Bagger in Kourou Bauen für die Russen
04.12.2006, 13:25 UhrAuf einer riesigen Lichtung mitten im Dschungel ragen die Arme mehrerer Spezialkräne in den Himmel. Überall sind Betonmischer und bullige Lastwagen im Einsatz. Die Schutzhelme der mehr als 200 Männer, die hier trotz der tropischen Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit sechs Tage in der Woche arbeiten, blitzen auf. Am Weltraumbahnhof von Kourou in Französisch-Guayana bereitet Westeuropa das Terrain für die Russen vor - am 21. November 2008 soll von einer neuen Rampe aus erstmals eine Sojus-Rakete in den Weltraum starten. Damit werden dann Trägerraketen verschiedener Größen in Kourou abheben können, um Satelliten oder Raumkörper jeder Art ins All zu bringen.
Die Startbasis, die unweit der Atlantikküste und in günstiger Nähe zum Äquator bei Kourou aus dem Erdreich gebaggert und aus dem Felsen gehauen wird, soll in zwei Jahren einen ganzen "Stall" von Raketen beherbergen und auf die Reise in den Weltraum schicken. Zunächst will die Europäische Weltraumorganisation ESA Mitte 2008 ihre neue kleine Vega-Trägerrakete auf den Jungfernflug schicken. Ausgestattet mit dem gerade erfolgreich getesteten neuartigen Feststofftriebwerk P80 kann Vega bis eineinhalb Tonnen schwere Satelliten in eine 700 Kilometer hohe Umlaufbahn befördern. Für die Rakete wird die Startrampe ELA 1 umgebaut -dort startete am 24. Dezember 1979 die erste Ariane.
Eine viertel Million Kubikmeter Schutt und Felsgestein haben die Bagger weggeschaufelt, jetzt bringen die Mischmaschinen etwa 30.000 Tonnen Stahlbeton: Für die Sojus, das verlässliche Arbeitstier der russischen Raumfahrt mit über 1.700 Starts vom kasachischen Baikonur aus, musste ein immenser Rauchkanal in den Granitboden gelegt werden -beeindruckende 28 Meter tief, um den ohrenbetäubenden Lärm und den Feuerstrahl beim Start zu kanalisieren. "2003 haben wir den Vertrag mit den Russen geschlossen, 2005 begann dann die Arbeit der Bagger", erklärt Michel Debraine, der den 221 Millionen Euro teuren Bau für die ESA überwacht. "Gerade beenden wir die Erdarbeiten, nun kommt der Beton."
Das 90-Hektar-Gelände, dem Dschungelstädtchen Sinnamary näher als dem größeren Kourou, soll bis zur Ankunft von 210 Russen im Juli 2007 auf seine künftige Mission vorbereitet sein. Dass der Weltraumbahnhof dichter am Äquator liegt als Baikonur, erleichtert den Transport auch schwerer Lasten in einen 36000 Kilometer hohen geostationären Orbit. So soll etwa die neue Sojus-Version 2-1B eine um vier Fünftel auf gut drei Tonnen erhöhte Nutzlast hieven können. Drei Starts einer Sojus im Jahr haben die Verantwortlichen im Auge. Das organisatorische Dach stellt die europäische Betreibergesellschaft Arianespace. Doch die russische Raumfahrt bleibt führend mit im Spiel: "Sojus in Guayana", wie das Programm heißt, ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit.
Stünden sie nebeneinander und nicht versteckt im Dschungel (und dabei weit voneinander entfernt) auf ihren Rampen, böte sich das Bild von Orgelpfeifen. 52 Meter hoch und 746 Tonnen schwer ist die starke Ariane-5-ECA. 300 Tonnen bringt die Sojus 2-1B bei einer Größe von 46 Metern auf die Waage. Vega, die "kleine Schwester" der Ariane, nimmt sich dagegen mit 137 Tonnen und 30 Metern fast winzig aus. Gemeinsam sollen sie Europas unabhängigen "Zugang zum Weltraum" sichern.
Quelle: ntv.de