Kündigung kann schwerer werden EuGH stellt Fettleibige unter Schutz
18.12.2014, 15:51 UhrBehinderte Menschen sind rechtlich vor Diskriminierung geschützt. Fettleibige nicht, denn zu viel Körpergewicht gilt nicht als Behinderung. Doch künftig könnte es auch für besonders dicke Arbeitnehmer Sonderregeln geben.

Wer durch sein Gewicht dauerhaft eingeschränkt ist, genießt besonderen Schutz.
(Foto: imago stock&people)
Arbeitnehmer mit starkem Übergewicht können bald besser vor Kündigung geschützt werden. Denn krankhafte Fettleibigkeit kann eine Behinderung sein, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Wenn jemand durch sein Gewicht auf die Dauer körperlich, geistig oder psychisch so stark beeinträchtigt ist, dass er nicht gleichberechtigt mit anderen seinen Beruf ausüben kann, muss er folglich besonders vor Diskriminierung geschützt werden – auch dann, wenn er selbst zu seiner Behinderung beigetragen hat, so das Gericht. (Az.: C-354/13)
Im konkreten Fall geht es um einen stark übergewichtigen Tagesvater aus dem dänischen Billund, dem nach 15 Jahren von der Gemeinde gekündigt worden war. Während dieser Zeit wog er nie weniger als 160 Kilogramm. Er beteiligte sich zwar an Abnehm- und Fitnessprogrammen der Gemeinde, nahm aber dennoch immer wieder zu. Die Leitung des Betreuungsdienstes besuchte ihn mehrmals und erkundigte sich nach seinen Abnehm-Versuchen.
Als die Gemeinde dem Mann 2010 kündigte, hieß es zur Begründung, der Bedarf an Kinderbetreuung gehe zurück. Bei einem anschließenden Gespräch kam sein Übergewicht zwar zur Sprache. Die Gemeinde erklärte aber, dies sei nicht der Grund für die Kündigung gewesen. Der Tagesvater sah sich trotzdem diskriminiert und klagte.
Dicksein allein reicht nicht
Der EuGH wies darauf hin, dass das EU-Recht eine Diskriminierung wegen Fettleibigkeit nicht direkt verbietet. Adipositas könne aber eine Behinderung sein, wenn sie so gravierend ist, dass sie zum Hindernis für die volle, "mit anderen Arbeitnehmern gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben" werde. Das kommt aber nur bei einer besonders schweren und krankhaften Adipositas von langer Dauer in Betracht. Nun muss das dänische Gericht prüfen, ob die Fettleibigkeit des Klägers unter die Definition "Behinderung" fällt.
Das Urteil hat auch Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt. Nach den bislang hier maßgeblichen "Anhaltspunkten" kann eine Adipositas für sich genommen nicht zur Anerkennung einer Schwerbehinderung führen. Berücksichtigt werden "nur Folge- und Begleitschäden", etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rücken- und Gelenkbeschwerden.
Als fettleibig gilt laut Weltgesundheitsorganisation ein Mensch mit einem Body Mass Index (BMI) von über 30. Die Risiken für Begleiterkrankungen sind hier spürbar höher als bei bloßem Übergewicht. Der BMI ist der Quotient aus Gewicht und Körpergröße in Metern im Quadrat. Ein 1,80 Meter großer Mann, der 100 Kilo auf die Waage bringt, hat also einen BMI von fast 31. Ob die Körpermasse aus Fett oder aus Muskeln besteht, wird beim BMI allerdings nicht berücksichtigt.
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa