Nanotechnologie mit Risiken Bei Ratten krebsauslösend
27.05.2008, 12:11 UhrKohlenstoff-Nanoröhrchen lösen im Bauch von Ratten ähnliche Störungen aus wie krebserregende Asbestfasern in der Lunge. Ein Beweis dafür, dass der vielfach erforschte neue Werkstoff Krebs auslöst, sind die Resultate einer Gruppe um Ken Donaldson vom Zentrum für Entzündungsforschung an der Universität Edinburgh aber nicht. Das berichten die Forscher im Journal „Nature Nanotechnology“. Allerdings habe sich in den Experimenten ein „asbestartiges, krankheitserregendes Verhalten“ gezeigt.
Erhöhtes Krebsrisiko
Asbest wurde über Jahrzehnte hinweg als Isoliermaterial verbaut – bis sich herausstellte, dass feine Fasern, die sich daraus lösen, bis in die Lunge wandern und sie schwer schädigen können. Bei der sogenannten Asbestose reizen die Fasern das Bindegewebe und können vom natürlichen Reinigungsmechanismus nicht abtransportiert werden. Atemnot und eine einschränkte Lungenfunktion sind die Folgen, zudem ist das Risiko für Lungenkrebs erhöht. Asbest ist seither in vielen Ländern verboten.
Die nadelförmigen Kohlenstoff-Nanoröhren erinnern schon vom äußeren Anschein her an die – allerdings viel größeren – Asbestfasern. Die Röhren bestehen aus zusammengerollten Lagen von Graphen, einer flächenförmigen Anordnung von Kohlenstoff, der sich grob mit einem Maschendraht vergleichen lässt. Ein daraus gerollter Zylinder ist eine Nanoröhre, die einoder mehrschichtig ausfallen können. Der Durchmesser beträgt wenige Nanometer (millionstel Millimeter), sie können aber tausende von Nanometern lang werden. Sie sind extrem fest und leicht und regen daher die Phantasien von Forschern an, die daraus neue Materialien für neue, milliardenschwere Märkte schaffen möchten.
In den winzigen Dimensionen der Nanopartikel verändern sich die Eigenschaften der Materialien auf vielfältige Weise. Isolierende Stoffe können plötzlich leitend werden, andere Substanzen lösen sich in Flüssigkeiten, obwohl sie das vorher nicht taten. Weitere Stoffe werden durchsichtig oder ändern ihre Farbe – auf der atomaren Ebene zählen also vielfach ganz andere Gesetzmäßigkeiten als im Makrokosmos.
Die neuen Versuche sind Teil der Frage, ob die Nanotechnik gesundheitliche Probleme birgt – auch dies ist ein neues Forschungsgebiet. Für ihre Tests spritzten Donaldson und seine Kollegen die Nanoröhrchen in den Bauchraum der Versuchstiere. Dieser ist ebenfalls von einer feinen Zellschicht ausgekleidet, die sich ähnlich verhält wie jene auf der Innenseite der Lungen. In diesem Modell verglichen die Briten die Wirkung von langen und kurzen Nanoröhren mit jener von langen und kurzen Asbestfasern. „Die Resultate waren klar“, sagte Donaldson im Anschluss: „Lange, dünne Kohlenstoff-Nanoröhren zeigten denselben Effekt wie lange, dünne Asbestfasern.“ Zu den Folgen zählten Entzündungen und feine Störungen der Zellschicht. Genauer: Es kam zu Läsionen namens Granulom, bei der an der gestörten Stelle feines, knötchenartiges neues Gewebe entsteht.
Untersuchungen zu Langzeitfolgen
Mikroskopische Bilder zeigen zudem, wie Fresszellen des Immunsystems versuchen, die langen Nanoröhren zu verschlingen – und scheitern. Die Faser ragt links und rechts weit aus der Zelle hinaus – diese wirkt wie aufgespießt. Kürzere Fasern verschwinden hingegen in den Fresszellen. Die britischen Forscher weisen darauf hin, dass sie bislang kein Lungengewebe untersucht haben und zudem auch nicht wissen, ob überhaupt jemals genügend Nanoröhren in die Luft gelangen werden, um zu einer potenziellen Gefahr zu werden. Dennoch müsse es weitere Untersuchungen über mögliche Langzeitfolgen geben, bevor die neuen Materialien in die Umwelt gelangen.
In Deutschland gibt es seit 2006 das von der Bundesregierung geförderte Projekt NanoCare, das unter anderem neue Methoden zur frühzeitigen Bewertung der Auswirkungen von Nanomaterialien auf Gesundheit und Umwelt schaffen soll. „Über die gesundheitlichen Auswirkungen gezielt synthetisierter Nanopartikel ist bisher nur wenig bekannt“, heißt es dort. Versuche in der Zellkultur deuten aber darauf hin, dass entzündlichen Reaktionen hervorgerufen oder verstärkt werden.
Quelle: ntv.de