Ratgeber

Nicht nur hehre Motive Was steckt hinter werbestopper.de?

Mit Oliver Kahn hat sich werbestopper.de ein besonders werbefreudiges Testimonial an Bord geholt.

Mit Oliver Kahn hat sich werbestopper.de ein besonders werbefreudiges Testimonial an Bord geholt.

(Foto: imago/Norbert Schmidt)

Nur noch die Werbung bekommen, die man auch haben möchte? Klingt gut. Das Portal werbestopper.de soll genau das möglich machen. Wer dahinter eine Verbraucherschutzorganisation vermutet, ist allerdings auf dem Holzweg.

Lieferservice-Flyer, Postwurfsendungen "an alle Haushalte der XY-Straße", adressierte Dialogpost und nicht zuletzt die Plastik-verschweißte Prospekt-Sammlung "Einkauf aktuell" - wie groß die tägliche Werbeflut ist, wird spätestens klar, wenn man nach dem Urlaub die Post sortieren muss. Das Portal werbestopper.de verspricht Haushalten, die Kontrolle über ihren Briefkasten wiederzuerlangen. Wer sich registriert, soll nur die Werbung bekommen, die er sich wünscht. Doch an den hehren Motiven der vermeintlichen Verbraucherschützer gibt es Zweifel.

Mitte September startete das Portal seine Kampagne, ausgerechnet mit dem Werbe-Hansdampf in allen Gassen Oliver Kahn als Aushängeschild. Auf den Plakaten verspricht die Torwartlegende: "Ab heute bleibt der Kasten sauber" oder "Umweltschutz fängt beim Briefkasten an". Das Ziel: Anders als beim "Keine Werbung"-Aufkleber auf dem Briefkasten wird Reklame nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern die Nutzer können selbst entscheiden, wer ihnen Angebote senden darf.

Pluspunkt für die Firmen: Sie vermeiden Streuverluste, also Kosten. Denn Werbung, die unbesehen im Müll landet, muss gar nicht erst gedruckt werden. Um das Anliegen "weniger Papierverbrauch" zu unterstreichen, hat sich werbestopper.de den WWF als Partner ins Boot geholt. Für jede Anmeldung bekommt die Umweltschutzorganisation eine Spende für die Aufforstung zweier Regenwaldgebiete.

Verbraucher bestimmen, wer werben darf

Und so funktioniert das Ganze: Zunächst muss man sich mit Name, Wohn- und E-Mail-Adresse auf dem Portal registrieren. Je nach Wohngegend bekommt man dann eine Liste der werbetreibenden Firmen angezeigt. Aus diesen wählt man die Unternehmen aus, deren Angebote man weiterhin bekommen will. Man kann auch angeben, ob man die Papierform oder E-Mails bevorzugt. Die bevorzugten Firmen landen auf der sogenannten "Whitelist", die anderen kommen auf die Verbotsliste, die Blacklist. Werbestopper.de informiert die betreffenden Anbieter dann im Namen der Nutzer darüber, dass diese keine Werbung mehr wünschen. Wenn die Empfänger zugestimmt haben, geht das per E-Mail, ansonsten auf dem Postweg, was natürlich nicht ganz billig ist.

Das führt zu der naheliegenden Frage: Wem nützt das Ganze? Hinter werbestopper.de steht die Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen, kurz GDVI. Anders als es der Name vermuten lässt, ist das keine Verbraucherschutzorganisation und schon gar keine staatlich geförderte Einrichtung, sondern ein Privatunternehmen. Die Firma steht auch hinter flugrecht.de, einem Portal, das Fluggästen helfen soll, bei Verspätungen an ihre Entschädigung zu kommen, und dafür eine Provision kassiert. Daneben hat die GDVI noch weitere Seiten angemeldet, etwa EasyAnwalt, ClaimCapital, Kreditgebühr oder Kitaanspruch24. Unter diesen Links findet man derzeit noch nichts, die Namen könnten auf Modelle zur Prozessfinanzierung hindeuten.

Firmen fürchten Abmahnwelle

Postwurfsendungen lassen sich einfach verhindern.

Postwurfsendungen lassen sich einfach verhindern.

(Foto: imago/CHROMORANGE)

Gut möglich, dass das auch die Richtung ist, die bei werbestopper.de angestrebt wird. Darauf deutet eine Klausel in den AGB hin: "GDVI bietet zudem die Vermittlung von Kooperationsanwälten an, um nötigenfalls die Beachtung der Werbeverbote rechtlich durchsetzen zu lassen", heißt es da. Verlage und werbetreibende Unternehmen sehen schon eine Abmahnwelle anrollen, schließlich dürfte es für Zusteller kaum zu bewerkstelligen sein, bei jeder Werbesendung die Liste der gesperrten Empfänger zu prüfen. Die Unternehmen hätten ihre Anwälte schon in Stellung gebracht, berichtet unter anderem die Leipziger Volkszeitung.

Auch die Wettbewerbszentrale ist demnach inzwischen auf den Plan getreten und hat die GDVI abgemahnt. Zum einen werde den Verbrauchern ein wenig aussichtsreiches Versprechen gegeben. Zum anderen zweifeln die Wettbewerbshüter an den Datenschutzklauseln von werbestopper.de.

Nutzer willigen nämlich nicht nur ein, dass sie von der GDVI per E-Mail Angebote erhalten. Sie geben auch ihre Zustimmung zur Weitergabe ihrer Daten an Dritte, unter anderem an Kooperationsanwälte der GDVI. Diese können dann im Namen der Verbraucher Abmahnungen verschicken. Außerdem werden die Namen und Adressen an die Reachsome AG weitergeleitet, eine Schweizer Software-Firma, die datenbankgestützte Apps entwickelt. Und eine dieser Apps soll es den werbetreibenden Unternehmen ermöglichen, "tagesaktuell die ausgesprochenen Werbeverbote der Nutzer abzufragen, um somit zu verhindern, dass entgegen der Werbeverbote doch postalische Werbung […] zugestellt wird." So steht es in den Datenschutzbedingungen von werbestopper.de. Entsprechende Angebote würde Reachsome bereits verschicken, berichtet die Leipziger Volkszeitung. Dass im Verwaltungsrat von Reachsome Christian Geltenpoth sitzt, der Geschäftsführer der GDVI, ist sicher kein Zufall.

Bezahlen müssen die Firmen

Das auf den ersten Blick kaum durchschaubare Geschäftsmodell von werbestopper.de sieht also so aus: Die Nutzer geben kein Geld, sondern ihre Daten. Finanziert wird die Firma von den werbetreibenden Unternehmen. Sie müssen entweder für die App bezahlen oder mit Abmahngebühren rechnen.

Was soll man nun davon halten? Für die werbetreibenden Unternehmen würde sich der minimierte Streuverlust nur dann bemerkbar machen, wenn sich tatsächlich ein nennenswerter Anteil der fast 30 Millionen Haushalte in Deutschland bei werbestopper.de registrieren würde. Geltenpoth sieht das Potenzial bei rund 30 Prozent aller Haushalte. Derzeit sind es gut 20.000, was den Firmen deutlich mehr Aufwand als Kostenersparnis bringen dürfte. Und für Verbraucher? Noch ist offen, ob sich die Werbeflut tatsächlich einschränken lässt oder ob letztlich nur die GDVI und ihre Anwälte verdienen. Datenschutz-Experten sehen das Angebot jedenfalls kritisch. Der Blog Datenschutzbeauftragter-Info spricht von "weitreichenden Einwilligungen für ein recht aussichtsloses Versprechen, postalische Werbung zu verhindern".

Wer skeptisch ist, kann die Werbeflut auch auf anderem Wege begrenzen. Flyer und Prospekte dürfen nicht in Briefkästen mit "Keine Werbung"-Hinweis landen. Wer "Einkauf aktuell" oder andere Prospekte erhalten will, kann das ja ausdrücklich dazuschreiben. Will man auch keine persönlich adressierte Werbepost bekommen, kann sich bei der Robinsonliste des Deutschen Dialogmarketing Verbands registrieren. Der Eintrag in die Sperrliste ist kostenlos und auch hier kann man selektieren, zwar nicht nach einzelnen Firmen, aber immerhin nach Branchen. 

Quelle: ntv.de

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