Fürs Meeresmuseum 3000 Fische gefangen
16.10.2007, 15:41 UhrDie Strapazen ihrer mehr als 1500 Kilometer langen Reise scheinen die rund 3000 Nordmeerfische gut überstanden zu haben. Unmittelbar nachdem die Seelachse, Lippfische, Aale und Knurrhähne aus den gekühlten Transporttanks in die Quarantänebecken des Stralsunder Ozeaneums umgesiedelt wurden, gingen die ersten bereits auf Erkundungstour in ihrem neuen Zuhause. Statt in den Tiefen des Europäischen Nordmeeres, einem Gewässer vor der norwegischen Küste, werden die Fische ihr weiteres Leben in den Kaltwasseraquarien des Ozeaneums verbringen.
Sie sind die ersten Bewohner des rund 50 Millionen Euro teuren Komplexes des Deutschen Meeresmuseums, der im Frühjahr 2008 öffnen soll. Besucher können dann entlang von rund 40 Großaquarien auf Unterwasserreise von der Ostsee bis in die Polargebiete gehen und einen Einblick in die Kaltwassermeere erhalten. So sollen in einem riesigen Becken Raubfische wie Dorsche und Haie Schwärmen von tausenden Heringen und Makrelen hinterherjagen. In anderen Schaubecken werden sich Pinguine, Störe, Hummer oder Seeteufel tummeln. Mit lebensgroßen Präparaten von Walen und Riesentintenfischen will das Ozeaneum zudem die Welt der Tiefsee in das Museum holen. Ausstellungen informieren über den Lebensraum Ostsee sowie die Meeresforschung, -nutzung und -gefährdung, wie Meeresmuseumsdirektor Harald Benke berichtet.
Schonende Fangmethoden nötig
Vor einer Woche machten sich Meeresbiologen mit Aquarienleiterin Nicole Kube an der Spitze auf den Weg zu ihrer ersten Fangreise nach Norwegen. "Es gibt kaum Händler von Fischen für Kaltwasseraquarien", begründet die 31-Jährige die Reise in den Norden. Zudem könne man nicht einfach Fischer mit dem Fang beauftragen, da bei den Museumsfischen ganz besonders schonende Fangmethoden nötig seien, erklärt die Expertin am Telefon in Norwegen. Zusammen mit Kollegen vom Kaltwasseraquarium in dem rund 250 Kilometer nördlich von Bergen gelegenen Alesund gingen die Forscher mit Netzen auf Tauchtour, setzten Reusen oder hielten besonders präparierte Angeln ins Wasser. "Die Fische dürfen möglichst nicht angefasst werden. Jede Berührung mit der Hand verursacht kleinste Verletzungen", erklärt die Fachfrau.
Neben kapitalen Seelachsen konnten die Forschungstaucher mehrere tausende Lippfische sowie Klippenbarsche, Seequappen und Seeskorpione einsammeln. Auf einen Fang ist Kube ganz besonders stolz: Ein rund 40 Zentimeter großer Seeteufel, der relativ selten gefangen wird und der normalerweise in Tiefen von 20 bis 1000 Metern lebt, ging den Forschern ins Netz. Ein Urlaubstrip sei die Reise keinesfalls, versichert Nicole Kube. Die Tagestemperaturen liegen teilweise nahe dem Gefrierpunkt, die Wassertemperatur beträgt rund 14 Grad.
"Tiere verzeihen keinen Fehler"
In einem speziell umgerüsteten Kühltransporter, dessen Luft und damit die gut 10 000 Liter Wasser in den acht Transportbehältern auf Nordmeer-Temperatur herabgekühlt wurde, gingen die Tiere in Alesund auf Reisen. Luftpumpen versorgten die Fische während der langen Autofahrt mit Sauerstoff. Im Ozeaneum sind die fünf Quarantänebecken für die Flossentiere mit der Temperatur und einem Salzgehalt von 3,5 Prozent den Verhältnissen im Nordmeer angepasst worden, berichtet Aquarienmitarbeiter Rolf Wilsch. "Tiere verzeihen keinen Fehler", sagt er.
Die Forscher selbst bleiben noch eine weitere Woche in Norwegen. Unter anderem widmen sie sich jetzt dem Einsammeln von Wirbellosen wie Seeanemonen, Seesternen und Seeigeln. Aus Aquakulturen wollen die Wissenschaftler zudem Dorsche, Lachse und Heilbutte besorgen. Die Fangreise ins Nordmeer wird nicht die letzte sein. So fehlt den Stralsunder Biologen immer noch ein mehrere tausend Fische großer Heringsschwarm. Die Tiere sollen mit Hilfe der Kollegen vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften im Frühjahr im Nord- Ostsee-Kanal gefangen werden.
Von Martina Rathke, dpa
Quelle: ntv.de