Die 25.000-Euro-Frage Perfekte Bedingungen oder böse Überraschungen für Anleger?
11.12.2023, 13:01 Uhr Artikel anhören
Auch wenn alles nach einem weiteren positiven Jahr für Anleger aussieht, sollte man sich nicht allzu blauäugig positionieren und auf ein solide aufgebautes Portfolio setzen.
(Foto: Arne Dedert/dpa)
An den Finanzmärkten steht ein Goldilocks-Szenario für ein perfektes Anlageumfeld - gäbe es nicht die schwarzen Schwäne, die häufiger auftauchen können als erhofft. Diese Szenarien sollten Anleger im kommenden Jahr auf dem Radar haben.
Stabiles, moderates Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und niedrige Inflationsraten - das sind die Kernkomponenten einer Goldilocks-Welt. Der Begriff stammt aus der Märchengeschichte "Goldlöckchen und die drei Bären". Hier probiert Goldlöckchen drei unterschiedliche Schüsseln Brei. Die eine ist ihr zu kalt, die andere zu heiß und die dritte ist genau richtig.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
In der perfekten Anlagewelt können Unternehmen ihre Gewinne steigern, jeder hat Arbeit und die Notenbank kann entspannt auf die Inflation schauen und die Zinsen niedrig lassen, da sich die Geldentwertung auf einem moderaten Niveau bewegt. Insbesondere Aktien liefern in solchen Phasen eine überdurchschnittliche Wertentwicklung ab.
In wenigen Tagen ist Weihnachten. Das ist nicht nur die Zeit für den Kauf von Geschenken, sondern auch Hochsaison bei den Wertpapieranalysten, die ihre Jahresausblicke veröffentlichen. Fasst man diese zusammen, dürfen sich die Börsianer 2024 auf eine nahezu perfekte Anlagewelt freuen.
Bei einigen Investoren ruft ein einhelliger Konsens den Reflex hervor, das Gegenteil zu erwarten und sich antizyklisch gegen die Masse zu positionieren. Denn wenn jeder das Gleiche erwartet, kommt es meistens anders. Und hier kommen die schwarzen Schwäne ins Spiel, also negative Ereignisse, mit denen eigentlich kaum jemand rechnet.
Die eleganten Wassertiere sieht man in der Natur eigentlich fast nur in Weiß, schwarze Exemplare sind eher selten. So ist es an den Aktienmärkten auch. Über lange Phasen befinden sich die Kurse im Aufwärtstrend, während die befürchteten Baisse-Phasen mit stark fallenden Kursen nur prozentual einen wesentlichen kleineren Teil ausmachen. Diese Phasen sind so selten wie ein schwarzer Schwan, fallen dafür aber meist heftig aus. Daher sollten Anleger auf schwarze Schwäne gefasst sein.
Mögliche Belastungsfaktoren für 2024
Diese negativen Überraschungen könnten im kommenden Jahr die Börsen durcheinanderwirbeln.
1. Statt dem erhofften Softlanding rutscht die US-Wirtschaft in eine Rezession ab. Eine sanfte Landung bedeutet, dass die Inflation auf das von den Notenbanken angestrebte Niveau sinkt, die Wirtschaft aber weiter moderat wächst. Schrumpft dagegen die Wirtschaft, würden die Notenbanken dann zwar schnell an der Zinsschraube nach unten drehen, doch gleichzeitig müsste man mit einem Rückgang der Unternehmensgewinne von rund 20 Prozent rechnen. Das wäre gut für Anleihen, aber schlecht für Aktien.
2. Im Nahen Osten eskaliert die Entwicklung und zieht mehrere Länder in einen militärischen Konflikt, was ja wohl auch das eigentliche Ziel des Terroranschlags der Hamas auf Israel Anfang Oktober war. Deutlich höhere Ölpreise lösen einen neuen Inflationsschock aus. Aktien und Anleihen sind die Leidtragenden, Gold ist ein Gewinner.
3. Politiker machen das, was sie am besten können: Sie geben mehr Geld aus, als sie einnehmen. Höhere Staatsschulden bedeuten mehr Anleihenemissionen, doch die Investoren legen einen Käuferstreik ein. Aufgrund der stark steigenden Zinsen kommen Anleihen und Aktien unter Druck. Gold gewinnt auch in diesem Szenario.
4. Der Suez-Kanal ist aufgrund des sinkenden Wasserstands für längere Zeit nicht befahrbar. Die globalen Lieferketten brechen erneut zusammen. Steigende Kosten und weniger Wirtschaftswachstum belasten die Unternehmensgewinne.
5. Kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen im November stirbt Joe Biden an Altersschwäche und Donald Trump wird wegen seines Versuchs der Wahlbeeinflussung zu einer Haftstrafe verurteilt. Die USA versinken im Chaos. Gold dürfte der einzige Gewinner sein.
6. China wertet den Yuan kräftig ab, um seine Wirtschaft mittels höherer Exporte anzukurbeln. Das wirkt weltweit deflationär. Anleihen sollten davon profitieren können, für Aktien eher weniger. Für Gold ist es neutral.
7. Die deutsche Ampel-Regierung macht einfach so weiter wie bisher - ohne Worte.
Die 25.000-Euro-Frage
In diesem Umfeld könnten Anleger einen größeren Geldbetrag - zum Beispiel 25.000 Euro - wie folgt anlegen. Da am Anleihenmarkt der Höhepunkt der Zinsen bereits erreicht wurde, sind jetzt wieder längere Laufzeiten sinnvoll, um sich die derzeitigen Renditen für die nächsten Jahre zu sichern. Aktien sollten dennoch übergewichtet werden, da sie auf längere Frist den höheren Ertrag versprechen. Anleihen bieten jetzt aber dank der höheren Zinsen einen besseren Puffer gegen Kursschwankungen am Aktienmarkt als in den vergangenen Jahren.
Auch wenn alles nach einem weiteren positiven Jahr für Anleger aussieht, sollte man sich nicht allzu blauäugig positionieren und auf ein solide aufgebautes Portfolio setzen. Dieses Depot kann durchaus zu zwei Dritteln mit internationalen Qualitätsaktien bestückt sein. Der Rest sollte aus bonitätsstarken Unternehmensanleihen mit mittlerer Laufzeit und Gold bestehen. Beim Edelmetall scheint eine Gewichtung von fünf bis zehn Prozent angemessen zu sein. Und statt Festgeld sind kurzlaufende Bundesanleihen und Bundesschatzbriefe meist die bessere Wahl, weil fast alle Banken sich sehr knausrig bei den Einlagenzinssätzen zeigen.
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
Quelle: ntv.de