Drittes Hilfspaket für Griechenland "Politisch sind sie wieder Teil Europas"
14.08.2015, 21:23 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Weg für ein drittes Millarden-Hilfspaket an Griechenland ist frei - das Parlament in Athen stimmt nach einer langwierigen Debatte mehrheitlich für das Reformprogramm und die damit verbundenen Sparauflagen. Während damit der Grexit für die Presse zu Recht vom Tisch ist, herrschen weiter große Zweifel an der künftigen Umsetzung des neuen Programms. Dabei steht vor allem einer im Mittelpunkt: Ministerpräsident Alexis Tsipras.
So schreibt Die Welt: "Griechenland kehrt zur Realpolitik zurück. In einer würdigen Parlamentsdebatte hat Ministerpräsident Alexis Tsipras ein für die Griechen ebenso weitreichendes wie herausforderndes Reformprogramm durchgesetzt. Dafür verdient er Respekt. Die Einheit seiner Partei und seiner Regierung hat er dabei geopfert Angela Merkel hat - im Gespann mit "bad cop" Wolfgang Schäuble - vor allem darauf hingearbeitet, die europäische Illusion vom einfachen und bequemen Weg zu zerstören. Diese hätte die Politpubertierenden in Spanien und Italien aufgewertet. Wahrscheinlich kommt es zu Neuwahlen, wahrscheinlich wird die nächste Regierung breiter und weniger extrem aufgestellt, und wahrscheinlich wird den Griechen nicht alles gelingen, was sie sich vorgenommen haben. Politisch aber sind sie wieder Teil Europas."
Die Lübecker Nachrichten ziehen hingegen einen Vergleich mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder nach der Verkündung seiner Agenda 2010: "Alexis Tsipras wurde nicht wie damals Schröder von eigener Erkenntnis getrieben, sondern von der Euro-Gruppe zu Reformen gezwungen. (…) Ob sein schwerer Weg Erfolg haben wird, hängt davon ab, ob er dem gebeutelten griechischen Volk diesen Schwenk zu erklären vermag. Wenn er das glaubwürdig vermittelt, kann Tsipras auch Neuwahlen überstehen und, anders als Schröder, die Zeit nach seiner Weichenstellung gestalten. Seine Partei wird in jedem Fall eine andere sein."
"Eine personelle Alternative zu Tsipras ist nicht in Sicht", meint die Berliner Zeitung, und kommentiert weiter: "Ein Überbrückungskredit, damit das Land der EZB die in fünf Tagen fälligen Schulden von 3,4 Milliarden Euro bezahlen kann, reicht nicht. Griechenland braucht dringend 15 weitere Milliarden, um die Banken zu rekapitalisieren, damit die Realwirtschaft überhaupt wieder in Gang kommen kann. Jede Aufschiebung dieses Problems macht die künftige Hilfe noch teurer. Das kann man nur wollen, wenn man den Grexit will."
Ganz ähnlich sieht das auch der Mannheimer Morgen: "Das Misstrauen der übrigen Eurostaaten gegenüber Griechenland war lange nachvollziehbar. Doch inzwischen nimmt Alexis Tsipras selbst in Kauf, dass er seine Regierungsmehrheit verliert. Sicherlich hat es auch taktische Gründe, dass der Syriza-Chef die Vertrauensfrage stellen will. So hofft der Ministerpräsident sogar auf Neuwahlen - je früher diese stattfinden, desto höher stehen seine Chancen, wiedergewählt zu werden. Die innerparteiliche Opposition ist noch zu schwach und uneins, um eine wirkliche Gefahr für ihn darzustellen. Die Nebenwirkungen der neuen Reformen sind bislang nicht so augenscheinlich, dass sich die Syriza-Wählerschaft nach anderen Möglichkeiten umsehen würde."
Skeptischer ist man bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Für die Griechen ist die Sache noch lange nicht ausgestanden. Und da ist noch die Skepsis, ob die griechische Regierung die Auflagen erfüllt. Als glühender Verfechter einer grundlegenden Reform von Staat, Wirtschaft und Sozialsystemen ist Tsipras schließlich nicht aufgetreten. Er habe die Auflagen akzeptiert, um einen kollektiven "Selbstmord" zu verhindern, sagte er. Das jüngste Gipfelerlebnis war offenbar einschneidend. In jedem Fall kann Tsipras nun zeigen, ob er wirklich ein Paulus-Erlebnis hatte und was er, im Falle eines Wiederwahlsiegs mit neuer Legimität ausgestattet, zu tun gedenkt. Wenn er Griechenland in der Eurozone halten will, so wie das auch die Mehrheit der Griechen will, dann muss die große Transformation endlich beginnen. Ohne Verzug, politische Sabotage und sonstigen Widerstandsklamauk."
Zusammengestellt von Annika Thöt
Quelle: ntv.de