Sechs Dinge, die wir gelernt haben Vogts büßt, Sammer wettert, Klopp ratlos
03.11.2014, 13:13 Uhr
Den hätte er gerne wieder: Dortmunds Trainer Jürgen Klopp mit Robert Lewandowski, der ja jetzt für den FC Bayern spielt.
(Foto: imago/ActionPictures)
Mönchengladbach siegt und lässt Berti Vogts büßen, dem FC Bayern ist die Spannung wurscht, der BVB ist er beste Vorletzte der Bundesliga-Geschichte. Und Ex-Schiri Markus Merk hat zweideutige Bettwünsche.
1. Mönchengladbach ist die Mannschaft der Stunde
Früh am Montagmorgen, Gladbachs virtuoser 3:1-Sieg über die TSG Hoffenheim war wenige Stunden jung, beschäftigte den Kollegen Raphael Honigstein eine Frage. Also twitterte er in die Nacht: "Hat sich Berti V. eigentlich je für seinen Eberl-Fahrrad-Spruch entschuldigt?" Der Fahrradspruch von Berti Vogts! Der war im Februar 2011 gefallen und triefte - mitten im Gladbacher Abstiegskampf - nur so vor Häme gegen Eberl, der Wortlaut: "Er weiß ja gar nicht, wie er in diese Position gekommen ist. Er ist wahrscheinlich zufällig mit dem Fahrrad vorbeigefahren und Rolf Königs hat ihn gesehen und dann gesagt: 'Max, willst Du nicht Sportdirektor werden?'" Vogts Tirade gipfelte in der vernichtenden Behauptung: "Er ist kein Borusse! Er ist mal von Torpfosten zu Torpfosten gelaufen und mehr nicht." Was alternde Männer so sagen, wenn sie die nackte Angst um ihren Herzensklub packt (und sie auf einen Job als Retter spekulieren).
Dreieinhalb Jahre später wirken Vogts' Aussagen komplett aus der Welt gefallen. Eberl ist vielleicht kein Borusse, wie Vogts einer war. Aber er hat aus Gladbach gemeinsam mit seinem Trainer Lucien Favre einen Champions-League-Anwärter gemacht. Nach den Münchner Bayern spielt Gladbach derzeit den schönsten Fußball der Liga. Defensiv stabil, offensiv ungeheuer druckvoll und zielstrebig, nur etwas verschwenderisch bei seinen Torchancen. Das war auch im Verfolgerduell gegen die zuvor ungeschlagenen Hoffenheimer so. Trotzdem stand - am 57. Favre-Geburtstag - am Ende ein hochverdienter 3:1-Erfolg und das 17. Pflichtspiel in Serie ohne Niederlage. Das gab es zuvor nur einmal, unter dem legendären Hennes Weisweiler, in den 1970ern. Aber um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ja, Vogts hat sich bei Eberl entschuldigt. Aber er war ja nicht der Einzige, der sich im Frühjahr 2011 schwer in Gladbach getäuscht hat.
2. Dortmund hat den FC Bayern geweckt

Yeah, Baby: Bayerns Sportdirektor Matthias Sammer feiert mit Coach Josep Guardiola den hart erarbeiteten Sieg über den BVB.
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Eines muss man den kriselnden Dortmundern lassen: Spannend war es bei der absurderweise immer noch Spitzenspiel genannten Partie in München. Den FC Bayern viel, wenn nicht alles abverlangt zu haben, ist aller Ehren wert und mehr, als den meisten Mannschaften gegen den übermächtigen Meister gelingt. Auch wenn sich der BVB am Ende dafür nichts kaufen kann, ist es doch so, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb: "Gefühlt sind sie immer noch die Zweitbesten, gezählt die Zweitschlechtesten." Die Bayern dürften diese Partie als Weckruf verstanden haben - falls sie jemals in Gefahr waren, vor lauter Ligalangeweile einzuschlafen. In der ersten Halbzeit am Samstag waren sie eher Zuschauer als Dominator.
Doch nach dem Wechsel machten sie unfassbaren Druck, glänzten mit ihrer Spielkunst - und Trainer Josep Guardiola brachte nach 70 Minuten Franck Ribéry, laut "Süddeutscher Zeitung" zurzeit der "wertvollste Teilzeitbeschäftigte des deutschen Fußballs". Der dann auch das Spiel entschied. Aber nach dem glücklichen 0:0 in Mönchengladbach mussten sich die Münchner erneut richtig anstrengen - was nichts daran ändert, dass sie weiter an der Tabellenspitze thronen. Aber es sind nur vier Punkte auf die Wolfsburger und besagte Gladbacher. Was Sportvorstand Matthias Sammer veranlasste, zur Diskussion um die schwindende Attraktivität der Bundesliga zu sagen: "Das ist dummes Zeug." Wobei ihm dieses Thema eh wurscht ist: "Die Liga ist für die Spannung verantwortlich, nicht wir. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir unsere Spiele gewinnen. Glauben Sie, dass Pep Guardiola und ich für einen sozialen Gedanken einen Preis bekommen?" Nein, glauben wir nicht. Aber die Bayern sind jetzt wach.
3. Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß
Es gibt Dinge im Fußball, die kann man nicht erklären. Peter Neururer zum Beispiel. Oder Luis Suarez. Der Uruguayer gilt als einer bisswütigsten und besten Stürmer der Welt, im Sommer ist er für 86 Millionen Euro zum FC Barcelona gewechselt. Der startete ohne Suarez mit sieben Siegen in den ersten acht Saisonspielen in die Primera Division, blieb dabei ohne Gegentor. Seit zwei Partien darf Suarez mitspielen, er bildet jetzt gemeinsam mit einem gewissen Lionel Messi und Neymar den Barça-Sturm. Das Resultat: eine bittere und eine historische Niederlage für die Katalanen und das Abrutschen auf Platz vier. Auch in Dortmund kämpfen sie gerade mit einer Krise, über die Dortmunds Trainer Jürgen Klopp sagt: "Die gängigen Erklärungen greifen nicht."
Beim 1:2 in München drehte der BVB die Zeit im Klopp'schen Sinne zurück und spielte phasenweise groß auf. Trotzdem setzte es die fünfte Liganiederlage in Folge und gäbe es Werder Bremen nicht, der BVB wäre jetzt der beste Tabellenletzte der Ligagesschichte. Dass es nicht läuft, war am Wochenende nicht nur an der Tabelle und den derben Situationsbeschreibungen der Dortmunder erkennbar, sondern auch an anderen Kleinigkeiten. An der 16. Spielminute etwa, als Torhüter Roman Weidenfeller den Ball abschlagen wollte - und Mitspieler Henrikh Mkhitaryan am Hinterkopf traf. Oder am Lamborghini von Dortmunds fußballspielendem Sprinter Pierre-Emerick Aubameyang. Den musste der Stürmer am Sonntag auf dem Weg zum Training unfreiwillig abstellen - mit einem Platten am Hinterrad. Es läuft halt einfach nicht rund beim BVB. Nur erklären lässt sich das nicht.
4. Ostwestfalen lässt Hertha gruseln
Pokalaus bei der drittklassigen Bielefelder Arminia, deutliche und verdiente Niederlage beim Aufsteiger SC Paderborn - die Berliner Hertha blamiert sich in der ostwestfälischen Provinz. Der Stimmung ist das wenig zuträglich, die Fans aus der Hauptstadt begrüßten ihre Mannschaft schon vor dem Anpfiff per Plakat als "Pokalversager". Mittelfeldspieler Marcel Ndjeng sagte hinterher: "Wir haben eine peinliche Leistung abgeliefert. Wir sind nach dem 0:1 zurückgekommen und bekommen so ein banales Tor. Das war zu einfach, das war naiv. Es gibt noch viel zu tun für uns." Berlins Trainer Jos Luhukay hatte das ähnlich gesehen: "Wenn man so spielt, dann hat man nicht mehr verdient. Wir haben das Spiel nicht angenommen." Warum das so war, wusste er auch nicht. "Ich bin nicht nur enttäuscht, ich bin tief enttäuscht. Wir müssen uns hinterfragen." Dann mal los. In Paderborn hingegen ist alles paletti. André Breitenreiter zeigte sich wieder einmal euphorisiert, kein Wunder bei 15 Punkten aus zehn Spielen und Platz sieben in der Tabelle: "Wir wollten unbedingt gewinnen, und wir sind froh, dass es gelungen ist. Wir wollten die Aufstiegseuphorie mitnehmen, und die Jungs setzen das Woche für Woche um. Sie wollen auch weiterhin Gas geben." Sagte der Trainer einer Mannschaft, die vier Punkte vor der Hertha steht. Und, das nur nebenbei, acht vor Borussia Dortmund.
5. Twittern will gelernt sein
Am Samstag ist Ex-Schiedsrichter Markus Merk unter die Twitterer gegangen. Die Zahl seiner Follower entwickelte sich sehr respektabel. Am Abend waren es bereits 997 Menschen, die sich vom Bezahlfernseh-Experten mit Weisheiten in maximal 140 Zeichen beglücken lassen wollen. Nur: Das reichte Merk nicht. Und deshalb warb er, kurz vor dem Schlafengehen, um Zuwachs - mit den Worten: "Ich würde gerne mit 1000 Followern ins Bett gehen – schaffen wir das?" Das Urteil der Netzgemeinde auf den eindeutig zweideutigen Tweet des Twitter-Novizen fiel einstimmig aus: Sie lachte, ein wenig über, vor allem aber mit Merk. Der löschte den Tweet später, was eher unüblich ist, und entschuldigte sich. Verbale Augenzwinkereien blieben ihm dennoch nicht erspart. Sein Experten-Kollege Jan Aage Fjortoft etwa bat um Fotos und witzelte: "Wird ein Sensation!! Markus ist fit." Immerhin: Sein Ziel erreichte Merk, inzwischen steht er bei mehr als 1600 Followern. Eindeutig ein starkes Debüt. @ntvde_sport empfiehlt deshalb: Folgen Sie diesem Mann - wohin auch immer.
6. HSV-Fans mögen Calhanoglu nicht
Das war kein schöner Empfang, den die Fans des Hamburger SV Hakan Calhanoglu bereiteten. In der vergangenen Saison hatte der türkische Nationalspieler noch einen gehörigen Anteil daran, dass der HSV trotz einer katastrophalen Saison am Ende dennoch nicht abstieg. Es folgten öffentliche Treueschwüre und dann doch der etwas unrühmliche Wechsel für 14,5 Millionen Euro zu Bayer Leverkusen - und nun seine Rückkehr zum Ligaspiel am Samstag. Dort spielten beide Mannschaften in einer hasserfüllten Atmosphäre wenig Fußball, die "Süddeutsche Zeitung" hatte gar "in Wahrheit eine Schlacht" gesehen. "Alle auf die 10", skandierten die HSV-Fans schon vor Spielbeginn, "Hurensohn", "Wichser" - Calhanoglu war Feindbild Nummer eins, gellende Pfiffe, sobald Calhanoglu am Ball war; und das übertrug sich auf den Rasen. Leverkusens Trainer Roger Schmidt klagte: "Das war eine Treibjagd. Das ist nicht in Ordnung, wie viele Spieler auf uns einstürzen." Lob hatte er nur für Calhanoglu übrig: "Hakan hat das bemerkenswert gemacht, da sollten sich die da draußen mal ein Beispiel dran nehmen. Er kann mit Druck umgehen. Sonst würde der HSV heute vielleicht in der zweiten Liga spielen."
Quelle: ntv.de