Wissen

Großer Wirbel um kleinste Teilchen 50 Jahre Spitzenforschung

Die Experimentierhalle von PETRA III auf dem DESY-Gelände in Hamburg.

Die Experimentierhalle von PETRA III auf dem DESY-Gelände in Hamburg.

(Foto: dpa)

Seit 50 Jahren fahnden Wissenschaftler im Deutschen Elektron Synchrotron (DESY) in Hamburg unter anderem nach der Antwort auf den Faust'schen Wunschtraum, "dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält". Gerade erst wurde der modernisierte 2300 Meter lange unterirdische Teilchenbeschleuniger PETRA III in Betrieb genommen, mit dem Wissenschaftler aus aller Welt besser denn je in das Herz der Materie schauen können. Allein der Umbau dieses Teilchenbeschleunigers kostete mehr als 225 Millionen Euro.

Mit rund einer Milliarde Euro verschlingt der Bau des Europäischen Röntgenlasers XFEL noch wesentlich mehr Geld. Von 2014 an sollen im XFEL (X steht für Röntgen, FEL für Freie-Elektronen-Laser) Röntgen- Laserblitze von bislang unerreichter Brillanz, Intensität und Zeitauflösung sogar Filmaufnahmen von chemischen und biologischen Reaktionen auf atomarer Ebene liefern.

Forschung der Spitzenklasse

Der Tunnel der Hadron-Elektron-Ring-Anlage (HERA) liegt sieben Stockwerke unter der Erde.

Der Tunnel der Hadron-Elektron-Ring-Anlage (HERA) liegt sieben Stockwerke unter der Erde.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Was heute ein 1900 Mitarbeiter starkes Forschungszentrum auf Weltniveau zwischen beschaulichen Wohngebieten und Grünanlage im Westen der Hansestadt ist, begann 1959 bescheiden. "Sicherlich hatten die Gründer von DESY vor 50 Jahren Visionen, was dieses Forschungszentrum leisten könnte", sagt der Vorsitzende des DESY- Direktoriums, Professor Helmut Dosch. "Dass es aber 50 Jahre lang weltweit anerkannte Spitzenergebnisse liefern würde, hat damals sicherlich keiner erahnt."

Wichtige Stationen in der DESY-Geschichte waren der erste Elektronen-Linearbeschleuniger LINAC I (1964), der Doppel-Ring-Speicher DORIS (1974) und die Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage PETRA (1978). PETRA ermöglichte den Forschern in Hamburg bereits im Jahr nach dem ersten Betrieb des damals größten unterirdischen Speicherrings seiner Art einen spektakulären Erfolg. Das Gluon - Trägerteilchen der Kernkraft und damit gewissermaßen der Klebstoff der Atomkernbausteine - war erstmals zu beobachten. Es folgten weitere große Investitionen, mit denen 1980 das Hamburger Synchrotronstrahlungslabor HASYLAB und 1990 die Hadron-Elektron-Ring-Anlage HERA entstanden. Der zu 90 Prozent vom Bund getragene DESY-Jahresetat erreicht inzwischen 192 Millionen Euro.

Wie im Science-Fiction-Roman

Der Diplom Physiker Oliver Seeck befestigt im DESY-Experimentierraum eine Halterung für Gegenstände am Diffraktometer der Lichtquelle Petra III.

Der Diplom Physiker Oliver Seeck befestigt im DESY-Experimentierraum eine Halterung für Gegenstände am Diffraktometer der Lichtquelle Petra III.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Mit den Physikkenntnissen aus der Schulzeit ist das alles überhaupt nicht zu begreifen. So ließ sich in der 50-jährigen Geschichte manch hochrangiger Politiker, bis hin zu Kanzler und Bundespräsident, von stolzen Wissenschaftlern durch die Anlagen führen - und nahm die Erklärungen staunend zur Kenntnis. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust räumte vor wenigen Wochen bei der Unterzeichnung eines internationalen Übereinkommens zum Betrieb von XFEL denn auch freimütig ein, als Jurist und Politiker fehle es ihm am physikalischen Fachwissen. "Ich weiß aber, dass es sich um wichtige Forschungsvorhaben handelt."

Einfach gesagt geht es zum Beispiel bei PETRA III darum, kleinste Strukturen der Materie sichtbar zu machen. Das menschliche Auge kann auch mit Hilfe eines Mikroskops Gegenstände und Strukturen nur bis zu einer gewissen Größe erkennen. Abhilfe schafft die Röntgenstrahlung. PETRA III erzeugt besonders scharf gebündeltes und helles Röntgenlicht. Damit können Biologen zum Beispiel die Anordnung der Atome von Proteinen betrachten.

Die Aufgaben für die Zukunft sind klar: In fünf Jahren sollen bis zu 30.000 Röntgenblitze pro Sekunde durch den unterirdischen XFEL-Tunnel rasen und Forschern bisher nicht gekannte Arbeitsmöglichkeiten bieten. "Dieses internationale Großgerät scheint einem Science-Fiction-Roman zu entstammen", sagt Dosch.

Quelle: ntv.de, Sönke Möhl, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen