Politik

Koordinaten deutscher Außenpolitik Stabilität kommt vor Menschenrechten

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Deutsche Schützenpanzer Dingo (in Afghanistan): Gut geeignet für die Aufstandsbekämpfung, beliebt in Saudi-Arabien.

(Foto: picture alliance / dpa)

So deutlich wie nie zuvor haben Kanzlerin und Außenminister in München ihre Außenpolitik erklärt. Menschenrechte spielen darin eine untergeordnete Rolle.

Es ist eine waghalsige Argumentation, die Frank-Walter Steinmeier in München ausbreitete. Am Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen schließt Deutschland Waffenlieferungen aus und nicht nur das. Er spricht davon, Russland in Zukunft an einer "europäischen Sicherheitsarchitektur" zu beteiligen. Aus taktischer Sicht ist die Äußerung ein Fehler: Deutschland stellt Russland Sicherheit in Aussicht, egal wie aggressiv Russland auftritt. Damit befördert er sogar die Aggression und fällt den Ukrainern in den Rücken, finden US-amerikanische Politiker.

Die Äußerungen des Außenministers in München und auch die von Kanzlerin Angela Merkel zeigen: Die vielzitierten "westlichen Werte" in der deutschen Außenpolitik eine untergeordnete Rolle spielen.

Auch Souveränität, also staatliche Selbstbestimmung, ist so ein Wert. Solange die Ukraine ihre Souveränität nicht zurückgewinnt, kann sie auch keine freien Wahlen im Osten des Landes durchsetzen und keine Menschenrechte. Die Amerikaner wollen der Ukraine mit Waffenlieferungen helfen, durch eine Eskalation zu ihrem Recht zu kommen. Es geht Washington dabei nicht nur um die Regionen Donezk und Lugansk, sondern auch um viele weitere Regionen rund um Russland, die als nächstes angegriffen werden könnten. Deutschland will seine Möglichkeiten dagegen nicht ausschöpfen.

Auslandseinsätze nur zur Stabilisierung

Für die Außenpolitik der Bundesregierung sind nicht westliche Grundwerte entscheidend, sondern Stabilität in der Nachbarschaft. Der Krieg in der Ukraine ist solange hinnehmbar, wie er sich nicht weiter ausbreitet. Deutschland konzentriert sich deshalb darauf, bislang ruhige Regionen weiter zu stabilisieren. Die Verlegung von Soldaten nach Polen hat diesen Zweck, die Schaffung einer "superschnellen Nato-Eingreiftruppe", die Vorverlagerung von Material ins Baltikum, die dortigen Kontrollflüge und die verstärkte Präsenz in der Ostsee – dies alles sind Maßnahmen der Nato, bei denen sich die Bundeswehr einbringt und bei denen sich die USA eher zurückhalten.

Die rote Linie, ab der Deutschland seine Streitkräfte in einen Krieg einbringen würde, besteht nicht in der Verletzung von Menschenrechten, sondern in der Verletzung der Nato-Grenzen. Solange diese gesichert sind, begibt sich die Bundesrepublik nicht einmal indirekt in einen Krieg gegen ein anderes Land. Die einzige Ausnahme ist bislang der Einsatz gegen Jugoslawien, nachdem das Land in Bosnien Völkermord begangen hatte und sich im Kosovo der nächste andeutete.

In Afghanistan dagegen wurde die Bundeswehr erst aktiv, als die Taliban-Machthaber schon abgesetzt waren. In Mali unterstützt sie den Kampf gegen Terroristen, am Horn von Afrika kämpft sie gegen Piraten – in beiden Fällen ist der Gegner kein Staat. Die Enthaltung bei der Abstimmung über ein UN-Mandat gegen Libyen kam noch unter einem FDP-Außenminister zustande. Aber auch Steinmeier forderte damals keinen Einsatz deutscher Kampfjets. Ein Einsatz der Bundeswehr gegen den syrischen Tyrannen Baschar al-Assad ist undenkbar.

Hilfe auch für Despoten

Dass Menschenrechte nicht alles sind, machte die Kanzlerin in München in einem anderen Zusammenhang klar. Gefragt nach der Situation in Afghanistan sagte sie, man müsse die kulturellen Besonderheiten anderer Weltregionen achten und Geduld haben. Die Achtung der Menschenrechte habe in der Bundesrepublik seit ihrer Gründung "sehr unterschiedliche Ausprägungen erfahren". Darum sei es nicht richtig, so zu tun, "als müsse die ganze Welt unseren Prinzipien folgen".

Auch die Rüstungsexporte passen in das Bild: Deutsche Unternehmen dürfen weiterhin in großem Maßstab Waffen an Länder wie Saudi-Arabien, Katar und Algerien liefern. Oft geht es dabei um Grenzschutzanlagen, Patrouillenboote gegen Piraten und Waffen zur Aufstandsbekämpfung. Dabei gibt es für die Menschen in diesen Ländern einigen Grund, sich gegen die Regierung zur Wehr zu setzen.

Der Ukraine dagegen wird bei der Bekämpfung des Aufstandes im eigenen Land nicht geholfen. Das Kriterium ist ganz offensichtlich nicht die die Menschenrechtssituation, sondern die Stabilität. Die Lieferung an die kurdischen Kämpfer im Irak war eine Ausnahme. Eigentlich sollen deutsche Waffen nicht zum Kämpfen da sein. Sie sollen dazu dienen, Aufstände gar nicht erst entstehen zu lassen. In der Ukraine ist es dafür zu spät.

Quelle: ntv.de

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