Fußball

Sechs Dinge, gelernt am 6. Spieltag Guardiola staunt, S04 schleicht, BVB motzt

Magischer Moment: Josep Guardiola.

Magischer Moment: Josep Guardiola.

(Foto: REUTERS)

Der Trainer des FC Bayern wundert sich, dass Angreifer auch Fußball spielen können, die Dortmunder fühlen sich wie Verlierer - und die Schalker tanzen sich mit elastischen Beinen wie Schmidtchen nach oben.

1. Guardiola staunt über Offensivquartett

Natürlich reden auch zwei Tage danach noch alle über Robert Lewandowski. Es waren fünf magische Momente, als der polnische Nationalspieler am Dienstagabend fünf Tore gegen den VfL Wolfsburg erzielte - in exakt 8 Minuten und 59 Sekunden. Und so steht der FC Bayern nach diesem sechsten Spieltag der Fußball-Bundesliga dort, wo ihn längst alle erwartet hatten: an der Spitze der Tabelle. Nicht darüber, sondern über die Offensivshow seines Ensembles in der zweiten Halbzeit staunte selbst Trainer Josep Guardiola. Nach dem fünften und für diesem Abend letzten Treffer Lewandowskis stand er an der Seitenlinie und fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Hinterher sagte er: "Ich verstehe das nicht. Ich habe noch nie so eine Situation erlebt, weder als Trainer noch als Spieler."

Das passt: Douglas Costa und Robert Lewandowski.

Das passt: Douglas Costa und Robert Lewandowski.

(Foto: imago/Team 2)

Vielleicht hat sich Guardiola, der doch nichts mehr liebt als Mittelfeldspieler, auch ein wenig darüber gewundert, dass Stürmer auch Fußball spielen können. Anderseits ist Lewandowski zwar einer, der nicht erst seit seiner Gala gegen Wolfsburg die Berufsbezeichnung eines amtlich geprüften Torjägers tragen darf, nun wirklich keiner, der im Strafraum des Gegners als zentraler Stürmer darauf wartet, dass ihm die Kollegen den Ball servierfertig auf den Fuß oder Kopf liefern. Er beteiligt sich lebhaft am Aufbauspiel, kann auch viel mit schwierigen Bällen anfangen, leitet sie weiter, legt vor. Besonders gut kann er das mit Mario Götze, der nach der Pause auf der rechten Angriffsseite spielte, Douglas Costa, der die linke Außenbahn besetzte, und Thomas Müller, der nach der Pause hinter Lewandowski wirbelte. Dieses Quartett ist offensiv das Beste, was der FC Bayern derzeit zu bieten hat. Und es ist besser als alles andere, was es in der Bundesliga zu sehen gibt. Für die Münchner ist das eine gute Nachricht, zumal sie sich jüngst noch die Dienste des Franzosen Kinsley Coman gesichert haben - für die verletzten Arjen Robben und Franck Ribéry eher nicht.

2. Der BVB fühlt sich als Verlierer

Nun ist es also passiert, die Dortmunder Borussia hat in Sinsheim die ersten Punkte in dieser Saison abgegeben. Nun ist zwar nicht alles, was hinkt, deswegen ein Vergleich. Dennoch sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass der FC Bayern am zweiten Spieltag bei der TSG Hoffenheim ebenfalls seine Probleme hatte, gleich in der ersten Minute ein Tor kassierte, nach Jérôme Boatengs Platzverweis die letzten 20 Minuten in Unterzahl spielte - aber das Spiel doch noch mit 2:1 gewann. Anderseits ist es so: Der BVB steht nach sechs Partien mit 16 Punkten und 19:4 Toren bestens dar. Nur mal so: Nach der Rückrunde er vergangenen Saison waren es 15 Zähler und 18:26 Tore.

Gereizt: Mats Hummels.

Gereizt: Mats Hummels.

(Foto: imago/MIS)

Das 1:1 bei der TSG hat die Dortmunder zwar mächtig geärgert, weil sie nicht völlig zu Unrecht den Eindruck hatten, in der Rhein-Neckar-Arena sei mehr für sie drin gewesen. Aber so ein Remis ist nicht ehrabschneidend und kann auch einer Spitzenmannschaft mal passieren - außer dem FC Bayern vielleicht. Und mit den Münchnern vergleichen wollen sie sich in Dortmund sowieso nicht. "Bayern hatte Lewandowski. Wir heute nicht. Das Unentschieden war ein bisschen bitter, weil wir die besseren Chancen hatten", sagte Dortmunds Torhüter Roman Bürki. Trainer Thomas Tuchel, der Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan zunächst - zu lange? - schonte, freute sich zwar, dass seine Spieler mit dem Unentschieden nicht zufrieden waren. So warf sich Mats Hummels nach dem Abpfiff entnervt auf den Rasen und Außenverteidiger Marcel Schmelzer motzte über "zu viele lange Bälle in der ersten Halbzeit, die nichts gebracht haben". Aber Tuchel warnte auch: "Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht als Verlierer fühlen, denn das sind wir nicht." Und einer hatte sogar gewonnen: Pierre-Emerick Aubameyang erzielte nach 54 Minuten den Ausgleich, sein siebter Treffer in dieser Saison. Damit ist der der erste Spieler in der Ligageschichte, der in den ersten sechs Partien einer Saison jedes Mal getroffen hat.

3. Stuttgart und Mönchengladbach wachen auf

Wie stets, wenn ein neuer Trainer sofort Erfolg hat, drängt sich die Frage auf: Warum klappt's nun plötzlich? André Schubert jedenfalls hat die Mönchengladbacher nach Lucien Favres ominösem Abgang übernommen. Und am Mittwoch gewinnt die Borussia zum ersten Mal in dieser Saison - mit 4:1 gegen den FC Augsburg. Nach sage und schreibe 21 Minuten hatte die Elf von Niederrhein bereits ihre vier Tore geschossen, nachdem ihr in den fünf Partien zuvor gerade einmal zwei gelungen waren. Ominös. Oder? Kapitän Granit Xhaka sagte dazu: "Wir waren alle heiß, weil der Trainer uns auch heiß gemacht hat. Er hat uns gesagt, dass wir die letzten Wochen vergessen und nicht so viel nachdenken müssen." Und Manager Max Eberl konstatierte: "André hat es geschafft, die Jungs freizumachen. Er hat gesagt: Lasst alles hinter euch." Was lernen wir daraus? Fußball ist offenbar ein schlichter Sport.

Geht doch: Timo Werner, hier im Zweikampf mit Hannovers Christian Schulz.

Geht doch: Timo Werner, hier im Zweikampf mit Hannovers Christian Schulz.

(Foto: imago/DeFodi)

Das mag sich auch Timo Werner gedacht haben. Der Mann steht in Diensten des VfB Stuttgart, ist von Beruf Angreifer und 19 Jahre alt. Da wiegt es gemessen an der bisher absolvierten Lebenszeit um so schwerer, dass er seit dem 28. November 2014, also seit 1105 Bundesligaminuten kein Tor mehr erzielt hatte - bis dann an diesem Mittwochabend die 18. Minute in der Partie bei Hannover 96 kam und er tatsächlich das 2:1 für den VfB erzielte. Am Ende gewannen die Stuttgarter mit 3:1 und feierten wie die Kollegen aus Gladbach den ersten Sieg in dieser Spielzeit. Und damit den ersten Erfolg unter ihrem neuen Trainer Alexander Zorniger. "Ich hoffe, es dauert nicht noch einmal so lange, bis ich wieder treffe", sagte Werner. Sein Trainer war jedenfalls nicht unzufrieden: "Das ist für uns ein extrem befreiender Sieg. Die spielerische Klarheit war nicht so gut wie zuletzt, aber die Leidenschaft und der Wille waren da. Wir haben nicht ganz unverdient gewonnen - das tut uns gut."

4. Schalke schleicht wie Schmidtchen

Jetzt mal ohne auf die Tabelle zu gucken: Auf welchem Platz steht eigentlich der FC Schalke 04? Na? Richtig, auf Platz drei. Überrascht? Wir auch. Wie Schmidtchen Schleicher haben sich die Gelsenkirchener auf den Platz hinter dem Top-Duo aus München und Dortmund vorgerobbt - und dürfen sich nach dem souveränen, wenn auch nicht begeisternden 2:0-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt für den besten Saisonstart seit Beginn dieses Milleniums feiern lassen. Und sie dürfen sich feiern lassen, weil sie alte, in Gelsenkirchen maximal geschätzte Tugenden wieder ausgegraben haben: laufen, kämpfen, malochen.

Oder wie Zugang Johannes Geis es ausdrückt: "Wir wissen, was für Schweineläufe wir gemacht haben mit unseren Fitnesstrainern in der Vorbereitung. Wir haben uns alle aufgeregt. Aber das kommt uns jetzt entgegen. Man sieht, dass wir Gas geben können." Und sie können vor allem deshalb, weil das Team unter dem neuen Trainer defensiv wieder sehr stabil agiert. In sechs Spielen gab's gerade mal fünf Gegentore - allein drei davon am dritten Spieltag gegen Wolfsburg. Die Sicherheit, mit Ralf Fährmann den derzeit vielleicht besten Bundesliga-Keeper im Tor stehen zu haben, überträgt sich auf das ganze Team. Die auf Schalke immer mal wieder umstrittenen Joel Matip und Roman Neustädter bilden derzeit ein sehr seriöses Innenverteidigerpärchen. Im Mittelfeld hat die Jugend um Max Meyer, Johannes Geis und Leon Goretzka Spaß an der Schalker Spielidee und vorne drin steht mit Klaas-Jan Huntelaar, Eric-Maxim Choupo-Moting, Franco di Santo und Leroy Sane mächtig viel Abschlussqualität zur Verfügung - auch wenn bislang kaum einer, mit Ausnahme von Sane vielleicht, eine richtig gute Saison spielt. Und bei all der Lobhudelei wollen wir einen nicht vergessen: André Breitenreiter. Doch das Kompliment wollen wir nicht selbst aussprechen, wir erteilen Sportvorstand Horst Heldt das Wort: "Der Trainer macht einen hervorragenden Job."

5. Allet dufte in der Hauptstadt

Und nochmal: Ohne auf die Tabelle zu gucken: Wo steht die Berliner Hertha? Letzter? Relegationsplatz? Nein! Zehn Punkte aus sechs Runden bedeuten Platz fünf. Nur einen Zähler hinter Wolfsburg und punktgleich, aber dank des besseren Torverhältnisses vor, Obacht, dem Hamburger SV, dem 1. FC Köln und dem FC Ingolstadt. Was für eine Tabelle. Kommen wir aber wieder zur Hertha. In Berlin gibt's nicht wenige Menschen, die selbst eine Freikarte für das Spiel des ligahöchsten Hauptstadtklubs dankend ablehnen würden. Die Spielstätte viel zu weit draußen, im Herbst und Winter zu kalt, zu zügig, die Stimmung schlecht und der Fußball erst. Nun ja, vielleicht stimmte das in der Vergangenheit sogar. Aber in dieser Saison ist alles ganz anders. Zwar wird im Olympiastadion immer noch kein Tiki-Taka geboten, aber Coach Pal Dardai hat eine gute Idee von Fußball. Und seine Mannschaft, mit wenigen, aber dafür intelligent ausgewählten Neuzugängen, setzt den Plan des Ungarn bestens um. Die beiden Niederlagen gegen Dortmund (1:3) und Wolfsburg (0:2) können passieren. Unter dem Strich steht der beste Saisonstart seit 2007. Das macht nicht nur Kapitän Fabian Lustenberger Spaß: "Die Leute", hat er beobachtet, "kommen wieder gerne ins Stadion". Beim 2:0-Erfolg gegen Köln am Dienstagabend waren's bei nasskaltem Schmuddelwetter erfreuliche 40.181.

Und sie sahen eine Mannschaft, die angetrieben von den lauf-, kampf- und spielstarken Neuzugängen Mitchell Weiser und Vladimir Darida, den 1. FC Köln mit hoher Passsicherheit, frühen Balleroberungen und einem ruhigen Spielaufbau souverän beherrschte. Dass mit Vedad Ibisevic ebenfalls ein Neuer auch noch beide Tore beisteuerte, macht den nicht unbedingt als emotionalen Ausnahmeathleten bekannten Trainer zwar froh, doch eine noch größere Endorphinausschüttung verspürt er beim Zugucken seiner Jungs auf dem Pflichtspielfeld: "Dass wir guten Fußball spielen, macht mich glücklich."

6. Hannover? Hoffnungslos!

An dieser Stelle verzichten wir auf kleine Ratespielchen: Sechs Spiele, ein Punkt, Letzter. Hannover 96 ist dort angekommen, wo niemand hin will. Aber so richtig wahrhaben wollen sie die Situation an der Leine nicht. "Abstiegskampf", erklärt Klub-Boss Martin Kind, "gibt es in der letzten Phase der Saison. Ich hoffe, wir haben die Probleme nur jetzt und finden dann zu Stabilität". Nun, so richtig viel hat das mit der Realität auf dem Platz derzeit nicht zu tun. Hannover ist die schlechteste Mannschaft der Liga. Kein Team hat mehr Gegentore kassiert und das, obwohl mit Ron-Robert Zieler ein Weltmeister im Tor steht. Auch in der Offensive läuft's nicht rund, fünf Treffer bedeuten den drittharmlosesten Angriff - immerhin noch ein Tor besser als Bayer Leverkusen. Was also macht Hoffnung? Neuzugänge? Transferfrist vorbei. Rekonvaleszenten? Gibt's nicht, mit Ausnahme von Edgar Prib und dem bislang noch nicht wirklich überzeugenden Charlison Benshop fehlt kein ernst zu nehmender Kandidat für die Startelf. Die Schwächen der Konkurrenz? Ein Trugschluss. Denn im Gegensatz zur Elf von Michael Frontzeck, die bislang keine erkennbar erfolgsversprechende Spielidee hat, haben der VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach, die TSG Hoffenheim und der FC Augsburg in dieser Saison trotz äußerst magerer Punktausbeute schon mindestens einmal gezeigt, wie gut sie eigentlich kicken können. Hannover nicht.

Quelle: ntv.de

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