IS-Anführer verkündet neue Ziele USA sehen Assad als Schlüsselperson
13.11.2014, 22:16 Uhr
Ist seine Stimme echt? Und wann wurde sie aufgenommen? Der IS-Anführer Al-Bagdadi könnte bereits tot sein.
(Foto: AP)
Rund 130 Luftangriffe hat die US-Allianz gegen den "Islamischen Staat" bereits geflogen. Doch der Kampf gegen die Terrormiliz wird lang, erklärt US-Verteidigungsminister Hagel. Der selbsternannte Kalif des IS kündigt zugleich Angriffe auf drei weitere Staaten an.
Der Kampf der USA und ihrer Verbündeten gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wird nach den Worten von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel noch lange andauern. Zwar gebe es nach Monaten andauernder Bombardierungen im Irak und in Syrien "stetige und anhaltende Erfolge". Doch "es wird ein langer und schwieriger Kampf werden", sagte Hagel bei einer Kongressanhörung in Washington.
Eine genauere Einschätzung der Lage - wie lange der Kampf etwa dauern könnte - gab der Pentagon-Chef aber auch auf drängende Fragen nicht. "Es wird Rückschläge geben", fügte er hinzu. Je stärker die irakische Armee vorankomme, desto stärker werde die Intensität der Luftangriffe der Koalition. Mehrere Abgeordnete äußerten sich besorgt über die Entwicklung.
Zugleich berichtete der TV-Sender CNN, Präsident Barack Obama erwäge eine Strategieänderung in Syrien. Im Weißen Haus mache sich die Einschätzung breit, dass der IS in Syrien nicht besiegt werden könne, so lange Präsident Baschar al-Assad in Damaskus an der Macht ist.
Kein rein militärisches Vorgehen
Hagel sagte hingegen: "Es gibt keine Strategieänderung in Syrien." Das Assad-Regime habe jede Legitimation verloren. Allerdings fügte er hinzu: "Wir können unsere Ziele in Syrien nicht mit einem Mal erreichen." Nach wie vor gebe es in Syrien keine rein militärische Lösung. Entscheidend sei die Stärkung einer gemäßigten Opposition. Deren Ausbildung werde aber noch acht bis zwölf Monate dauern.
In der Geschichte des Islam gab es immer wieder Berichte über kämpfende Frauen. Sie dienen dem Islamischen Staat (IS) durchaus als Vorbild. Entsprechend gibt es auch im Kalifat bewaffnete weibliche Einheiten. Das prominenteste Beispiel ist die Al-Khanssaa-Brigade im syrischen Rakka, eine Polizei- und Sittenwächtereinheit. Weibliche Mitglieder des IS übernehmen in dem vormittelalterlichen Gesellschaftsmodell des Kalifats also nicht zwingend nur die Rolle der Hausfrau.
Nach Angaben britischer Medien haben Dschihad-Reisende aus dem Westen prominente Posten in der Al-Khanssaa-Brigade erhalten. Eine Aussteigerin sagte dem US-Sender CNN allerdings, dass auch für die Frauen der Brigade Hochzeiten arrangiert wurden, in denen sich die IS-Männer alles andere als friedfertig verhielten. "Es gab Fälle, in denen die Frauen in die Notaufnahme gebracht werden mussten, aufgrund der Gewalt, der sexuellen Gewalt."
Experten gehen zudem davon aus, dass ein großer Teil der Frauen im Kalifat regelrecht weggesperrt wird - um für die kämpfenden Männer im "Hintergrund" zu wirken.
Hagel wollte nicht zu Spekulationen Stellung nehmen, wonach der IS-Anführer, Abu Bakr al-Bagdadi, bei einem kürzlichen Luftangriff verletzt oder getötet worden sei. Dazu wolle er sich nur bei einer anstehenden geheimen Ausschusssitzung äußern.
Derweil wurde ein Durchhalteappell veröffentlicht, der von Al-Bagdadi stammen soll. Der selbsternannte Kalif erklärte in einer ihm zugeschriebenen Tonaufnahme den Dschihad bis zum letzten Mann zur Pflicht aller Muslime. Zudem kündigte er eine Ausdehnung des "Islamischen Staates" unter anderem auf Algerien, Libyen und Ägypten an. Kampfesunwilligen drohte er harte Strafen Gottes an. Die Stimme ähnelte der in vorigen Aufnahmen Al-Bagdadis. Ob die Audiobotschaft echt ist, ist unklar.
"Drei Schritte voran, zwei zurück"
Unterdessen drängen kurdische Kämpfer den IS in heftigen Gefechten im nordsyrischen Kobane allmählich weiter zurück. Die Kurden rückten nur langsam vor, um Verluste in den eigenen Reihen gering zu halten, erklärte Idris Nassan, Sprecher für auswärtige Angelegenheiten in Kobane. Syrische und irakische Kurden kämpfen derzeit gemeinsam gegen IS-Einheiten, die seit Wochen versuchen, die strategisch wichtige Stadt an der Grenze zur Türkei einzunehmen.
US-Stabschef Martin Dempsey schätzte die Zahl der IS-Kämpfer auf 21.000 bis 31.000. Der "Kern" liege zwischen 15.000 und 18.000 Mann. Zwar hätten rund 130 Luftangriffe der USA und weiterer elf Staaten die IS-Milizen streckenweise zurückgedrängt. Doch nach wie vor hätten sie Mossul, die zweitgrößte irakische Stadt, unter Kontrolle, sagte Hagel. "Wir haben damit begonnen, die Dynamik (des IS) zu brechen." Doch "es geht drei Schritte voran und zwei zurück".
Hagel und Dempsey gerieten bei der Kongressanhörung mehrfach argumentativ unter Druck. Mehrere Abgeordnete befürchten, dass die USA erneut in einen langen Krieg hineinschlittern könnten, in dem letztlich auch US-Bodentruppen eingreifen müssten. Hagel versicherte, es werde im Irak und in Syrien keine US-Kampftruppen geben. Republikaner warfen Obama vor, er habe die US-Kampftruppen zu früh aus dem Irak abgezogen. Dies habe den Aufstieg der Terrormilizen erst ermöglicht.
Obama hatte erst kürzlich die Entsendung weiterer 1500 Soldaten in den Irak angekündigt. Die insgesamt 3000 Soldaten werden offiziell als Berater und Ausbilder bezeichnet. Obama fordert, dass der Kongress weitere 5,6 Milliarden Dollar (4,4 Milliarden Euro) zur Bekämpfung der Islamistenmilizen bewilligt - seit den Kongresswahlen vergangene Woche ist der Präsident der Demokraten aber ganz von den Republikanern abhängig.
Quelle: ntv.de, lsc/dpa