Medizin wächst im Garten Artemisia gegen Malaria
05.12.2007, 10:39 UhrElfinesh Achemo rollt die farnartigen grünen Blätter zwischen den Fingern. "Ich muss eine Tasse Blätter mit einem Liter Wasser aufkochen", sagt die Bäuerin aus dem äthiopischen Dorf Sodo. "Dieser Tee muss drei bis fünfmal täglich getrunken werden, eine Woche lang." Ihre Mutter Shemsia nickt energisch. "Seit wir Artemisia haben, haben wir keine Probleme mit Malaria mehr", sagt sie. "Vorher waren wir oft krank und haben unter dem Fieber gelitten. Aber mit diesem Tee werden wir schnell wieder gesund." Sie verzieht den zahnlosen Mund zu einem breiten Lächeln. "Aber es ist eine bittere Medizin, für die Kinder müssen wir den Tee mit Honig süßen, damit sie ihn trinken."
Die Malariamedizin wächst im Garten der äthiopischen Bauernfamilie, wie auch vor zahlreichen Hütten in Sodo, einem der "Millenniumsdörfer" der Deutschen Welthungerhilfe. Hier soll nachhaltige Entwicklung besonders genau dokumentiert und die Ergebnisse überprüft werden. Doch auch in anderen Projekten, ob auf dem Land oder in städtischen Slums, ermutigen die Helfer der Welthungerhilfe die Äthiopier zum Anbau von Artemisia, dem Beifuß.
Nicht nur in Äthiopien ist Malaria ein Problem. Weltweit sterben nach UN-Angaben jährlich mindestens eine Million Menschen an der Infektionskrankheit. Rund 300 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr. Vor allem bei kleinen Kindern verläuft Malaria oft tödlich.
"In Kenia und Tansania wird Artemisia inzwischen schon für die Pharmaindustrie angebaut", sagt Bernhard Meier zu Biesen, Regionaldirektor der Welthungerhilfe in Addis Abeba. Ein Malariamedikament verbindet den pflanzlichen Wirkstoff aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua) mit weiteren Stoffen. Auf Sansibar hat ein Prophylaxeprogramm mit dem Medikament bereits gute Erfolge gezeigt - die Zahl der an Malaria gestorbenen Kinder ging innerhalb weniger Jahre auf ein Viertel der bisherigen Todesfälle zurück.
"Das Medikament ist natürlich ein großer Fortschritt, gerade weil die Malaria-Erreger bereits Resistenzen gegen die meisten herkömmlichen Malariamedikamente entwickelt haben", sagt Meier zu Biesen. "Aber wir ermutigen die Bauern, Artemisia anzubauen, weil die Pflanze noch eine Reihe von anderen Heilwirkungen hat." So sei Artemisia auch bei Magenproblemen wirksam.
Mit der Nutzung des Wirkstoffs Artemisinin gegen Malaria greifen Pharmaindustrie wie die afrikanischen Bauern auf jahrhundertealte Traditionen zurück. Denn schon im alten China wurde Artemisia zur Bekämpfung von Malaria eingesetzt. Doch das in 2000 Jahre alten Lehrbüchern dokumentierte Wissen geriet lange in Vergessenheit. Erst in den 1960er Jahren erforschten chinesische Wissenschaftler erneut die Wirkung des "Wurmholzes".
Es gibt jedoch auch Warnungen. Wissenschaftler fürchten, ein unkontrollierter Gebrauch von Artemisinin mache das Medikament unwirksam. Erste Resistenzen wurden bereits gefunden, warnten Forscher des Louis-Pasteur-Instituts nach Untersuchungen unter anderem in Senegal und Kambodscha. Als zentrale Maßnahme im Kampf gegen Malaria gilt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) daher die Vermeidung einer Infektion mit dem Malaria-Parasiten, der von bestimmten Stechmücken übertragen wird. Mit Insektengift imprägnierte Moskitonetze gelten als entscheidende Waffe gegen Malaria.
In Sodo haben die Menschen keine Angst, das Heilkraut könne bald unwirksam werden. Zufrieden blickt Elfinesh Achemo auf den fast zwei Meter hohen, üppig wuchernden Strauch in ihrem Garten. "Meine Familie ist gesund, seit ich lernte, wie ich den Tee machen muss."
Quelle: ntv.de, Eva Krafczyk, dpa