Wirtschaft

Milliarden für die Autoindustrie Wer die Zeche für die Elektro-Offensive zahlt

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Die Bunderegierung steht unter Druck: In der Autoindustrie kriselt es gewaltig, mindestens jeder zweite Job ist in Gefahr.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bei E-Mobilität klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Das soll sich ändern. Bundesregierung und Industrie einigen sich auf dem Autogipfel auf höhere Kaufprämien und mehr Ladestationen. Ist das der Durchbruch? Eine Einschätzung.

Glaubt man Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, war der Autogipfel ein "guter Abend für die Mobilität". Aber ist der "Masterplan Ladeinfrastruktur", auf den sich Bundesregierung und Autoindustrie geeinigt haben, wirklich ein großer Wurf?

Mitnichten. Eine Million Ladepunkte für Elektroautos soll es bis 2030 geben. Das ist zum einen nichts Neues, weil dieses Ziel schon im Klimapaket formuliert war. Und zum anderen, weil immer noch völlig unklar ist, wie dieses Ziel erreicht werden soll. "Der Aufbau von Ladeinfrastruktur muss langfristig eine Aufgabe der Wirtschaft sein", heißt es vage in der Mitteilung nach dem Gipfel. Tatsache ist: Die Autoindustrie sieht sich nicht in der Pflicht. Ladesäulen interessieren die Hersteller nicht sonderlich, sie wollen eigentlich nur Autos bauen. Immerhin wollen sie von den 50.000 bis 2022 angepeilten Ladepunkten 15.000 beisteuern. Am Ende sollen es 100.000 sein. Ob alle Autobauer mitmachen, bleibt jedoch fraglich. Und noch einen Haken hat die Zusage: Schon jetzt ist klar, dass ein Großteil der zugesagten Ladestationen auf den Werksgeländen der Hersteller entstehen und damit für Otto Normalverbraucher nicht zugänglich sein werden. Deshalb ist auch die Initiative der Energieversorger, Tankstellenbetreiber, Einzelhändler und Vermieter nun für die restlichen Ladestationen gefragt - Ausgang ungewiss. Sicher ist nur: Die Bundesregierung will 3,6 Milliarden Euro locker machen. Berappen werden das die Steuerzahler.

Wieso werden eigentlich eine Million Ladesäulen angepeilt?

Die Zahl "eine Million" scheint magisch zu sein, belastbar ist sie nicht. Es sollten auch eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 auf den Straßen fahren. Diese Latte hat die Regierung bereits gerissen. Ob eine Million Ladesäulen bis 2030 überhaupt realistisch sind, ist schwer zu beantworten. Vielleicht ist es nicht unmöglich. Hilfreich wäre dazu vielleicht ein Vortrag von Tesla-Chef Elon Musk gewesen. Aber der war nicht geladen. Kritiker bezweifeln, dass so viele Ladestationen benötigt werden. Laut Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft würden 350.000 reichen. Möglicherweise schießen Regierung und Industrie gemeinsam übers Ziel hinaus. Noch weiß niemand, ob Strom sich als Treibstoff der Zukunft durchsetzen wird - oder doch Wasserstoff.

Was bringt die E-Autooffensive für die Klima-Bilanz?

Nachweislich wenig, profitieren werden erstmal andere. "Das ist eine gute Geschichte für die Autobauer, sie haben sehr gut verhandelt", sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut an der Universität Duisburg-Essen. "Besser wäre es gewesen, ein vernünftiges Klimapaket zu schnüren." Dass Probleme wieder nur mit Geld zugeschüttet würden, zeige die Planlosigkeit der Regierung. Die Mehrheit der Autobauer wird die ab 2021 geforderte CO2-Flottenziele verfehlen. Das heißt, Millionenstrafen können fällig werden. Konkret: pro Auto 10.000 Euro. Eine Förderprämie von 6000 Euro, die nun maximal beim Kauf eines E-Autos gewährt werden, ist somit ein guter Deal. Kritik hagelt es vor allem an dem großzügigen Steuergeschenk an "Dieselbetrüger VW". Die satte Förderprämie macht rund 20 Prozent des Kaufpreises des neuen ID3 aus. Das neue Elektromodell der zweiten Generation läuft seit Montag in Zwickau vom Band. "Im Grunde ist es ein Offenbarungseid von Verkehrsminister Scheuer", sagt Dudenhöffer.

Wie werden die Förderprämien auf die verschiedenen Modelle verteilt?

Ein grundsätzliches Problem ist, dass nicht zwischen reinen Elektroautos und Hybrid-Fahrzeugen unterschieden wird: "Noch in diesem Monat sollen ausgerechnet schwere Verbrenner-SUVs mit kleinem E-Zusatzmotor mit bis zu 4500 Euro nicht nur als Neuwagen, sondern sogar als Gebraucht-Pkw gefördert werden", sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, RP Online. Ebenfalls irritierend: Elektroautos mit Preisen über 40.000 Euro werden stärker gefördert als billigere. Außerdem wird die Preisobergrenze für förderbare E-Autos von 60.000 auf 65.000 Euro erhöht. Luxusautos bescheren den Herstellern höhere Margen. Auch hier sind die Beschlüsse für die Industrie also vorteilhaft. Aus Umweltsicht machen Luxus-E-Autos gar keinen Sinn. Immerhin sicherte die Industrie zu, die Hälfte des Kosten für Kaufprämien zu übernehmen.

Wie wäre das CO2-Problem anders zu lösen?

Autoexperte Dudenhöffer hatte im Vorfeld des Gipfels eine neue Förderpolitik weg vom Geschädigten-Prinzip hin zum Verursacherprinzip gefordert. Geld, um die Industrie zu bewegen "umzusteigen", führt in seinen Augen in die Irre. Nicht der Kauf eines CO2-freien Elektroautos sollte belohnt werden, sondern der Kauf eines CO2-belastenden Verbrenners bestraft. "Die Preise an der Tankstelle haben die größte Wirkung. Dort wird der Autofahrer nahezu täglich damit konfrontiert, was CO2 kostet." Würde man zum Beispiel ab 2020 die Tonne CO2 mit 50 Euro bepreisen, würde Benzin durch die Steuer 16 Cent pro Liter teurer, Diesel um 18 Cent. 

Sind die Gipfel-Beschlüsse zumindest ein guter Anfang?

Es ist offensichtlich, dass die Runde zu klein war. Die Energiewirtschaft war beim Autogipfel nicht eingeladen. Dabei sind die Ziele ohne sie gar nicht zu erreichen. Laut den Beschlüssen soll sie es sein, die für die Versorgung mit Ladesäulen im ländlichen Raum sorgt. Sie hatte sich im Vorfeld aktiv in die Diskussion eingebracht. Der Energieverband BDEW hatte gefordert, Hürden für den Einbau privater Ladeinfrastruktur bei Elektroautos schneller abzubauen sowie das Wohn- und Miteigentumsrecht anzupassen. Auf dem Gipfel hätte auch sie in die Pflicht genommen werden können. Diese Chance ist vertan. Es gibt auch noch weitere Probleme, die nur gemeinsam zu lösen sind: "Man fährt an die Ladestation. Aber sie funktioniert nicht, weil die Software nicht mit dem Auto zusammenfunkt", gab der Autoexperte Stefan Bratzel im ZDF zu bedenken.

Warum stützt die Regierung die Industrie überhaupt mit Milliardensubventionen?

Der Wandel weg vom Verbrenner hin zur E-Mobilität hat die deutsche Autoindustrie in eine schwere Krise gestürzt. Die Branche ist eine Schlüsselbranche mit 800.000 Beschäftigten. Eine kürzlich veröffentlichte Modellrechnung des Pforzheimer Wirtschaftswissenschaftlers Rudi Kurz im Auftrag des Umweltverbands BUND geht davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren 360.000 Jobs wegfallen könnten. In einer Prognose des Fraunhofer-Instituts IAO war zuvor noch von 125.000 Stellen die Rede gewesen. Die Lage ist also dramatisch. Trotzdem: Auto- und Energiewirtschaft sind die beiden Industriezweige, die mit E-Mobilität viel Geld verdienen werden. Hier sind sie billig weggekommen.

Quelle: ntv.de

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