"Liebesgrüße" an den Ex-Chef Was ist in einer Zeitungsanzeige erlaubt?
16.02.2017, 15:34 Uhr
Quelle: Thüringer Allgemeine
"Wir sind dankbar miterleben zu dürfen, dass du nach 17 traurigen Jahren endlich den Weg aus Erfurt herausgefunden hast." So verabschieden sich angebliche Mitarbeiter von ihrem ehemaligen Chefarzt. Die Klinik stellt daraufhin Strafanzeige. Zu Recht?
Die in der "Thüringer Allgemeinen" geschaltete Zeitungsanzeige war wohl nicht nett gemeint. Anders sind die nachfolgenden Zeilen nicht zu verstehen:
"Lieber Gerald,
wir sind dankbar miterleben zu dürfen, dass du nach 17 traurigen Jahren endlich den Weg aus Erfurt herausgefunden hast.
Dank dir sind Generationen von Anästhesisten verbogen worden und die sich nicht verbiegen liessen, gingen scharenweise in andere Kliniken.
Um Chefarzt zu sein, braucht man eben Köpfchen und Händchen, soziale und fachliche Kompetenz, sowie Empathie, Worte die dir völlig fremd sind.
Schade für Berlin, aber Erfurt kann endlich zu seinen Wurzeln zurückkehren."
Unterschrieben ist die Anzeige mit "Deine ehemaligen Mitarbeiter". Unklar ist aber, wer tatsächlich für die warmen Worte verantwortlich ist. Offen bekannt hat sich nämlich bisher keiner der Klinikangestellten.
So oder so, die Abschiedsgrüße sorgen wohl nicht nur bei Gerald für Verdruss, auch die ehemalige Wirkungsstätte des Chefarztes distanziert sich ausdrücklich von der anonymen Zeitungsanzeige. Via Klinik-Sprecherin ließ diese denn auch mitteilen, dass die Anzeige nicht im Namen der Mitarbeiter der Abteilung geschaltet wurde. Der Mediziner wird weiterhin bei einem Helios-Klinikum beschäftigt und genießt das vollste Vertrauen der Unternehmensgeschäftsführung. Deshalb wurde gegen den mutmaßlichen Urheber Strafanzeige wegen Verleumdung und Rufschädigung erstattet. Rumms.
Straftaten wie Verleumdung und Rufschädigung sind unzulässig
Da stellt sich die Frage, was in einer Zeitungsanzeige erlaubt ist. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Gedanken frei sind - seien sie auch noch so böse. Schwierig wird es dann, wenn diese den Weg an die Öffentlichkeit finden, sei es via Anzeige, im Internet oder auch persönlich. Zumindest dann, wenn es sich eindeutig um Beleidigung, Bedrohung, Diffamierung oder üble Nachrede handelt. Ob dies hier der Fall ist, ist zumindest fraglich. Zumindest teilweise beinhalten die Zeilen Meinungsäußerungen, die grundsätzlich frei möglich sind, wie die Berliner Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel M.M. anmerkt. Insbesondere, wenn sie hinreichend anonymisiert sind. Die Grenzen zu nicht erlaubten und zu unterlassenden unwahren Tatsachenbehauptungen sind aber fließend. Straftaten wie Verleumdung und Rufschädigung sind in jedem Fall unzulässig.
Arbeitsrechtlich hingegen kann dem oder den Urhebern eine Abmahnung vom Krankenhaus drohen, wenn es Mitarbeiter sind - wegen Verletzung der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Was aber nicht zuletzt davon abhängen wird, ob der Verfasser tatsächlich ausfindig gemacht werden kann. Handelt es sich um einen mutmaßlich vergraulten Ex-Mitarbeiter, ist auch dies nicht möglich.
Im Zweifelsfall haben hier Gerichte das letzte Wort. Bis dahin bleibt für die neuen Berliner Kollegen und Patienten des Chefarztes zu hoffen, dass Gerald dann doch nicht ganz so übel ist. Dieser selbst gibt sich im übrigen gelassen. "Ich äußere mich nicht dazu. Das ist Sache der Klinik. Dass sich die Klinik distanziert hat, sollte als Aussage ausreichen", so der Mediziner.
Quelle: ntv.de, awi