Sechs Lehren des 9. Spieltags Götze findet's "scheiße", die VfL-Fans auch
31.10.2016, 13:38 Uhr
Mario Götze hadert mit der Situation.
(Foto: dpa)
Der FC Bayern mausert sich wieder zur Übermacht. Der BVB hat ein Problem mit dem Herbst. Ingolstadt bleibt trotz historischem Debakel gelassen und die Liga dank einiger Überraschungen spannend.
1. Die Gegner fürchten den FC Bayern wieder
Dirk Schuster, Trainer des FC Augsburg, atmete nach dem FC-Bayern-Doppelpack in DFB-Pokal und Fußball-Bundesliga tief durch. "Gott sei Dank" seien die Duelle mit dem Rekordmeister vorbei und glücklich sei er, dass seine "Mannschaft sich nicht habe abschlachten lassen." So ein Spiel könne auch mal ganz schnell "0:4, 0:5, 0:6" ausgehen. Ist es aber nicht, am Ende stand "nur" ein 1:3, weil sich die Augsburger nach dem frühen Doppelschlag der Münchener tapfer gewehrt haben, ohne allerdings wirklich eine Chance zu haben. Dafür waren die Bayern an diesem neunten Spieltag zu gut: Druckvoll, dynamisch, überlegen und ein wenig verliebt in ihr neues altes Traum-Duo. Doppeltorschütze Robert Lewandowski, der zuvor fünf Ligaspiele ohne Tor geblieben war, und Vorlagen-Kumpel Arjen Robben wirbelten so schön und harmonisch miteinander, dass nach Abpfiff rosa Herzchen über den Bayern schwebten.
"Die beiden haben heute Abend noch ein Date", sagte Bayerns lustiger Vorstandvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge über "Robbandowski". Der nicht minder lustige Robben sprach daraufhin: "Das Restaurant ist reserviert." Und hätte Lewandowski an diesem Nachmittag noch ein drittes Tor erzielt, "wäre auch eine Übernachtung mit drin gewesen". So gut die Laune beim Tabellenführer war, so groß ist nun auch wieder der Respekt vor der Elf des Trainers Carlo Ancelotti. "Großes Kompliment. Absolute Weltklasse! Was sie da gespielt haben, ist ganz schwer zu verteidigen", sagte FCA-Manager Stefan Reuter. In München werden sie es nach der harten Kritik der vergangenen Wochen gerne hören - und weitermachen, bereits am Dienstag in der Champions League beim PSV Eindhoven (20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de).
2. Der Oktober kann so grausam sein …
… zumindest in Dortmund. Was jetzt nicht an der Stadt liegt. Sondern eher am dort beheimateten Fußball-Klub Borussia. Der befindet sich nämlich nach der Nullnummer im Derby gegen den immer stärker werdenden FC Schalke 04 mittendrin in der Herbst-Depression. Wir sprechen bewusst nicht von Krise, denn das dementieren sie beim BVB vehement. "Wir haben keine Krise, stehen in der Champions League prima da, sind im Pokal eine Runde weiter, hinken nur in der Liga leider etwas hinterher", erklärte Weltmeister Matthias Ginter. Das ist so. Aus den letzten vier Spielen gab's keinen Sieg. Der letzte Dreier wurde am 23. September beim 3:1-Erfolg gegen Freiburg eingefahren. Bei, wie die "Bild" nachrecherchierte, frühlingshaften 20 Grad.
Doch seitdem will's nicht mehr laufen, weil freilich auch viele Spieler in Schwarzgelb nicht mehr laufen können. Zumindest sind sie verletzt und Trainer Thomas Tuchel daher Woche für Woche dazu gezwungen, das Personalpuzzle immer wieder neu zusammenzusetzen. Nur: Einen Sieg konnte Tuchel nicht herbeipuzzeln: "Die Situation nervt uns auch, die Lücke nach oben wird immer größer." Doch bei allem Frust über den ausbleibenden Erfolg überwiegt nach dem Schalke-Spiel wieder die Zuversicht. Immerhin erspielte sich der BVB nach Wiederanpfiff gleich mehrere gute Torchancen und war am Ende einem Sieg näher als der Erzrivale. "Die zweite Halbzeit macht uns großen Mut, dass wir kurz davor sind zu gewinnen. Das ist nur eine Frage der Zeit", sagte Tuchel. "Ich traue uns dann auch zu, dass wir in Serie gewinnen." Aktuell aber ist die Stimmung in Dortmund so, wie bei Nationalspieler Mario Götze: "Es fühlt sich scheiße an."
3. In Wolfsburg sind sie gereizt
Die Stimmung am Mittellandkanal ist etwas gereizt. Was daran liegen könnte, dass der VfL Wolfsburg nun auch gegen Bayer Leverkusen verloren hat und in der Tabelle auf dem drittletzten Tabellenplatz steht. Dabei hatte Manager Klaus Allofs doch Trainer Dieter Hecking nach dem siebten Spieltag gefeuert, auf dass alles besser werde. Wurde es aber nicht. Die Fans jedenfalls verabschiedeten die Mannschaft mit einem doch leicht aggressiven "Scheiß Millionäre". Da half es wenig, dass Allofs zu erklären versuchte, die Spieler seien das keineswegs. Auf das Plakat ihrer Anhänger, das sie während des Spiels über die ganze Breite der Tribüne gespannt hatten, hatten sie allerdings auch nicht reagiert. Zumindest nicht so, wie die Kundschaft sich das gewünscht hätte. "Schluss mit Durchhalteparolen - Kämpft jetzt!", stand da. Ein Appell, der nur eine Halbzeit lang fruchtete, als die Wolfsburger in Führung gingen. Am Ende stand für Übergangstrainer Valérien Ismael nach dem 1:3 in Darmstadt nun ein 1:2 gegen Leverkusen. Und Allofs musste einräumen, seine Spieler hätten ihre Nerven nicht im Griff gehabt. Die Stimmung am Mittellandkanal ist gereizt.
4. Köln, Hoffenheim, Leipzig sorgen für Furore
Das mit den Jägern des FC Bayern lassen wir mal. Niemand hat die Absicht, den Branchenprimus zu jagen. Weil niemand in der Lage ist, ihn ernsthaft zu bedrängen. Abgesehen davon macht es die Liga nicht uninteressanter, dass sich nach einem guten Viertel der Saison drei Mannschaften sehr weit oben in der Tabelle platziert haben, die dort nicht jeder erwartet hätte. Und zählt man neben RB Leipzig, der TSG Hoffenheim und dem 1. FC Köln auch noch die Berliner Hertha dazu, sind es sogar vier. Die üblichen Verdächtigen hingegen, allen voran Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach, folgen erst auf den Plätzen sechs, zehn und elf. Nicht nur in Köln haben sie Spaß dabei und erfreuen sich an den Künsten ihres Angreifers Anthony Modeste, der beim 3:0 gegen den Hamburger SV zwar einen Strafstoß vergab, aber dennoch alle drei Tore erzielte und mit elf Treffern die Liste der besten Ligaschützen anführt. Manager Jörg Schmadtke befand: "Im Moment haben wir einen Stürmer, der jede Fliege vom Pfosten schießt, außer beim Elfmeter. Obwohl, da hat er die Fliege getroffen. Der trifft wie gemalt." Ansonsten gelte: "Wir sind mit den 18 Punkten total happy. Wir stehen nicht zu Unrecht da oben."
Das sah Trainer Julian Nagelsmann für seine Hoffenheimer nach dem 1:0 gegen die Berliner Hertha ähnlich: "Vom Tabellenplatz rede ich aber nicht. Ich rede von der Leistung. Am meisten freue ich mich über die Punkte, die wir geholt haben. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind." Das gilt auch für ihn persönlich. Seit er im Februar die Mannschaft auf dem vorletzten Tabellenplatz übernommen hat, sammelte sie 42 Punkte. Besser waren in diesen acht Monaten nur der FC Bayern mit 58 und der BVB mit 48 Punkten. Am kommenden Samstag nun geht's für die Hoffenheimer nach München. Und Nagelsmann sagt: "Es ist der beste Gegner, der in der Fußball-Bundesliga wartet. Aber wir fahren dahin, um erfolgreich zu sein." Ein wenig weniger überraschend kommt der Erfolg der Rasenballsportler aus Leipzig daher, die als Aufsteiger nach dem 2:0 in Darmstadt weiter den zweiten Platz innehalten. Und auch in Sachsen halten sie den Ball flach. "Wir haben eine sehr, sehr schwere Aufgabe sehr souverän gemeistert", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl: "Ob wir jetzt als Spitzenmannschaft tituliert werden, ist für uns nicht wichtig. Wir wollen immer unsere Leistung abrufen und mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben."
5. Was ist los mit Ingolstadt?
Sie finden die Krise in Wolfsburg schlimm? Dann schauen Sie mal nach Ingolstadt. Die sind - bei freilich ganz anderer Kaderqualität - noch viel schlimmer dran. Zwei Punkte haben die Schanzer nach neun Runden auf ihrem Konto, seit 14 Punktspielen ist der FCI sieglos, in Mainz gab es ein freudloses 0:2. Neu-Trainer Markus Kauczinski, Nachfolger von Erfolgscoach Ralph Hasenhüttl, steht natürlich in der Kritik. Aber Ingolstadt geht einen ganz und gar ungewöhnlichen Weg.
Anders als die Panikorchester in Hamburg und Bremen halten die Bayern nämlich an ihrem Coach fest. Im Verein erhält der 46-Jährige trotz eines historischen Fehlstarts Rückendeckung. Sportdirektor Thomas Linke setzt auf Kontinuität - vorerst. "Wir versuchen gemeinsam, aus der Misere herauszukommen." Seine Plädoyers für den Übungsleiter wirkten allerdings auch schon glaubwürdiger und überzeugter. Die gute Stimmung ist dem ehemaligen Nationalspieler aber hörbar abhandengekommen, nachdem seit 22 Jahren keine Mannschaft so schlecht in eine Bundesligasaison gestartet war. "Jeder weiß, wie schwierig das ist. Wir haben wieder nicht voll überzeugt", sagt dann auch der angefasste Kauczinski. Für den ehemaligen Karlsruher wird die holprige Premiere im Oberhaus zu seiner bislang größten Prüfung. "Das ist neu für mich, so eine Situation habe ich noch nicht gehabt. Es ist eine besondere Herausforderung in diesem Moment." Will er sie erfolgreich bewältigen, sollte er sich beeilen. Am besten schon mit einem Sieg im Bayern-Derby gegen den FC Augsburg am Samstag.
6. Der HSV hat den Kopf kaputt
Ach, der HSV. Es ist doch seit Jahren stets das Gleiche. Was soll einem zu diesem Trauerspiel noch einfallen? Mit 0:3 haben die Hamburger zum Abschluss dieses neunten Spieltags in Köln verloren, stehen mit zwei Punkten am unteren Ende der Tabelle - und Angreifer Pierre-Michel Lasogga stellt sich hinterher hin und sagt: "Wir sind konkurrenzfähig in der Liga." Es war seine beste Szene bei diesem beklagenswerten Auftritt. Seit 662 Minuten wartet der einst so ruhmreiche HSV nun in der Liga auf ein Tor. Seit neun Spielen wartet er auf den ersten Saisonsieg. Und nach der Roten Karte gegen Bobby Wood hat er in dieser Saison mehr Platzverweise, nämlich drei, kassiert als Tore geschossen - nämlich zwei. Geht das so weiter, reicht es dieses Mal nicht einmal für die Relegation. Und Markus Gisdol, der nach dem fünften Spieltag den Job des Trainers von Bruno Labbadia übernommen hatte, dürfte so langsam dämmern, auf was er sich da eingelassen hat: "Es gibt viele Sachen, auf denen wir aufbauen können. Dass wir nicht plötzlich explodieren, ist aber auch klar." Klingt neben der Einlassung Lasoggas nach der zweiten exklusiven Einschätzung eines Hamburgers. Aber was soll er auch sonst sagen? Vermutlich ist es aber so, wie es der japanische Verteidiger Gotoku Sakai formulierte: "Der Blick auf die Tabelle macht unseren Kopf kaputt." Ach, der HSV.
Quelle: ntv.de