
Ohne den Staat lassen sich die Atom-Altlasten womöglich kaum bewältigen.
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Eigentlich hätte Eon seine Atommeiler gerne in eine neue Firma abgeschoben, um sich vor den Endlager-Kosten zu drücken. Doch nun knickt der Energieriese vor der Politik ein. Staatshilfe gibt es womöglich trotzdem bald.
Seit dem Atomausstieg sind Kernkraftwerke der größte Klotz am Bein der deutschen Stromversorger. Geld bringen sie nicht mehr. Abriss und Atommülllagerung müssen RWE und Co. trotzdem bezahlen. Wie praktisch wäre es da gewesen, hätte Deutschlands größter Energiekonzern Eon seine Meiler einfach in eine andere Firma abschieben können, zusammen mit seinen Gas- und Kohlekraftwerken, die sich dank billigem Ökostrom ebenfalls kaum noch lohnen.
Schon nach fünf Jahren wäre Eon die Haftung für seine Altlasten losgewesen. Sie hätten für immer in einer Art atomarer Bad Bank gedämmert. Die neuen Besitzer hätten sich darum gekümmert, und gegebenenfalls der Steuerzahler, falls sie Pleite geht, aber nicht mehr der Konzern, der mit den Meilern jahrzehntelang satte Gewinne eingefahren hat. Der will sich künftig auf Erneuerbare Energien konzentrieren.
Doch aus dem Plan wird nichts. Eon zieht die Reißleine: die Atomkraftwerke werden nun doch nicht wie geplant in die neue Gesellschaft Uniper ausgelagert, die ab Januar von Eon abgespalten wird und das lahmende Geschäft mit der konventionellen Stromerzeugung weiterführt. "Wir können und wollen nicht auf etwaige politische Entscheidungen warten, die die Abspaltung von Uniper verzögern könnten", sagt Eon-Chef Johannes Teyssen.
Ewige Haftung für Atomkonzerne
Aus der Verantwortung habe man sich ohnehin nie stehlen wollen: "Diese Sorge war und ist unbegründet. Die Kernenergie war nie ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung der Konzernstrategie und der daraus folgenden Aufspaltung des Unternehmens", beteuert Teyssen.
Dass darf man getrost bezweifeln. Eon begräbt seine Pläne zur Abspaltung der Atomkraftwerke nur auf Druck der Politik. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte in der vergangenen Woche einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem die Energiekonzerne ewig für ihr Atomerbe haften sollen - selbst wenn sie es in eine neue Gesellschaft ausgliedern. Es soll noch im September vom Kabinett beschlossen werden.
Trotzdem wollen Eon und die anderen AKW-Betreiber RWE, Vattenfall und EnBW die Kosten für ihre Atom-Altlasten am liebsten auf den Steuerzahler abschieben. "Staat und Unternehmen sind gemeinsam in die friedliche Nutzung der Kernenergie eingestiegen, jetzt müssen beide diesen Weg auch in gemeinsamer Verantwortung zu Ende gehen", sagt Teyssen.
Womöglich können die Energieriesen sie aber gar nicht alleine schultern: Zwar haben sie über Jahre Rückstellungen gebildet für den Tag, an dem ihre Meiler abgerissen und der Atommüll endgelagert wird. Rund 36 Milliarden Euro sind so zusammengekommen, bei Eon allein sind es 16,6 Milliarden Euro. Ob das reicht, ist fraglich. "Unsere Rückstellungen sind angemessen. Das wird uns regelmäßig von unabhängigen Wirtschaftsprüfern bestätigt", sagt ein Eon-Sprecher.
Greenpeace hat in einer Studie mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft dagegen schon 2012 Kosten von mindestens 44 Milliarden Euro errechnet. Wie teuer die Entsorgung am Ende wird, ist kaum absehbar: Brennstäbe und anderer hochradioaktiver Müll müssen über tausende Jahre eingelagert werden. Was, wenn ein Lager leckt, wie die Asse, oder umgeplant werden muss?
Hoffen auf Staatshilfe
Zudem ist ein Großteil des Geldes gar nicht flüssig. Die Firmen haben es in Beteiligungen an Stadtwerken Stromnetze und andere langfristige Anlagen gesteckt, an die der Staat so schnell nicht rankommt. Jedenfalls nicht, wenn er die Energieriesen dabei nicht finanziell zugrunde richten will. Das Geld, was die Versorger zurückgelegt haben, wäre dann futsch, so wie zehntausende Arbeitsplätze. Der Steuerzahler bliebe vollends auf den Kosten sitzen. Ganz abgesehen davon, dass auch die Sicherheit der deutschen Stromversorgung in Gefahr wäre.
Wirtschaftsminister Gabriel steckt also in der Zwickmühle. Es bleibt ihm womöglich keine andere Wahl, als den Energieriesen einen Teil der Risiken abzunehmen, etwa über eine Stiftung wie sie für die Abwicklung der Kohle-Altlasten im Ruhrgebiet geschaffen wurde. Eine Kommission soll bis Ende November klären, wie der Staat das Geld für die Atom-Altlasten aus den Konzernen herausholen kann, ohne dass sie dabei umfallen. Seit dem Sommer laufen Stresstests, Wirtschaftsprüfer bewerten die Rückstellungen.
Eon versteht sein Zurückrudern als Entgegenkommen an die Regierung und erhofft sich davon nun offenbar Zugeständnisse. "Ich höre die politischen Spekulationen, dass man eine weitgehende Lösung erreichen will, die auch die Leistungsfähigkeit der Energieversorger bewahrt. Wenn das die Basis von Gesprächen ist, reden wir gerne", sagt Teyssen. Die Initiative liege beim Staat. Man sei offen für Gespräche, ohne Vorfestlegungen, sagt ein Eon-Sprecher.
Dort wo die Atomkraft Zukunft hat, will Eon übrigens daran festhalten. Zum Beispiel in Schweden: "Die schwedische Kernkraft ist im Gegensatz zur politisch verhandelten Kernkraft in Deutschland ein strunznormales Geschäft mit einer erwarteten weiteren Lebensdauer von einer Generation", sagt Teyssen. "Die Regelungen zum Bau und der Finanzierung des Endlagers sind dort weiter entwickelt und stabil". In Schweden tragen der Staatskonzern Vattenfall, der mehrheitlich sieben von zehn Reaktoren betreibt, und der finnische Staat als Minderheitsaktionär den Großteil der Kosten.
Quelle: ntv.de