Auf dem Holzweg Mit Strom aus Körperwärme geht die Smartwatch nie aus


Bei Sport strahlt der Körper sogar bis zu 300 Watt ab.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Irische und spanische Forscher finden eine Möglichkeit, mit einem thermoelektrischen Generator aus Holzabfällen umweltfreundlich Energie aus Körperwärme zu gewinnen. So könnten unter anderem Smartwatches und Fitnesstracker betrieben werden. Das Potenzial der Technologie ist aber noch weit größer.
Der menschliche Körper strahlt kontinuierlich Wärme ab - mehr, als man vielleicht denkt. Laut einer Berechnung der Cornell University im US-Bundesstaat New York entspricht sie pro Quadratfuß (square feet) etwa 19 Streichhölzern pro Stunde. Oder wie die ETH Zürich schreibt: Im Schnitt strahlt der menschliche Körper kontinuierlich etwa 100 Watt an thermischer Energie ab.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Limerick und Valencia wollen diese Energie nutzen. Sie haben in einer bei "Advanced Functional Materials" erschienenen Studie nicht nur eine Methode entwickelt, Körperwärme in elektrischen Strom umzuwandeln. Die Technologie ist auch noch besonders nachhaltig.
Grundlagen aus Darmstadt
Grundlage der Umwandlung sind thermoelektrische Generatoren (TEG) aus Halbleiterelementen, die in der Lage sind, mit geringen Temperaturunterschieden Strom zu erzeugen. Neu sind diese Überlegungen nicht, man forscht bereits seit einigen Jahren daran. Oft kämen für deren Herstellung jedoch Cadmium, Blei oder Quecksilber zum Einsatz, schreibt Projektleiter Muhammad Muddasar von der Universität Limerick in "Conversation". "Aber wir haben herausgefunden, dass man thermoelektrische Materialien auch aus Holz herstellen kann - eine sichere und nachhaltige Alternative."
Genau genommen setzen die spanischen und irischen Forschenden die Arbeit eines Teams der TU Darmstadt unter Leitung von Steffen Hardt fort, das das Verfahren entdeckt hat: Die Energiewandlung erfolgt in einem Material mit winzigen Nanokanälen, gefüllt mit einer hoch konzentrierten Salzlösung. Ist eine Seite des Materials wärmer als die andere, kommt es zu einem thermoelektrischen Effekt.
Der Temperaturunterschied bewirkt, dass sich die Ionen (geladene Atome) in der Salzlösung bewegen. Positive Ionen driften zur kühleren Seite, während sich negative Ionen zur wärmeren Seite hin bewegen. Dadurch entsteht Spannung (Potenzialdifferenz), aus der Strom erzeugt werden kann.
Membranen aus Lignin
Das Forschungsprojekt von Muddasars Team setzt für das Verfahren Membranen aus Lignin ein, ein Nebenprodukt der Papier- und Zellstoffherstellung, das in großen Mengen anfällt. Dabei handelt es sich um Biopolymere, eine Substanz, die in den Zellwänden von Pflanzen vorkommt und dort als eine Art Kleber fungiert. Sie ermöglicht, dass Pflanzen fest und stabil bleiben, indem sie die Zellen miteinander verbindet. Das nennt man Verholzung.
Etwa 20 bis 30 Prozent der Trockenmasse einer verholzten Pflanze sind Lignin. Laut Research and Markets fallen in der Papier- und Zellstoffproduktion weltweit jährlich rund 50 Millionen Tonnen Lignin an. Gewöhnlich wird es thermisch verwertet. Das heißt, es wird verbrannt, um Wärme oder Strom zu erzeugen.
Wegen seines hohen Kohlenstoffgehalts, seiner niedrigen Kosten und seiner biologischen Erneuerbarkeit wird Lignin aber zunehmend industriell genutzt. Denn es ist ein wichtiger Vorläufer für die nachhaltige Synthese von Chemikalien, Polymeren und Werkstoffen, die die derzeitigen erdölbasierten Produkte ersetzen oder ergänzen können.
Industrielle Zukunft
Die Stromerzeugung aus Körperwärme für Smartwatches und andere tragbare Elektronikgeräte (Wearables) ist nur der erste Schritt. Mit den Lignin-TEGs soll künftig unter anderem auch die Abwärme in der Industrie in Strom umgewandelt werden. Laut Muddasar fallen hier 66 Prozent im Bereich unter 200 Grad an, der für die Nutzung der Technologie infrage kommt.
Sie könne in vielen Bereichen eingesetzt werden, schreibt er. Dies reiche von der Energieversorgung in abgelegenen Gebieten bis hin zur Versorgung von Sensoren und Geräten in alltäglichen Anwendungen. Ihr umweltfreundlicher Charakter mache sie auch zu einer vielversprechenden Lösung für die nachhaltige Energieerzeugung in Gebäuden und Infrastrukturen.
Auch Speicher-Lösung mit Lignin
Dafür ist eine effiziente, kostengünstige und nachhaltige Speicherung der Energie ebenso wichtig wie deren Gewinnung. Normalerweise kommen für solche Anwendungsszenarien Superkondensatoren zum Einsatz, die Strom schnell speichern und abgeben können.
Problematisch sei hier der Einsatz von Kohlenstoffmaterialien aus fossilen Brennstoffen, so Muddasar. Seine Forschungsgruppe habe aber herausgefunden, dass auch hier Lignin die Lösung sein kann. Daraus gewonnener poröser Kohlenstoff könne als Elektrode in Superkondensatoren zur Energiespeicherung dienen.
Dieser Ansatz biete eine nachhaltige Lösung ohne schädliche Chemikalien und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, resümiert Muddasar. "Diese Innovation in der Energiespeichertechnologie könnte alles von Unterhaltungselektronik über Wearable Technology bis hin zu Elektrofahrzeugen antreiben."
Quelle: ntv.de