland verdanke ihm viel, sagte sie in Berlin. Schmidts Standfestigkeit habe der Republik geholfen, die "schwere Prüfung" des Terrors der 1970er Jahre zu bestehen. Merkel erinnerte an Schmidts Einsatz für den Nato-Doppelbeschluss und das europäische Währungssystem. "Ich stehe hier in tiefem Respekt vor den Leistungen Helmut Schmidts", sagte die Kanzlerin und wünschte Schmidts Lebensgefährtin und seiner Tochter Trost in der Erinnerung an sein "langes und gut gelebtes Leben". Merkel betonte: "Er war auch für mich eine Instanz, dessen Rat und Urteil mir etwas bedeuteten."

SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben." Die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die SPD hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft "unser Land gestaltet hat". Schmidts Herzensthema sei der Zusammenhalt Europas gewesen: "Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist." Gabriel erinnerte an Schmidts letzte große Rede bei einem SPD-Bundesparteitag 2011. Schmidt habe damals gemahnt, dass es nichts Wichtigeres als die Freundschaft zu Frankreich gebe. Und: "Dass Deutschland seine Führungsrolle nicht überfordern darf, und dass wir eine Verantwortung haben, Europa zusammenzuhalten."

Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Helmut Schmidt als "eine der bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten unseres Landes". Schmidt habe sich als Parlamentarier, als Bundesminister und vor allem als Bundeskanzler auf herausragende Weise um Deutschland verdient gemacht. Lammert hob vor allem Schmidts Handeln in der Wirtschaftsrezession der 70er Jahre, im Kalten Krieg und im "Deutschen Herbst" mit dem RAF-Terror hervor. Mit seiner Standfestigkeit habe er sich hohes Vertrauen und Ansehen nicht allein in Deutschland erworben - er habe in der ganzen Welt höchste Reputation als Staatsmann genossen.

Altkanzler Gerhard Schröder würdigte Helmut Schmidt als eine der "ganz großen politischen Persönlichkeiten unseres Landes". Als Kanzler von 1974 bis 1982 habe Schmidt nachhaltig Europa und Deutschland geprägt, schrieb Schröder in der "Bild"-Zeitung. "Wie nur wenige in der deutschen Nachkriegsgeschichte hat er es verstanden, durch beherztes staatliches Handeln existenzielle Krisen zu meistern und zugleich den Menschen Orientierung in Zeiten der Unsicherheit zu geben."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Wir Deutschen haben eine Vaterfigur verloren. Helmut Schmidt hat uns und unser Land tief geprägt. Generationen - auch ich - haben seine Klugheit und Autorität gesucht und geschätzt - bis an sein Lebensende in einem gesegneten Alter. Helmut Schmidt war nicht nur Kanzler der Deutschen - er war Mentor der Deutschen. (..) Wir trauern um einen deutschen Demokraten, einen europäischen Wegbereiter und einen globalen Geist. Helmut Schmidt war ein großer Staatsmann, bis zur letzten Zigarette."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Deutschland hat einen Großen verloren. Als Bürgermeister von Hamburg, als Finanzminister und als Bundeskanzler: Helmut Schmidt wusste, worauf es ankam. Er hat Politik kraftvoll gestaltet - gerade in Krisenzeiten."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: "Man spürte immer, dass sein Erfahrungshorizont fast ein ganzes Jahrhundert umfasste. Wir sind alle sehr traurig. Deutschland verliert einen ganz Großen."
Schmidt sei stets am Kompromiss interessiert gewesen, habe im Zweifel aber seine eigene, klare Linie verfolgt. "Wenn er von seiner Sache überzeugt war, dann ist er auch Konflikte mit der eigenen Partei eingegangen", meinte Oppermann mit Blick auf den von Schmidt seinerzeit unterstützten umstrittenen Nato-Doppelbeschluss zur atomaren Aufrüstung in Westeuropa. "Wir haben Helmut Schmidt in dieser Frage kritisiert, aber wir haben ihn doch immer heimlich bewundert."

CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder: "Wir verneigen uns vor einem großen Staatsmann. Helmut Schmidt war der letzte Bundeskanzler, der den Zweiten Weltkrieg als Soldat mit erlebt hat. Diese Erfahrung war für ihn die Motivation, unserem Land zu dienen. Als Kanzler führte er Deutschland durch schwere Jahre, die von Wirtschaftskrisen, Terrorismus und Aufrüstung der Sowjetunion geprägt waren. Helmut Schmidt hat sich um Deutschland verdient gemacht."

Ex-FDP-Chef und -Außenminister Hans-Dietrich Genscher: "Wir wissen, Deutschland ist ärmer geworden, und wir empfinden, er wird uns fehlen." Für ihn persönlich sei der Tod Schmidts "der Abschied von einem Weggefährten in schwerer Zeit".

Der frühere französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing hat den Tod von Altkanzler Helmut Schmidt als einen persönlichen Verlust bezeichnet. "Er war der beste Kanzler, den Deutschland gekannt hat seit Konrad Adenauer", schrieb der 89-Jährige. "Er hat die äußere Würde seines großen Landes wiederhergestellt." Schmidt sei ein überzeugter Europäer gewesen, der die europäische Integration bis hin zur Schaffung des Euro vorangetrieben habe.

Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch: "Nicht mit allen Entscheidungen waren wir einverstanden. Doch wir haben an Helmut Schmidt über Parteigrenzen hinweg geschätzt, dass er von ihm als richtig erkannte politische Projekte auch gegen innerparteiliche und gesellschaftliche Widerstände immer mit beeindruckendem persönlichen Einsatz und großer Beharrlichkeit vorangetrieben hat."

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter: "Helmut Schmidt war ein kantiger, gradliniger und streitbarer Politiker und Denker. In vielen schwierigen Situationen hat er mutige Entscheidungen getroffen, wo andere längst aufgegeben hätten. Nicht mit allen seiner Entscheidungen waren wir einverstanden. Die Gründung der Grünen war auch eine Reaktion auf die Politik der SPD unter Helmut Schmidt, sei es die Nato-Nachrüstung, sei es die Atompolitik."

FDP-Chef Christian Lindner: "Helmut Schmidt war die Verkörperung pragmatischer Staatskunst und klarer Verantwortungsethik. 'Leitender Angestellter der Republik' - diese nüchterne Tätigkeitsbeschreibung von Helmut Schmidt zeigt, was er verkörperte und was dem Land fehlt: Managementqualität, Gestaltungs- und Führungswille. Schmidt wurde durch Krisen groß, die er klein machte. Heute wird Politik oft klein, weil sie Krisen groß macht."

"Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo: "Helmut Schmidt ist tot und wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht."

Quelle: ntv.de, wne/dpa

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